Es ist Könige-, Präsidenten- und Khane-Woche, und deshalb schauen wir uns verschiedenen Arten von Führungspersonal mal etwas genauer an. Ich dachte mir, es wäre sicher spannend, sich in der Vergangenheit von Magic auf die Suche nach ein paar Anführern von damals zu machen und einige der Aspekte näher zu betrachten, die ihre Entstehung beeinflusst haben.

Chicken à la King | Bild von Mark Zug

Chicken à la King (Unglued)

Als das Design für Unglued losging, gab es in spielmechanischer Hinsicht keine thematischen Vorgaben. Es sollte silberrandig sein und nicht auf Turnieren gespielt werden. Außerdem sollte es sich etwas albern anfühlen und eine Menge Dinge anstellen, die schwarzrandige Karten rein mechanisch betrachtet einfach nicht leisten können, doch das Set hatte kein übergeordnetes Thema. Irgendwann mitten im Design fiel mir dann auf, dass sich da ein kleines Hühnchenthema entwickelt hatte. Es gab ein paar Kreaturen, die Hühnchen waren, und auf einigen frühen Konzeptzeichnungen tummelte sich ebenfalls dieses Federvieh. Hey, Unglued konnte dadurch ein Leitmotiv kriegen – und Hühnchen waren so gut wie jedes andere auch.

Der damalige Chefdesigner, ein Mann namens Joel Mick, hielt mich tatsächlich eines Tages im Flur an und fragte: „Sind Hühnchen witzig?“ Ich musste ihm also die lange Tradition von Geflügel in der Komik erklären und solche Beispiele wie die Gummiente anbringen. Joel ging zufrieden seiner Wege.

Zu einem ordentlichen Hühnchenmotiv gehörte natürlich auch ein Hühnchenzyklus. Eines von ihnen musste jedoch unbedingt ein Hühnchen-"Lord" sein, damit Spieler sich ein Hühnchendeck bauen konnten. (Würde ich das heute noch mal machen, würde ich mehr Hühnchen auf gesonderte Farben verteilen, um den Bau eines solchen Decks zu vereinfachen, doch das hatte ich damals noch nicht auf dem Schirm.) Eines Tages sprach ich zu Hause mit meiner damaligen Freundin und jetzigen Ehefrau Lora über die Notwendigkeit eines Königs der Hühnchen. Lora erfand den Namen Chicken à la King, und ich erinnere mich noch, wie ich damals sagte: „Und genau so heißt diese Karte jetzt.“

Es stellte sich heraus, dass ein anderes großes Motiv dieses Sets das Würfeln war – mit sechsseitigen Würfeln, um genau zu sein –, und drei unserer vier anderen Hühnchen nutzten dieses Spielelement. Daher beschloss ich, eine entsprechende Verbindung zum Chicken à la King zu schaffen. So konnte die Karte in einem Hühnchendeck, einem Würfeldeck und – mein Favorit – in einem Hühnchen-und-Würfel-Deck funktionieren.

Ursprünglich erhielten die Hühnchen nur dann +1/+1-Marken, wenn eine Sechs gewürfelt wurde. Mir wurde eines klar: Ich musste sicherstellen, dass diese Karte auch allein funktionierte. Also fügte ich die Option hinzu, dass man ein Hühnchen tappen konnte, um zu würfeln. So funktionierte die Karte eben auch dann, wenn sie ganz allein auf sich gestellt war.

Ich habe lange am Anekdotentext für diese Karte gefeilt. Ich wollte unbedingt einfangen, dass Chicken à la King der Anführer seines Volkes, aber eben auch ein Hühnchen war. Der Anekdotentext, den ich mir schließlich ausdachte, gefiel mir sehr gut. Er hatte einen tollen Klang, vermittelte ein bisschen was von der Hintergrundgeschichte der Hühnchen und machte einen Witz, dessen Pointe erst ein paar Sekunden nach dem Lesen zündete.

Und so entstand der Herr der Hühnchen.

