Das Ausbeuten der Vergangenheit
Die Preview-Woche zu Modern Masters Edition 2015 ist angebrochen. Es ist also Zeit, über den Nachfolger des ungemein erfolgreichen Modern Masters zu sprechen, das im Jahr 2013 erschien. Ich werde euch das Designteam vorstellen, euch durch das eigentliche Design führen und dann ein wenig von den Herausforderungen erzählen, die damit einhergehen, wenn man nur bereits existierende Karten benutzen darf. Und eine coole Preview-Karte habe ich natürlich auch noch für euch! Klingt das gut? Prima. Dann lasst uns anfangen.
Die Masterminds hinter Masters
Wie immer möchte ich damit beginnen, euch das Designteam vorzustellen.
Erik Lauer (leitender Designer)
Das erste Mal hörte ich Erik Lauers Namen, als ich Randy Buehler nach seinem ersten Sieg bei einer Pro Tour interviewte. Randy nannte ihn den „Mad Doctor“ und erklärte, dass das Necrodeck, mit dem Randy gerade gewonnen hatte, von Erik gebaut worden war. Später sollte ich Erik Lauer auch persönlich auf Pro Tours kennenlernen. Jahre später war Randy der Leiter der Magic-R&D (die Position, die derzeit Aaron Forsythe innehat) und stellte Erik als Entwickler ein. Erik hat sich als tatkräftige Unterstützung erwiesen und sich mittlerweile zum Chefentwickler hochgearbeitet. Das ist das Gegenstück zu meiner Position, nur eben in der Entwicklungsabteilung.
Erik übernahm die Aufgabe als leitender Designer für Modern Masters Edition 2015, weil er sich ein besseres Bild davon machen wollte, was ein leitender Designer alles so durchleiden muss. Er erzählte mir, dass ihm nach der Fertigstellung klar wurde, weshalb er an diesem Ziel gescheitert war und warum er nur einen kleinen Eindruck von dieser speziellen Arbeit bekommen hatte. Zum einen hatte er gar nicht die Möglichkeit gehabt, „ins Blaue hinein“ zu designen: Dadurch, dass er keine neuen Karten machen konnte, erkundete er in erster Linie nur das, was schon da war, anstatt seine eigene Vorstellung von einer neuen Umgebung. Zum anderen hatte er durch seine jahrelange Erfahrung als Entwickler bereits genug Wissen über diesen Vorgang angesammelt, was es ihm verwehrte, wirklich nachzuempfinden, wie es einem frischgebackenen Designer gehen würde. Erik hat im Lauf der Jahre Hunderte, wenn nicht sogar Tausende neuer Karten entworfen oder entwerfen lassen. Daher entging ihm einiges von dem, was er anscheinend für den großen Nervenkitzel des eigenen ersten Designs gehalten hatte.
Nach dieser langen Vorrede sollte gesagt werden, dass Erik meiner Meinung nach tolle Arbeit (auf die ich weiter unten noch eingehen werde) geleistet und ein spannendes Set zum Draften und Spielen für euch erschaffen hat.
Ken Nagle
Als Erik wusste, dass er sein erstes Designteam leiten würde, wollte er einen erfahrenen Designer an seiner Seite. Ken ist nun schon seit acht Jahren bei Wizards und hat sich zu einem der besten Designer meines Teams gemausert. Ken ist ein großer Fan davon, auf alte Magic-Sets zurückzublicken und in ihnen zu wühlen, um herauszufinden, welche coolen Dinge er dort wiederentdecken kann. Kens Expertise – schließlich gehörte er schon vielen Designteams für neue Sets an – wurde klug genutzt.
Ben Hayes
In jedem Designteam gibt es normalerweise einen Vertreter der Entwicklungsabteilung. In diesem Fall übernahm Ben diese Aufgabe. Ben hat einen sehr kritischen Blick und hat sich in den vielen Teams, in denen ich mit ihm schon zusammengearbeitet habe, als ausgesprochen sinnvolle Bereicherung herausgestellt. Ben hat wie viele der Entwickler eine Vergangenheit im kompetitiven Magic, arbeitete aber auch schon vor seiner Zeit bei Wizards im Gamedesign. Und das gibt ihm eine einzigartige Mischung von Fertigkeiten. Ben war genau wie Ken eine wertvolle Ergänzung für das Team.
Aus Alt mach Neu
Beim allerersten Designmeeting erklärte Erik, sie würden ein Set der „vorangegangenen Weltordnung“ in Angriff nehmen. Statt sich also von modernen Einschränkungen in Hinsicht auf die Komplexität einengen zu lassen, machten sie sich daran, etwas zu erschaffen, was ein bisschen anspruchsvoller werden sollte. Modern Masters Edition 2015 richtet sich an etwas freigeistigere Spieler, und deshalb wurde beschlossen, einen höheren Komplexitätsgrad anzustreben. Diese Änderung war wichtig, denn der von vornherein begrenzte Kartenpool (Karten aus dem Modern bis zu Das neue Phyrexia) gab bereits einige Einschränkungen vor. Das Festhalten am üblichen Komplexitätsgrad für eine normale Erweiterung hätte das Vorhaben des Teams wahrscheinlich unmöglich gemacht.
