Willkommen zur Worlds Week! Diese Woche findet im französischen Nizza der 21. Magic: The Gathering World Championship statt, den ihr hier live mitverfolgen könnt. Ursprünglich dachte ich, es wäre vielleicht spannend, wenn ich euch von allen Weltmeisterschaften erzählen würde (ich war nämlich nur bei einer einzigen nicht dabei), doch dann fiel mir ein, dass ich das ja 2009 schon getan habe. Nach genauerer Betrachtung wurde mir außerdem klar, dass ich einen ganzen Artikel über die erste Weltmeisterschaft 1994 und die zweite 1995 geschrieben habe. Ich habe sogar schon mal einen kompletten Artikel mit kleinen Quizfragen zu den World Championships zusammengestellt. Für heute habe ich mir jedoch überlegt, mal auf einen anderen Aspekt der Weltmeisterschaften einzugehen.

Ihr müsst wissen, dass ich jahrelang zu jeder Pro Tour gefahren bin. Damals war es meine Aufgabe, den Feature-Match-Bereich zu beaufsichtigen, sprich die Partien festzulegen und sie dann als Judge zu betreuen. Sonntags hingegen war ich als Videoproduzent unterwegs und somit für die Aufzeichnung der Finalpartien verantwortlich. Ich wählte die Kommentatoren aus und arbeitete mit dem Regisseur zusammen, um festzulegen, welches Match wir wann zeigen würden. Heute fange ich mit der Weltmeisterschaft an, bei der ich das zum ersten Mal gemacht habe: 1996. Anschließend werde ich eine Geschichte von jeder der folgenden drei World Championships erzählen. So könnt ihr einmal eine andere Seite der Magic: The Gathering-Weltmeisterschaften kennenlernen.

World Championship 1996: Die Zeitlupe

Die Weltmeisterschaft 1996 war deshalb so einzigartig, weil sie im Firmensitz von Wizards of the Coast in Renton im US-Bundesstaat Washington stattfand. Und damit meine ich nicht in einem Hotel die Straße runter. Das Event fand buchstäblich in unserem Gebäude statt. Jeder in der Firma ließ eine Woche lang alles andere stehen und liegen, um sich nur auf die Weltmeisterschaft zu konzentrieren.

Das war die erste Weltmeisterschaft, die gleichzeitig eine Pro Tour war. Zu diesem Zeitpunkt war ich noch Kommentator. Ihr habt richtig gelesen: In grauer Vorzeit fungierte ich noch als Ansager für die Spiele und zog verschiedene Pro-Player als Farbkommentatoren heran. Also als diejenigen, die mit Hintergrundinformationen und Anekdoten die Show auflockerten. Die erste Pro Tour war eine Katastrophe. Ich habe ihr einen ganzen Podcast gewidmet, wenn ihr die unschönen Einzelheiten hören wollt. Die zweite Pro Tour in Los Angeles war die erste, bei der ich mit einem Pro-Player als Kommentator zusammenarbeitete. Hierbei handelte es sich um Mark Justice, und die einzige schalldichte Kabine, die das Team für uns an Bord der „Queen Mary“ finden konnte, war eine Telefonzelle. Es war zugegebenermaßen eine ziemlich große Telefonzelle, aber Marc und ich verbrachten zwölf Stunden darin, weil die Top 8 – also die Viertelfinalpartien – ganz schön lange dauerten. Wir waren wirklich versucht, eine Pizza zu bestellen, während wir auf Sendung waren. (Wir waren echt hungrig.) Shawn „Hammer“ Regnier besiegte Tom Guevin (beide kamen aus den USA). „Hammer“ kommentierte dann mit mir gemeinsam die nächste Pro Tour in Columbus, wo der Newcomer Olle Råde aus Schweden über Sean Fleischman aus den USA triumphierte.