King Suleiman | Bild von Mark Poole

King Suleiman (Arabian Nights)

In Innistrad gab es eine Reihe von Zyklen mit jeder Farbe außer Weiß, um darzustellen, wie die Menschen auf allen Seiten von Monstern umzingelt waren. Interessanterweise war Innistrad nicht das erste Magic-Set, bei dem es Zyklen aus vier der fünf Farben gab. Diese Ehre gebührt der allerersten Magic-Erweiterung: Arabian Nights. Darin baute Richard Garfield zwei Zyklen ein: einen aus Dschinnen und einen aus Ifriten. Beide Zyklen enthielten je eine blaue, schwarze, rote und grüne Karte. Um diese Zyklen dann auszubalancieren, schuf Richard King Suleiman, eine Kreatur, die man tappen konnte, um einen Dschinn oder einen Ifriten zu zerstören. Damals war Weiß noch ein bisschen voreiliger, wenn es darum ging, Dinge zu töten, die es als „böse“ betrachtete.

King Suleiman basiert wahrscheinlich auf dem biblischen König Salomo. In den Geschichten erhält Salomo einen magischen Ring aus Kupfer und Eisen, mit dem er einen mythischen Dschinn bändigen konnte. Der Dschinn stahl daraufhin den Ring, während Salomo badete, doch am Ende konnte Salomo sich den Ring zurückholen und den Dschinn erneut unterwerfen. Er sperrte ihn schließlich in einer Flasche ein. Dieses Ereignis wird durch eine zweite Karte in Arabian Nights dargestellt, nämlich Bottle of Suleiman, ein Artefakt, mit dem man entweder einen Dschinn beschwören oder fünf Schaden erhalten konnte.

Die Schreibweise von King Suleiman geht wahrscheinlich auf Süleyman I. zurück, den zehnten und am längsten herrschenden Sultan des Osmanischen Reiches (von 1520 bis 1566). Das Osmanische Reich erlebte unter seiner Herrschaft ein goldenes Zeitalter in seiner kulturellen Entwicklung. (Danke, Wikipedia.)

Olivia Voldaren | Bild von Eric Deschamps

Olivia Voldaren (Innistrad)

Diese Karte entstand, weil ich es wichtig fand, dass die Vampire ihren eigenen Anführer haben. Bei einem Designmeeting schrieb ich „Graf Dracula“ an die Tafel. „Heute“, sagte ich, „erschaffen wir den König der Vampire.“

Wir redeten eine Weile darüber, was der König der Vampire machen sollte. Dem Designteam gefiel die Idee, dass diese Kreatur sich von anderen Kreaturen ernährte und sie dann entweder tötete oder in neue Vampire verwandelte. Der knifflige Teil bestand jedoch darin, herauszufinden, wie genau das mechanisch ablaufen sollte. Irgendwann kamen wir auf den Gedanken, dieses „Nähren“ dadurch darzustellen, dass das Ziel Schaden erleidet und Graf Dracula stärker wird. Was aber, wenn diese Fähigkeit noch ein kleines Extra bekam? Was, wenn sie zusätzlich das Ziel in einen Vampir verwandelte?

Auf diese Weise konnte man eine Kreatur töten oder sie zu einem neuen Untertan machen, wenn man etwas Zurückhaltung zeigte. Die Frage lautete nur: Warum sollte man das wollen? In der Zwischenzeit spielten wir mit dem Gedanken, der Kreatur zwei Fähigkeiten zu geben: eine rote und eine schwarze (da die Vampire im Innistrad-Block schwarz und rot waren). Traditionell war das „Nähren“ schwarz (hauptsächlich deshalb, weil Vampire schwarz waren), doch da man im Grunde Direktschaden damit verursachte, wurde diese Fähigkeit rot. Das bedeutete, dass die schwarze Fähigkeit nun etwas sein musste, was nur Schwarz hinbekommen konnte.

Während wir mit der Stimmung der Karte herumexperimentierten, kam uns die Lösung in den Sinn. Der König der Vampire sollte in der Lage sein, andere Vampire auf seine Seite zu locken. Normalerweise ist Blau die Farbe, die Kreaturen stiehlt, und manchmal auch Rot, wenn es um einen vorübergehenden Effekt geht, aber auch Schwarz kann dann und wann Kreaturen entwenden. Diese Karte sollte sehr auffällig sein. Wenn Schwarz in Ausnahmefällen diese Fähigkeit bekommen konnte, dann war das genau ein solcher Ausnahmefall. Die zweite Fähigkeit war sehr stimmungsvoll und erzeugte eine tolle Synergie mit der ersten. Wir hatten unseren Graf Dracula gefunden.