Das Designteam begann damit, alle Karten aufzulisten, die es im Constructed haben wollte. Viele der Karten wurden einstimmig gewählt, einschließlich der Preview-Karte, die ich euch später in diesem Artikel noch zeigen werde. Es gab jedoch durchaus Diskussionen darüber, ob die mächtigeren Karten aus dem ursprünglichen Modern Masters neu aufgelegt werden sollten oder nicht. Erik fand, dass eine Karte auch ins Set sollte, wenn sie es denn verdient hatte, eine Neuauflage zu bekommen. Es gibt zum Beispiel einfach keinen besseren Platz für Tarmogoyf als in Modern Masters Edition 2015.
Tarmogoyf | Bild von Ryan Berger
Der nächste Schritt der Designer war es dann, herauszufiltern, auf welche Mechaniken sich das Set konzentrieren sollte. Ein paar davon wurden von den Karten vorgegeben, die wieder aufgelegt werden sollten. Andere wurden anfangs deshalb ausgewählt, weil sie mit diesen Mechaniken und auch untereinander Synergien schufen. Das Set zielte auf einen höheren Komplexitätsgrad ab, und daher probierte man zunächst aus, wie komplex es denn werden durfte. Eine große Anzahl an Karten wurde auch anhand dessen ausgewählt, ob sie in zwei bestimmte Farbpaare passten, jedes mit seiner eigenen Daseinsberechtigung.
Die erste Testpartie war das nackte Grauen. Der Deckbau war zu komplex. Es gab so viele Möglichkeiten und so viele Synergien, dass es sehr schwierig war, ein Deck zusammenzustellen, wurde man von der schieren Anzahl der Optionen doch beinahe erschlagen. Und als die eigentliche Testpartie dann begann, wurde es nicht besser. Die Zahl der Möglichkeiten und all der Dinge, auf die man achten musste, machten das Spielen sehr mühsam. Es gab zu viele Auslöser und unspannende Entscheidungen. Erik meinte, man würde „weniger ein Spiel spielen“ und eher „nur die Spielregeln befolgen“.
Erik und sein Team begannen mit den Iterationen, um herauszufinden, welche Mechaniken ihre Komplexität wert waren und welche nur dazu führten, dass sich Partien zäh anfühlten. Außerdem wollte Erik, dass sein Team jene typische Stärke von Decks herausarbeitete, auf die sie hinauswollten. Das war deshalb wichtig, da einige Mechaniken an der Messlatte scheitern würden, wenn man sie zu hoch anlegte.
Episches Streiten | Bild von Greg & Tim Hildebrandt
Eine kurze Randnotiz: Ich sollte unbedingt anmerken, dass Erik in seinem Design definitiv eine Menge Werkzeuge aus der Entwicklung einsetzte. Normalerweise legen die Designer beispielsweise nicht das Machtniveau fest, doch Erik nutzte ein festes Kartenset, aus dem er auswählte. Diese Fähigkeiten aus der Entwicklung waren der Schlüssel dazu, herauszufinden, was machbar war und was nicht. Das ist ein weiterer Grund dafür, warum Erik eine gute Wahl als Leiter dieses Designs war.
Mithilfe einer ganzen Reihe von Mitteln aus der Entwicklung zum Austarieren der ausgewählten Mechaniken führte das Team so lange Iterationen durch, bis es die Mechaniken gefunden hatte, die es wollte. Da die beiden Blocks, die neu hinzukamen, Zendikar und Scars of Mirrodin waren, lehnten sich die Themen hauptsächlich auch an diese beiden Blocks an. Das Team probierte übrigens auch Infizieren als Thema aus. Das passte allerdings nicht gut zu den anderen Themen und wurde daher wieder aufgegeben.
Das Designteam machte dann eine Bestandsaufnahme, um sicherzustellen, dass die Decks eine Vielzahl verschiedener Stile haben konnten. Erik interessierte sich am meisten für das, was sie sich für Blau-Rot ausgedacht hatten. Üblicherweise ist Blau-Rot die Farbkombination, für die Zaubersprüche wichtig sind, doch die verfügbaren Karten gaben für dieses Thema wenig her. Erik und sein Team wurden also kreativ und verpassten Blau-Rot ein anderes Thema: Elementare. Die Grundlage dafür stammt aus dem Lorwyn-Block, doch dieser Kreaturen-Subtyp wird von vielen anderen Blocks ebenfalls unterstützt, sodass das Designteam aus zahlreichen Vertretern seiner Art auswählen konnte. Erik mochte Elementare, denn sie schufen eine nette Spannung zwischen dem Versuch, den Gegner zu überrennen, und dem Wunsch, sich eine Art Antrieb für sein Deck zu basteln.