Die nächste Pro Tour danach war dann die Weltmeisterschaft im zauberhaften Renton in Washington. Für dieses Event bat ich den Pro-Player Marc Chalice, den Farbkommentator zu geben. Mark Chalice ist historisch gesehen wahrscheinlich nicht ganz so bekannt. Er kam nur einmal in die Top 8, war aber sehr oft in den Top 16. Chalice war berühmt dafür, das Schweizer System so richtig aufzumischen, nur um dann kurz vor dem Erreichen der Top 8 doch noch zu verlieren. Bei der Weltmeisterschaft 1996 wurde er 11. Chalice war außerdem einer der sechzehn Teilnehmer des ersten Duelist-Invitationals in Hongkong.

Es gab für mich drei Gründe, Chalice zu bitten, mit mir gemeinsam das Geschehen zu kommentieren: Erstens war er ein sehr guter Spieler, und ich dachte mir, dass er bestimmt eine Menge spannender Dinge zu sagen haben würde. Zweitens war ich noch aus der Zeit, in der ich in Los Angeles gelebt hatte, mit ihm befreundet, und wir hatten einen guten Draht zueinander. Und drittens war er auch noch gut mit Mark Justice befreundet, der einer der Finalisten war. Mir war daher klar, dass er ziemlich genau darüber Bescheid wissen würde, wie sich Justice auf dieses Turnier vorbereitet hatte.

Für diejenigen, die es nicht wissen: Mark Justice war der erste wirklich große Name im professionellen Magic. Damals 1995 wurde er Zweiter in der Region Südwest (zu jener Zeit hatte noch jede Region ihr eigenes Turnier, und der Höchstplatzierte wurde zu den US-Landesmeisterschaften eingeladen). Justice besiegte später Henry Stern und wurde so Landesmeister. Auf der Weltmeisterschaft dann erreichte Justice den dritten Platz und gehörte zu dem Team, das den Mannschaftswettbewerb für sich entschied: die US-Amerikaner Justice, Stern, Mike Long und Peter Lieher stellten die erste Weltmeistermannschaft (darum geht es unter anderem in dem Artikel, den ich oben verlinkt habe).

Mark Justice (rechts) spielt bei der Weltmeisterschaft 1995 gegen Blumke (links)

Justice schaffte es dann auf der ersten Pro Tour in die Top 8. Hätte man damals zufällig ausgewählte Magic-Spieler gefragt, wer der beste Magic-Spieler der Welt ist, hätten wohl die meisten Mark Justice genannt. Die Weltmeisterschaft 1996 bestärkte diesen Glauben nur noch, als Mark es ins Finale schaffte. Sein Gegner war Tom Chanpheng aus Australien. Diese Weltmeisterschaft war Chanphengs erste Pro Tour, und bis dahin war er ein echter Unbekannter gewesen. Als das Finale anstand, war jeder davon überzeugt, dass Mark Justice, der „beste Spieler der Welt“ zum Magic-Weltmeister gekrönt werden würde.

Damals war es so, dass das Turnier in der Lobby im Erdgeschoss stattfand und Mark Chalice und ich in einem Hinterzimmer im ersten Stock saßen. Wir schauten uns die Spiele über die Kameras an, mit denen sie zum Publikum in einem dritten Raum übertragen wurden. Ich würde gern behaupten, Mark und ich hätten eine glänzende Leistung abgeliefert, doch dem war nicht so. Ich kannte mich zwar mit der Pro Tour aus, aber meine Fähigkeit, das Geschehen schnell zusammenzufassen, war eher kümmerlich ausgeprägt. Wie ihr nächstes Jahr sehen werdet, war meine Karriere als Ansager für die Partien ziemlich kurz.

Den größten Fehler machten wir während der zweiten Partie. Obwohl Justice zweifellos der bekanntere Spieler war, hatte Changpheng das bessere Deck. Justice spielte ein monoschwarzes Nekrodeck (sprich ein Deck, das um die Eiszeit-Karte Necropotence herum gebaut war), während Changpheng ein Weißes Kleinvieh-Deck spielte, das darauf angelegt war, Nekrodecks zu schlagen.