Allerdings ist die Geschichte hier noch nicht zu Ende. Ich war zwar ein großer Fan der Karte, aber Mark Gottlieb, der damals noch Regelmanager war (ganz am Ende der Entwicklung von Innistrad wechselte er auf eine andere Stelle), fand die Ausführung nicht sonderlich gelungen. Insbesondere fand er schwierig, dass man sich merken musste, welche Kreaturen zu Vampiren wurden, und er fand, dass ein dauerhaftes Stehlen etwas zu viel des Guten war. Wir diskutierten endlos darüber. Der Designordner wurde nach meinen Wünschen übergeben, und in der Entwicklung fand dann die „Rare-Umfrage“ statt. Das ist ein Mittel, das die Entwickler einsetzen und für das wir seltene und sagenhaft seltene Karten aus einem Set Magic-Spielern aus der ganzen Firma zeigen, um ihren ersten Eindruck zu erfahren. Graf Dracula entschied diese Umfrage ganz klar für sich. Das überzeugte mich, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Als wir der Karte den Namen „Graf Dracula“ gaben, wussten wir, dass sie natürlich nicht wirklich so heißen würde. Ich verwendete ihn nur, um zu garantieren, dass jeder verstand, worauf wir hinauswollten. Das Kreativteam kam dann auf die coole Idee, das Geschlecht dieses Archetypen zu ändern. Was, wenn der König der Vampire auf Innistrad stattdessen eine Königin war? Und so wurde Olivia Voldaren geboren.

Oona, Königin der Feen | Bild von Adam Rex

Oona, Königin der Feen (Schattenmoor)

Hybridkarten sind schwierig zu entwerfen. Blau-schwarze Hybridkarten sind enorm schwierig zu entwerfen. Und warum? Weil Hybridkarten in dem Bereich angesiedelt sind, in dem sich zwei Farben mechanisch überlagern. Und welche von den zehn Zweifarbkombinationen im Spiel überlagern sich am wenigsten? Blau-Rot und Blau-Schwarz. Das Design dieser Karte war also eine echte Herausforderung.

Feen tauchten in Lorwyn als blau-schwarze Kreaturen auf, und sie waren fiese kleine Viecher. Dann kam die Große Aurora, und alles änderte sich. Na ja, fast alles. Feen waren immer noch blau-schwarz und fiese kleine Viecher. Oona war ihre Königin. Sie war bereits das ganze Jahr Teil der Hintergrundgeschichte gewesen. Wir wussten daher, dass ihre Karte jede Menge Aufmerksamkeit erhalten würde.

Wir mussten nun das Wesen der Königin der Feen einfangen – und das mittels einer blau-schwarzen Hybridkarte. Warum musste sie ein Hybride sein? Weil Schattenmoor DAS HYBRIDSET verkörperte, bei dem die Hälfte der Karten Hybriden waren. Infolgedessen mussten auch die meisten der auffälligen Karten – und hier ganz besonders die legendären Kreaturen – Hybriden sein. Außerdem waren die Feen schwarz und blau, und deshalb sollte auch ihre Anführerin mit beiden Farben gespielt werden können.

Wir begannen damit, dass wir wussten, dass sie fliegen können sollte. Der absolute Großteil der Feen konnte das. Also warum dann nicht auch ihre Königin? Blau und Schwarz haben beide Flugfähigkeit. Dann beschlossen wir, dass Oona in der Lage sein sollte, Feen zu erschaffen. Spielsteine können von allen Farben erschaffen werden, und deshalb funktionierte diese Überschneidung auch sehr gut. Da die Spielsteine ebenfalls Feen sein würden – Räuberfeen, wie sich später ergab –, machten wir sie auch flugfähig. Die Spielsteine machten wir blau-schwarz, da Farben im Schattenmoor-Block wichtig waren. Zudem wurden sie ja von Oona, die selbst auch blau-schwarz war, erschaffen.

Einer der wenigen Bereiche, in denen sich Blau und Schwarz überlagern, ist das „Millen“ (also das direkte Befördern von Karten aus der Bibliothek auf den Friedhof). Normalerweise millt Blau oben von der Bibliothek, wohingegen Schwarz sich gezielt Karten aus der Bibliothek sucht, doch jede dieser Farben spielt eine sekundäre Rolle im primären Effekt der jeweils anderen. Zunächst dachten wir darüber nach, zwei Fähigkeiten zu verwenden: eine, die Spielsteine erschafft, und eine andere zum Millen. Das erschien uns allerdings nicht eng genug miteinander verflochten. Was, wenn wir das änderten? Was, wenn es eine Möglichkeit gab, dass das Millen irgendwie zur Erschaffung von Feen-Spielsteinen führte?