Abgesehen von einer toten Karte durch einen Fehler in der Deckliste war Changpheng eindeutig im Vorteil. Justice verlor die erste Partie. Mitte der zweiten Partie schwor Chalice Stein und Bein, die Judges hätten bei etwas eine falsche Entscheidung getroffen. Er war sich dessen so sicher, dass er uns die Partie unterbrechen ließ, damit wir uns das Band anschauen konnten. Es gab nicht viele Momente in der Geschichte der Pro Tours, in denen die Spiele unterbrochen wurden, um die Aufzeichnung zurückzuspulen und sie sich genau anzuschauen – es könnte sogar gut der einzige überhaupt gewesen sein. Nach einer halben Stunde, in der sich die Judges das Band ansahen, stellte sich dann heraus, dass Chalice ... sich geirrt hatte. Ich erntete eine Menge giftige Blicke, ehe sich alle davonmachten, um das Finale fortzusetzen.

Für die, die die Geschichte des Finales der Weltmeisterschaften 1996 nicht kennen: Der entscheidende Spielzug war eine doppelt gespielte Demonic Consultation von Justice, die aus dem Ruder lief. Justice erholte sich davon nicht mehr und unterlag am Ende Changpheng. Dem Australier wurde eine Trophäe mit einer einzigartigen Karte darin überreicht. Ich mache keine Witze: Wir hatten sie auf einen separaten Bogen gedruckt und zeigten dann ein Video, wie wir alle anderen Exemplare dieser Karte vernichteten.

Währenddessen schien es, als würde die junge, aufstrebende Mannschaft aus Tschechien die Oberhand im Team-Event haben, doch den US-Jungs gelang es, das zweite Jahr in Folge den Sieg zu erringen.

Das Event verlief gut, auch wenn die Videoberichterstattung nicht zwingend die beste war (sie war allerdings ohnehin nur für die Leute im Gebäude gedacht, weil wir das Video einfach nirgendwo anders zeigen konnten und Streaming noch fast zwei Jahrzehnte Zukunftsmusik bleiben sollte).

Weltmeisterschaft 1997: Der Beginn der Show

Das dritte Jahr in Folge fand die Weltmeisterschaft in Seattle statt. Diesmal wollten wir jedoch die Aufmerksamkeit auf unsere neue Kette von Stores lenken. Daher veranstalteten wir sie im „Flagship Store“ von Wizards of the Coast im Unibezirk von Seattle (bei der fraglichen Universität handelt es sich um die University of Washington, unter den Einheimischen als „U-Dub“ bekannt).

In der Zwischenzeit versuchten wir, der Pro Tour zu mehr öffentlicher Beachtung zu verhelfen. Deshalb machte Wizards einen Deal mit ESPN2: Der Sender sollte mit der Produktion von Magic-Fernsehshows beginnen. Jede war eine halbe Stunde lang und drehte sich um eine andere Pro Tour. Als Erstes stand der World Championship 1997 auf dem Programm. Das bedeutete, dass ich als Videoproduzent plötzlich bedeutend mehr zu tun hatte. Zuallererst musste ich eine Liste von Top-Profis zusammenstellen, mit denen wir Vorabinterviews führen wollten. Das Ziel war es, ein paar Leute aus den Top 8 vor dem Event vor die Kamera zu bekommen. Da wir aber natürlich nicht wussten, wer die Top 8 sein würden, musste ich im Grunde raten und dann hoffen, dass ich mit meiner Einschätzung richtig lag.

Eine der Personen, die ich zu interviewen beschloss, war ein junger Spieler aus Tschechien namens Jakub Slemr. In der Weltmeisterschaft davor hatte er im Team-Event geglänzt, aber als Einzelspieler war ihm noch keine Top-Platzierung gelungen. Man fragte mich, warum er auf meiner Liste stand, und alles, was ich als Grund anführen konnte, war mein Bauchgefühl, dass er gut abschneiden würde. Und das tat er auch. Jakub sollte der Weltmeister 1997 werden, und wir hatten ein Interview mit ihm vor dem Event geführt.