Das brachte uns auf die Idee, dass wir den Gegner millen und dann nach einem ganz konkreten Kriterium darüber entscheiden könnten, ob und wann man einen Feen-Spielstein bekommt. Schattenmoor hatte als Motiv unter anderem „Es kommt auf die Farbe an“, und daher erschien es uns sehr passend, eine Farbe als dieses Kriterium festzulegen. Die finale Entscheidung war es, ein X in die Aktivierungskosten einzubauen, damit der Spieler, der Oona kontrolliert, im Verlauf der Partie mehr und mehr Karten millen und mehr und Feen-Spielsteine erschaffen kann. Oona wurde im Commander sehr beliebt. Ich bin deshalb auch sehr froh, dass wir unser kleines Designrätsel auf so zufriedenstellende Art lösen konnten.

Sidar Kondo (Vanguard)

Ich erzähle die ganze Zeit von Karten, die veröffentlicht wurden, aber nicht wirklich oft von solchen, die das nicht geschafft haben. Sidar Kondo war der Anführer eines Stammes in Jamuraa. Am bekanntesten ist er aber wohl dadurch, dass er Vater zweier Söhne war: Einer war sein leiblicher Nachkomme, der andere adoptiert. Sein leiblicher Sohn hieß Vuel, doch ihr kennt ihn wahrscheinlich eher unter dem Namen, den er annahm, als er nach Rath reiste, wo er Vuel von Rath alias Volrath wurde. Volrath war der große Bösewicht zu Beginn der Wetterlicht-Saga und spielte eine entscheidende Rolle im Sturmwind-Block.

Sidar Kondos Adoptivsohn war Gerrard, der Held der Wetterlicht-Saga. Gerrard war es bestimmt, eine große Prophezeiung zu erfüllen, und zum Schutz vor jenen, die ihm Böses wollten, wurde er noch als Säugling zu Sidar Kondo geschickt. Sidar Kondo war kein wichtiger Charakter, aber doch bedeutsam genug, dass wir ihm eine Karte machten, als wir damals die Veröffentlichungen für Vanguard konzipierten. Bei dieser Geschichte hier geht es jedoch nicht um diese Karte, sondern um die legendäre Kreaturenkarte, die ich für Zeitspirale entwarf.

Zeitspirale drehte sich um vergangene Zeiten und hatte einen stark nostalgischen Einschlag. Deshalb gaben wir uns alle Mühe, legendäre Kreaturen aus Charakteren zu machen, die es zuvor noch nie als Karten gegeben hatte. Die meisten Charaktere aus Wetterlicht hatten schon ihre eigenen Karten. Also versuchte ich, herauszufinden, bei welchen Kandidaten das bisher noch nicht der Fall gewesen war. Sidar Kondo sah nach einer guten Wahl aus. Er war die einzige Karte aus Vanguard (dem ersten Teil der Wetterlicht-Saga, sprich den ersten drei Sets), zu der es keine legendäre Kreaturenkarte gab.

Also entwarf ich ihn, doch dann entschied das Kreativteam, dass er nicht ins Set kommen würde. In dem Set gab es wichtige Figuren wie Mishra und Teferi sowie einige Lieblinge der Spieler wie etwa Jaya Ballard, aber eben auch Nebenfiguren wie Ith, Ib Halbherz und Mangara. Ich hatte es sogar geschafft, Saffi Eriksdotter und Norin der Vorsichtige in das Set zu integrieren, und die entstammten bloß einem Anekdotentext. Doch man fand, Kondo wäre nicht bekannt genug. Er war eine Vanguard -Karte, hielt ich dagegen, wenn auch vergeblich. Und so wurde Sidar Kondo nie zu einer legendären Kreatur.

Eines schönen Tages vielleicht ...

Remasurikönigin | Bild von Ron Spencer

Remasurikönigin (Felsenburg)

Die Remasurikönigin hat die Ehre, die allererste fünffarbige Karte in der Geschichte von Magic zu sein. (Okay, die erste, die wirklich gedruckt wurde und in Boostern zu finden war. Technisch gesehen haben wir vorher noch die Weltmeisterkarte 1996 gemacht, doch davon gab es nur ein Exemplar.) Sie ist außerdem die Anführerin eines der beliebtesten Völker in Magic: den Remasuri. Und so entstand sie:

Die Remasuri tauchten erstmals in einem Set namens „Astral Ways“ auf, ein Eigenbau eines Mannes namens Mike Elliot. Mike sollte später zu R&D hinzustoßen und einer ihrer fleißigsten Designer werden (er hat bis heute nach mir die meisten Designteams geleitet). Mike und ich kamen beide als Entwickler zu R&D, wollten aber eigentlich Designer werden. Mit Hilfe von Richard Garfield wurde ich zum Chefdesigner des Sets Sturmwind. Ich durfte mir mein Team aussuchen. Also wählte ich Mike, da ich ja wusste, dass er gern ins Design wollte.

Als Mike eingestellt wurde, kaufte die R&D ihm das „Astral Ways“-Set ab, woraufhin er eine Menge Karten daraus ins Design von Sturmwind einbaute. Eine Reihe von Kreaturen nannte sich Remasuri, und sie verkörperten die Bausteine eines einzelnen Charakters (eine Art Gott, wenn ich mich recht erinnere), der vom Himmel auf die Erde herabgestürzt und in viele Teile zerbrochen war. Die ursprünglichen Namen der Remasuri waren alle von Körperteilen dieses Wesens abgeleitet. Der beeindruckendste Remasuri bildete das Gehirn:

Mind of the Controller (selten)

WUBRG

Legende beschwören

Gold

7/7

Verursacht Trampelschaden

Alle Remasuri erhalten +1/+1

Mechanisch waren die Remasuri an die Karte Pestratten aus Alpha angelehnt. Mike gefiel, wie sich diese Karte spielte, und er hatte ein Volk entworfen, das einen ähnlichen Effekt erzeugte, nur dass es eben keine einzelne Kreatur, sondern gleich ein ganzes Volk war. Wir spielten mit den Remasuri und merkten schnell, dass wir da etwas Tolles vor uns hatten. Das Problem war, Mike hatte so viele Remasuri gebaut, dass wir sie aufteilen mussten.

Während in der Zwischenzeit das Design weiterging, arbeitete ich mit einem Mann namens Michael Ryan weiter an der Wetterlicht-Saga. Michael und ich fanden, dass dem Spiel eine größere Geschichte fehlte, und deshalb schufen wir einige Charaktere und eine Story, die über mehrere Jahre hinweg erzählt werden sollte. Während der Arbeit an Sturmwind wurde uns klar, dass wir einen Weg finden mussten, um die Remasuri in die Geschichte zu integrieren.

Letzten Endes machten wir sie zu außerirdischen Wesen von einer anderen Welt (die bis heute unentdeckt ist – vielleicht finden wir sie ja eines Tages). Volrath, der Bösewicht der Geschichte, fand die Remasuri und brachte sie nach Rath, um sie zu studieren. Wie Volrath waren auch diese Kreaturen Gestaltwandler, und sie teilten sich eine Schwarmintelligenz. Solange sie nahe beieinander waren, konnten sie ihre Gedanken untereinander austauschen. Wenn ein Remasuri beispielsweise lernte, sich ein Paar Flügel wachsen zu lassen, so lernte jeder andere Remasuri in seiner Nähe dies auch und konnte nun ebenfalls fliegen. Der Metallischer Remasuri aus Sturmwind ist übrigens eine Erfindung von Volrath, die er gebaut hatte, um die Remasuri auszuspionieren. Deshalb ist er auch der einzige Remasuri, der nur Fähigkeiten dazuerhält, anstatt welche zu teilen.

Wir hatten beschlossen, uns die fünffarbigen Remasuri für das zweite Set des Blocks, Felsenburg, aufzusparen. Michael und ich wussten, dass die allererste fünffarbige Kreatur etwas ganz Besonderes sein musste. Genau wie Mike sie schon zuvor als Gehirn der Gruppe auserkoren hatte, war uns nun auch beiden völlig klar, dass wir sie zur Anführerin der Remasuri machen mussten. Die Kreaturen besaßen eine Schwarmintelligenz. Das griffen wir auf und gestalteten die Remasurikönigin wie eine Bienenkönigin. Sie war diejenige, die die Remasuri gebar (nun ja, diese Gruppe zumindest – es wird zwar nicht explizit erwähnt, aber Volrath fing die Remasurikönigin ein und dadurch entstanden die ganzen Remasuri auf Rath überhaupt erst).