Jakub Slemr, World Champion 1997

Für die von euch, die lustige Pro Tour-Anekdoten mögen: Der Moderator dieser Weltmeisterschaftsshow 1997 war niemand Geringeres als Jeff Probst, der später Survivor moderieren sollte. Das Finale wurde im Keller des Wizards of the Coast Tournament Centers gedreht, das eigentlich viel zu klein dafür war. Der Schwenkarm mit der Kamera, mit dem man den Tisch von oben sehen konnte, hatte kaum Bewegungsfreiheit, und wegen der ganzen Scheinwerfer wurde es in dem schlecht belüfteten Raum ziemlich heiß.

Seit der Weltmeisterschaft im Jahr davor stand fest, dass ich nicht zum Kommentator geschaffen war. Ich probierte also verschiedene Moderatoren aus, und die beiden Kommentatoren für die Weltmeisterschaft 1997 waren ein ungleiches Paar. Die Spielansagen wurden noch immer von einem Magic-Designer gemacht, nur war das eben nicht mehr ich. Bei diesem einen Event war das Mike Elliot (bekannt als die Nummer 2 der Leute, die am häufigsten das Chefdesign fürMagic-Produkte übernommen hatten). Als Farbkommentator setzte ich einen Mann namens Jeff Donais ein. Donais sollte später für Wizards arbeiten und ein paar Jahre lang sogar die Pro Tour ausrichten. Zur damaligen Zeit war er jedoch ein Spieler (und Turnierorganisator), der 1997 auch tatsächlich im Wettkampf antrat. Ich hätte ihn auch um ein Haar als Kommentator verloren, da er es beinahe in die Top 8 schaffte. Am ersten Tag blieb er ungeschlagen, und am zweiten stand er ebenfalls ganz gut da. Er hätte am dritten Tag nur noch 2-4-1 spielen müssen, um sicher in den Top 8 zu landen. Donais verzettelte sich jedoch und spielte nur 1-5-1.

Die andere witzige Geschichte war, dass das US-Team ein bisschen aufgemotzt werden sollte. Viele Nationalmannschaften kamen in Trikots, was durch die Kameralinse betrachtet schon recht imposant wirkte. Das US-Team hingegen sah eher wenig beeindruckend aus. Wir erinnern uns: Das war das dritte Jahr, dass bei der Weltmeisterschaft ein Teamevent stattfand, und in den beiden Jahren zuvor hatte die US-Mannschaft den Titel geholt. Wir schickten also Leute durch ganz Seattle, um Shirts mit der US-Flagge aufzutreiben. Das US-Team ging dann später jedoch sang- und klanglos unter und kam nicht mal in die Nähe des Finales. Am Ende trug das kanadische Team den Sieg davon, indem es Schweden bezwang, wodurch der Titel immerhin in Nordamerika blieb. Zum kanadischen Team gehörte unter anderem Mike Donais (der Bruder von Jeff Donais), der später in R&D anfangen sollte.

Im Finale besiegte Jakub Slemr Janusch Kuhn aus Deutschland. Paul McCabe aus Kanada wurde Dritter, wodurch er zum zweiten Pro-Player des Jahres wurde. Unsere Berichterstattung war 1997 deutlich besser als 1996, was wohl nicht zuletzt an den ganzen zusätzlichen Ressourcen gelegen haben mag, die eine ESPN2-Show so mit sich bringt. Jeff Donais stellte sich als guter Kommentator heraus. Später verlor ich ihn jedoch, als er anfing, für Wizards zu arbeiten und als Turniermanager für die Pro Tour fungierte.

World Championship 1998: Zwei Zeremonien

Die Weltmeisterschaft 1998 wurde ebenfalls in Seattle ausgetragen. Anstatt jedoch im Turnierzentrum von Wizards of the Coast wurde sie an der University of Washington veranstaltet. In dieser Saison hatte das US-Team klar dominiert und jede Pro Tour des Jahres gewonnen. Die große Frage war, ob die USA ihre Saison damit krönen würden, auch das letzte Event zu gewinnen: den Magic World Championship 1998.