Und so sah die Karte im Felsenburg-Design aus:

Mind of the Controller

WUBRG

Legende beschwören

Gold

7/7

Verursacht Trampelschaden

Zählt als Remasuri

3: Bringe einen Remasuri-Spielstein ins Spiel. Behandle diesen wie eine farblose 1/1-Kreatur.

Ich erinnere mich nicht mehr, ob das Erzeugen der Remasuri zuerst mechanisch von Mike entwickelt wurde und dann in die Geschichte einfloss, oder ob die Geschichte uns dazu veranlasste, das Design entsprechend anzupassen (ich schätze Ersteres), aber letzten Endes legten wir die Remasurikönigin als Remasuri-Erzeugerin an.

Als in der Geschichte Volrath (oder genau genommen sein Gefolgsmann Greven il-Vec) das Vermächtnis – jene Sammlung magischer Gerätschaften, die Gerrard braucht, um sein Schicksal zu erfüllen – stiehlt, lässt er diesen Schatz danach von der Remasurikönigin bewachen. Schließlich findet Karn die Remasurikönigin und erklärt ihr, dass das Vermächtnis für ihn das ist, was die Remasuri für sie bedeuten (Karn war der Wächter des Vermächtnisses und zugleich Teil davon), und sie überlässt ihm die Sammlung.

Auf der Karte steht „Die Remasurikönigin zählt als Remasuri“, weil damals Kreaturen nur einen Kreaturentyp haben konnten und „Legende“ noch als Kreaturentyp und nicht als 'Supertype' galt. Der Trampelschaden wurde während der Entwicklung entfernt, da er sich als etwas zu viel erwies. Außerdem lag der Sinn der Remasurikönigin nicht darin, mit ihr anzugreifen, sondern jede Menge Remasuri zu erschaffen.

Die Remasurikönigin wurde zu einer unglaublich beliebten Karte bei den Fans und hat zahlreiche andere fünffarbige Remasuri-Anführer hervorgebracht. Mehr über die Geschichte der Remasuri erfahrt ihr in meinem Artikel zur Remasuri-Woche („Sliver Me Timbers“ aus dem Jahr 2004, der leider nur auf Englisch vorliegt).

Sol'kanar, der Sumpfkönig | Bild von Richard Kane Ferguson

Sol'kanar, der Sumpfkönig (Legends)

Ich möchte heute mit einer meiner liebsten Testpartien-Geschichten aller Zeiten abschließen. Es war eine Testpartie für Zeitspirale, und ich spielte gegen den ehemaligen Magic-Entwickler Devin Low. Damals hatten wir eine Mechanik im Set, durch die es möglich war, bestimmte Karten zweimal zu tappen. Und das ging so: Eine Kreatur mit dem Doppeltappen-Symbol konnte zweimal in einer Runde getappt werden. Das erste Mal wurde sie ganz normal getappt, indem man sie um 90 Grad drehte. Man konnte sie dann noch mal tappen, wodurch sie im Grunde kopfüber lag. Eine Kreatur enttappte aber während des Enttappens nur einfach. Hatte man sie doppelt getappt, dauerte es also auch zwei Runden, bis sie wieder vollständig enttappt war. Selbstredend musste diese Mechanik daher Fähigkeiten nutzen, bei denen es einen Vorteil brachte, wenn man zweimal in derselben Runde tappen konnte.

Eine dieser Karten war eine schwarze Kreatur, die beim Tappen im Wesentlichen das tat, was auch Kabalische Therapie tut: Man nennt eine Karte, die kein Land ist, der Gegner zeigt seine Hand und wirft dann alle Exemplare dieser Karte ab. Da der Gegner seine Hand herzeigen musste, war das zweite Tappen hier ungeheuer wertvoll, weil man seine Hand ja schon vom ersten Mal kannte. So wurde das erste Tappen eine Kabalische Therapie und das zweite eine Zwangsabgabe, die aber mehrere Exemplare derselben Karte erwischen konnte.

Eine kurze Randnotiz: Offenkundig hat diese Mechanik es nicht ins fertige Set geschafft. Sie war zwar innovativ, aber schwierig zu entwerfen und stellte sich im Spiel rasch als langweilig heraus, da die Spieler sie nur in der ersten Runde doppelt tappten und dann während der restlichen Partie nur ganz normal einfach.