Wie auch schon 1997 sollte das Turnier im Zuge einer Show auf ESPN2 übertragen werden. Als Videoproduzent der Pro Tour war ich also wieder einmal sehr beschäftigt. Eine meiner Aufgaben war es, die Kommentatoren für die Top 8 auszuwählen. Nach viel Experimentiererei hatte ich den, wie ich glaubte, perfekten Mix gefunden. Brian Weissman sollte Kluges zu den Partien sagen und Chris Pikula den Farbkommentar übernehmen. Brian Weissman kennt man wohl am ehesten dafür, dass er „The Deck“ erschaffen hat, das erste Magic-Deck überhaupt, das es in einer breiteren Öffentlichkeit zu größerer Berühmtheit brachte. Ich erinnere mich noch daran, wie ich in meiner Zeit vor Wizards in Los Angeles lebte und zu einem Turnier nach San Francisco reiste, zu dem ich Moats zum Tauschen mitbrachte. Die gehörten nämlich in „The Deck“, was gerade dabei war, von Weissmans Heimatstadt aus überall an Bekanntheit zu gewinnen. Weissman und ich wurden Freunde, und ich blieb von seiner Herangehensweise an das Spiel fasziniert.

Ein Blick zurück auf die ESPN2-Berichterstattung in grauer Vorzeit

Chris hatte ich auf der Pro Tour kennengelernt. Er war nicht nur ein exzellenter Spieler, sondern auch ein toller Geschichtenerzähler, der jedes Event zu einem denkwürdigen Ereignis werden lassen konnte. Chris war sehr witzig und sympathisch. Als ich auf der Suche nach Kommentatoren war, fielen mir also Weissmann und Pikula ein. Ich testete sie beide, und beide machten ihre Aufgabe glänzend. Ich steckte sie zusammen und heraus kam wahre Perfektion. Während eines Großteils der ESPN2-Zeit waren sie meine erste Wahl.

Diese Geschichte hat jedoch noch einen anderen Aspekt. Die Weltmeisterschaft 1998 fand von Mittwoch, den 12. August, bis Sonntag, den 16. August, in Seattle statt. Am 15. August heiratete Alysse, meine einzige Schwester. In Cleveland, Ohio. Meine Familie stand sich schon immer sehr nahe. Ich wollte also auf keinen Fall die Hochzeit meiner Schwester verpassen. Ich musste aber auch dafür sorgen, dass das Finale von ESPN2 anständig übertragen werden konnte. Und so schaffte ich beides:

Mittwoch und Donnerstag ging ich zur Weltmeisterschaft. Am Freitagmorgen dann stieg ich mit meiner Frau Lora ins Flugzeug und kam pünktlich zum Probeessen (Rehearsal Dinner) am Freitagabend in Cleveland an. Am Samstag war ich mit verschiedenen Hochzeitsaktivitäten befasst (unter anderem war ich ein Platzanweiser) und besuchte die Trauung und die anschließende Feier. Lora und ich nahmen danach am Sonntag den ersten Flug und kamen dank der Zeitverschiebung schon um 10 Uhr morgens wieder in Seattle an. Während der Viertelfinalpartien traf ich in der Kommentatorenkabine ein.

Um das alles so zu schaffen, hatte ich eine Menge vorzubereiten. Weissman und Pikula standen als Kommentatoren bereit, doch ich hatte sogar noch einen Ersatzmann beschafft, falls einer der beiden es in die Top 8 schaffen sollte. Kurz nachdem ich am Freitag in Cleveland eintraf, erfuhr ich, dass Pikula genau das gelungen war. Mein Ersatz war ein Mann namens Randy Buehler. Buehler und ich waren ebenfalls auf der Pro Tour Freunde geworden. Später sollte ich ihn für einen Job in der R&D empfehlen. Buehler blühte dort auf und wurde schließlich sogar mein Chef. Ähnlich wie an Weissman gefiel mir an Randy, wie er über das Spiel sprach, weshalb ich glaubte, dass er einen guten Kommentator abgeben würde.