Auf jeden Fall näherte sich unsere Partie schon der Endphase und es wurde klar, dass Devin dabei war, etwas Großes aufzufahren. Er hatte zwei Karten auf der Hand und spielte eine aus, um seine Bibliothek nach zwei Ländern zu durchsuchen und sie getappt ins Spiel zu bringen. (Ich glaube, diese Karte hat es auch nicht ins Set geschafft – ach ja, Testpartien.) Dann machte Devin eine Bemerkung darüber, dass ich in der nächsten Runde ganz schön Ärger kriegen würde.

Also spielte ich die schwarze Kreatur, die sich doppelt tappen ließ. Ich hatte irgendeine Möglichkeit, ihr Eile zu geben, und demzufolge tappte ich sie sofort. Wie wir ja wissen, konnte ich beim ersten Mal Tappen nur blind eine Karte raten. Devin hatte nur eine Bedrohung, und deshalb wollte ich beim ersten Tappen nur seine Hand sehen, um dann beim zweiten Mal die Bedrohung loszuwerden.

Für diejenigen, die Zeitspirale nicht kennen: Es war ein riesiges Set. Es war nicht nur ein großes Set, sondern damals waren unsere großen Sets auch noch von Haus aus viel umfangreicher als heute. Außerdem gab es in Zeitspirale etwas, was als die Liste zeitverschobener Karten bekannt war: Sie enthielt 121 Karten aus der Vergangenheit von Magic. Aaron Forsythe war im Designteam und hatte die Aufgabe, diese Liste zu pflegen. Sie änderte sich andauernd, sodass ich von einer Testpartie zur nächsten keine Ahnung hatte, was darauf zu finden war und was nicht. Ein großes Hauptset mit einer sich ständig ändernden Liste zeitverschobener Karten bedeutete, dass die Anzahl der Möglichkeiten, um welche Karte es sich da im Moment bei Devin handelte, schier unüberschaubar war. Es hätte im Grunde jede Karte sein können, die es seit dem Bestehen von Magic jemals gegeben hatte.

Glücklicherweise war der erste Rateversuch dank des doppelten Tappens nicht weiter von Bedeutung. Als Devin also fragte: „Na, was glaubst du?“, riet ich ins Blaue hinein und sagte: „Ich weiß nicht. Sol'kanar, der Sumpfkönig?“ Ich sagte das hauptsächlich nur deshalb, weil das so ein lustiger Name war. Als ich das letzte Mal nachgeschaut hatte, stand er nicht mal auf der Liste mit zeitverschobenen Karten, doch das war auch völlig egal, denn ich hatte ja eigentlich nur etwas rumalbern wollen.

Devin schaute überrascht und sagte: „Du hast mich erwischt.“ Er warf dann einen Sol'kanar, der Sumpfkönig ab. Dichter war ich an einem Gegenstück zu einem Hole-in-One bei Magic noch nie gewesen, und daher führte ich einen Siegestanz um den Tisch herum auf.

Und an diese Geschichte muss ich immer denken, wenn ich einen Sol'kanar, der Sumpfkönig sehe.

Alles angetreten!

Das sind alle Geschichten für heute. Ich hoffe, ihr hattet Spaß an diesem kleinen Ausflug in die Historie einiger der großen Führungspersönlichkeiten des Spiels. Wie immer freue ich mich auf euer Feedback. Ihr könnt mir eine E-Mail schreiben oder mich auf einem meiner Social-Media-Profile (Twitter, Tumblr, Google+ und Instagram) kontaktieren.

Schaut auch nächste Woche wieder vorbei, wenn wir die Themenwochen zu den Klanen von Tarkir mit den Temur beenden.

Möget ihr bis dahin ebenfalls einen Grund für einen kleinen Siegestanz finden.

„Drive to Work #200 – Black-Red“

Dies ist mein dritter Podcast aus meiner Reihe über zweifarbige Paare. Heute erkläre ich, wie Schwarz und Rot zusammenpassen.

„Drive to Work #201 – 10 Things – Interaction“

Dies ist der dritte Podcast aus meiner Reihe „10 Things Every Game Needs“. Heute spreche ich über die Wichtigkeit der Interaktion in einem Spiel.