Wenige Augenblicke, nachdem ich in der Kabine ankam, konnte ich zusehen, wie Pikula seine Viertelfinalpartie verlor. Dann traf ich eine sonderbare Entscheidung. Die Show auf ESPN2 dauerte nur eine halbe Stunde. Sofern es nicht zu einer superschnellen Partie kam (wie bei der Weltmeisterschaft 1999, wie ihr gleich hören werdet), hatten wir nur Zeit, das Finale zu übertragen. Das hieß, dass ich die Gelegenheit hatte, Pikula einzusetzen. Buehler hatte bis dahin hervorragende Arbeit geleistet (und würde später natürlich noch oft die Gelegenheit dazu erhalten), aber ich fand wirklich, dass Weissman und Pikula mein bestes Team waren. Also fragte ich Pikula, ob er sich zutraue, das Halbfinale und das Finale zu kommentieren. Und so wurde er der Erste (und meines Wissens auch Einzige), der jemals an einer Berichterstattung über die Top 8 einer Pro Tour beteiligt war, an der er zuvor selbst teilgenommen hatte. Pikula machte seine Sache großartig, und der ESPN2-Bericht wurde prima.

Ach ja, Brian Seldon besiegte Ben Rubin im Finale und wurde der Magic World Champion 1998. Seldon und Rubin waren beide US-Amerikaner, und so gelang ihrem Team in dieser Pro Tour Saison gewissermaßen ein Hattrick. Die US-Mannschaft triumphierte auch im Teamfinale über Frankreich.

World Championship 1999: Schnelles Spiel

Die Magic-Weltmeisterschaft 1999 fand im japanischen Yokohama statt. Yokohama liegt, falls ihr es noch nicht wusstet, in der Nähe von Tokio. Yokohama ist eine der wenigen Städte, in denen der World Championship mehr als einmal ausgetragen wurde (der andere fand 2005 statt). Die Weltmeisterschaft 1999 ist für viele Dinge berühmt. Am wichtigsten davon dürfte jedoch wahrscheinlich sein, dass sie die erste Pro Tour war, die von Kai Budde gewonnen wurde.

Für die, deren Pro Tour-Geschichtskenntnisse etwas eingerostet sind: Kai Budde ist ein Pro-Player aus Deutschland, der bislang die meisten Pro Tours gewonnen hat, nämlich sieben. Kai ist außerdem einer von nur zwei Spielern, die eine Weltmeisterschaft, eine Teamweltmeisterschaft, eine Pro Tour und ein Magic-Invitational gewonnen haben. (Der andere, dem diese beachtliche Leistung gelungen ist, ist übrigens Jon Finkel.) Kai Budde wurde beinahe einstimmig in die Magic Pro Tour Hall of Fame gewählt. 1999 jedoch war Kai noch lange nicht so bekannt. Was allerdings nicht heißen soll, dass er völlig unbekannt gewesen wäre. In diesem Jahr hatte er drei europäische Grands Prix in Folge gewonnen und bei einem weiteren den zweiten Platz belegt. Auf der größeren Pro Tour-Bühne war er jedoch noch ein recht neues Gesicht.

Kai Budde

Die Weltmeisterschaft wurde noch immer von ESPN2 übertragen. Daher scharte ich meine Kommentatoren um mich und flog sie nach Japan aus. Weder Weissman noch Pikula traten an, weshalb auch keine Auswechslung in letzter Minute wie im Jahr zuvor zu befürchten stand. Pikula musste jedoch arbeiten und kam daher in letzter Minute völlig erschöpft mit einem Nachtflug an.

Der Finaltag spiegelte die Saison hervorragend wider. Die USA schlugen sich nach wie vor gut, doch eine andere aufstrebende Nation hatte begonnen, sich einen Namen zu machen: Deutschland. Sowohl die Einzelpartien als auch die Teamevents liefen auf Paarungen hinaus, bei denen diese beiden Länder aufeinandertrafen.

Zuerst fand das Teamfinale statt. Die US-Mannschaft bestand neben dem Kapitän und Landesmeister Kyle Rose aus John Hunka, Zvi Mowshowitz und Charles Kornblith. Die deutsche Mannschaft bestand neben dem Kapitän und Landesmeister Marco Blume aus Rosario Maij, David Brucker und Patrick Mello. Beide Teams hatten mehrere echte Spitzenspieler vorzuweisen. Zvi Mowshowitz, der sich bald in der Hall of Fame wiederfinden sollte, war der wohl bekannteste unter den Amerikanern, während das unter den Deutschen am ehesten für Patrick Mello galt. Marco Blume sollte später dadurch berühmt werden, dass er gemeinsam mit Kai Budde und Dirk Baberowski das Team Phoenix Foundation bildete. Es gewann zwei Team-Pro Tours, was Marco Blume zu einem der wenigen Spieler macht, die zwei oder mehr Pro Tours gewonnen haben.

Die Deutschen sahen auf dem Papier besser aus, aber die Amerikaner hatten seit dem Bestehen ihres Teams bislang nur ein Teamevent (nämlich 1997) verloren. Am Ende trugen sie auch diesmal den Sieg davon. Es ist schade für Marco Blume, dass die Partie, an die man sich am meisten erinnert, die war, in der er seinen Covetous Dragon ohne Artefakte im Spiel ausspielte und ihn deshalb opfern musste. (Zu seiner Verteidigung: Zu dem Zeitpunkt, als das Deck den Covetous Dragon schließlich spielen konnte, waren immer Artefakte im Spiel gewesen – na ja, fast immer.) Abgesehen von dieser einen unglücklichen Partie schlug sich das deutsche Team gut, aber eben nicht so gut wie die Amerikaner.

Hinter den Kulissen hatten wir beschlossen, dass wir eine ESPN2-Show über das Teamevent und eine über die Einzelfinalpartien machen wollten. Als im Einzelfinale der Amerikaner Mark LePine auf den Deutschen Kai Budde traf, waren wir etwas in Sorge, weil keiner der beiden Spieler wirklich bekannt war. LePine hatte zwar schon einigen Erfolg bei früheren Pro Tours gehabt, doch Budde kam hier bei einer Pro Tour zum ersten Mal unter die Top 8. Nachdem ich ihn ein wenig beim Grand Prix in Barcelona spielen gesehen hatte (wo das Invitational ausgetragen worden war), versicherte ich allen, dass Kai einen würdigen Weltmeister abgeben würde.

Beide Spieler spielten Monorot. LePines Deck konzentrierte sich mehr auf Landzerstörung, während Kai ein rotes Artefaktdeck spielte (das gleiche, das Marco Blume beim Teamevent ins Feld geführt hatte). Beide Decks waren ausgesprochen schnell. Die erste Partie dauerte keine vier Minuten. Die zweite keine drei. Beide gingen an Budde. Ich erinnere mich, wie ich vor der dritten Partie auf die Bühne ging. „Ihr könnt euch Zeit lassen, Jungs“, sagte ich. „Ihr braucht euch nicht so zu hetzen.“

Ich sagte das, weil wir eine halbstündige Show zu füllen hatten und die ersten beiden Partien keine sieben Minuten gedauert hatten. Budde brauchte fünf Minuten, um die dritte Partie zu gewinnen. Das hieß also, dass das gesamte Finale nur zwölf Minuten gedauert hatte. Selbst wenn wir jede Minute einschließlich des Geplauders vor der Partie gezeigt hätten, wäre das nicht genug Material gewesen, um die Show voll zu bekommen. Wir mussten also noch Material aus dem Halbfinale zeigen, um die halbe Stunde auszunutzen.

Am Ende teilten sich die USA und Deutschland die beiden großen Events, aber Deutschland hatte klar gemacht, dass man es dringend im Auge behalten musste. Im Lauf der nächsten Jahre sollte Deutschland – und Budde im Speziellen – auf eine Weise dominieren, wie man es noch nie zuvor gesehen hatte.

Über die ganze Welt

Und damit ist unsere Zeit auch schon wieder zu Ende. Insofern werden weitere Geschichte über die World Championships bis zu späteren Themenwochen warten müssen. Ich hoffe, euch haben die heutigen Anekdoten gefallen und freue mich wie immer über Feedback. Ihr könnt mir eine E-Mail schreiben oder mich über eines meiner Social-Media-Profile (Twitter, Tumblr, Google+, Instagram) kontaktieren.

Schaut auch nächste Woche wieder vorbei, wenn ich meine Post lese.

Mögen eure Magic-Partien bis dahin ebenso denkwürdig sein.


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