Nachdem das Designteam die Themen gefunden hatte, die ihm gefielen, spielte es weitere Testpartien, zu denen nun auch die Entwickler eingeladen wurden. Diese machten nun ihre Anmerkungen, und das Designteam nahm entsprechende Änderungen vor. Erik übergab das Set und durfte nun erleben, wie es ist, wenn ein anderes Entwicklerteam an einem Set arbeitete, das er selbst entworfen hatte. Erik meinte, ihm hätte diese Erfahrung viel Freude bereitet und dass er froh wäre, diese Gelegenheit gehabt zu haben – auch wenn sie ihm nicht ganz das Gespür für die Prozesse beim Leiten eines Designs verschafft habe, wie er es sich anfangs erhofft hatte.
Welches ist denn nun aber meine Preview-Karte, die einstimmig vom Designteam ins Set gewählt wurde? Ich gebe euch ein paar Hinweise. Mal schauen, ob ihr drauf kommt.
Hinweis 1:Die Karte ist eine Kreatur mit einer Stärke von 0, ist aber in der Lage, einem Gegner Schaden zuzufügen.
Hinweis 2:Die Karte hat drei Manasymbole in ihrer Textbox. Dieses Mana wird aber nicht zur Aktivierung eingesetzt.
Hinweis 3: Sie beschützt die heiligen Haine vor Krankheit, Dürre und den Unwürdigen.
Und? Wisst ihr schon, worum es sich handelt?
Nicht ganz von vorn anfangen
Da ich nicht in diesem Designteam war, kann ich natürlich auch nicht wirklich Geschichten darüber erzählen (danke an Erik Lauer für die Hilfe mit dem Abschnitt oben), und wir sind gerade mal mit der Hälfte des Artikels fertig. Also dachte ich mir, dass ich die andere Hälfte einfach dazu verwende, näher auf die Dinge einzugehen, die wir daraus gelernt haben, nur mit bereits existierenden Karten zu arbeiten. Bitte bedenkt, dass diese Fähigkeit nicht nur für Produkte wie Modern Masters, Vintage Masters oder Tempest Remastered (hier wimmelt‘s aber von „Mastern“) wichtig ist, sondern auch für das Bauen von Cube-Decks oder Duplicate Sealed-Decks. (Weitere meiner Ratschläge zum Deckbau in diesen beiden Umgebungen findet ihr in einem Artikel namens „Building a Better Mousetrap“, den ich zu diesem Thema verfasst habe. Mehr zu Duplicate Sealed gibt‘s außerdem weiter unten.)
Lektion 1: Man kontrolliert die Umgebung immer selbst
Die erste Lektion, die wir für den Umgang mit bereits existierenden Karten lernten, war, dass man zwar nicht die Möglichkeit hat, völlig Neues zu erschaffen, aber aus dem, was bereits da ist, eine ganz bestimmte Auswahl treffen kann. Als ich beispielsweise damals die Einladungsevents für Magic organisierte, wählte ich immer zwei Formate: Duplicate Sealed und Solomon-Draft, wobei ich die Karten, die die Spieler verwenden sollten, regelrecht handverlas. Und damit meine ich, dass alle sechzehn Spieler auf einen identischen Kartenpool zugreifen mussten.
Duplicate Sealed ist ein Sealed-Format mit dem Haken, dass alle Spieler genau den gleichen Kartenpool bekommen. Normalerweise wird die Kartenliste sehr sorgfältig zusammengestellt, um sicherzugehen, dass es genügend verschiedene Optionen gibt. Der Schlüssel zu diesem Format ist es, herauszufinden, wie man das optimale Deck in einer Umgebung baut, in der jeder vor den gleichen Auswahlmöglichkeiten steht wie man selbst.
Solomon-Draft ist ein Draftformat, zu dem jeder Spieler mit dem Äquivalent zu drei Boostern erscheint. Alle Karten werden gemischt (ohne dass man sie sich ansieht). Ein Spieler deckt dann die obersten acht Karten des Stapels auf und teilt sie in zwei neue Stapel. Der andere Spieler wählt dann einen der beiden Stapel aus und überlasst dem ersten den anderen. So geht das eine Weile hin und her. Die Spieler teilen die Karten so lange auf, bis alle gedraftet wurden. Solomon-Draft kann man mit normalen Boostern machen, aber für die Einladungsevents wählte ich die zu draftenden Karten im Vorfeld genau aus und achtete darauf, dass alle Spieler denselben Stapel Karten in exakt derselben Reihenfolge erhielten. Dieser Ansatz des Solomon-Drafts mit dem identischen Stapel diente mehr als Anreiz für die Zuschauer, da die Spieler mit jedem neuen Gegner anders draften mussten.
Böser Zwilling | Bild von Greg Staples
Ich erzähle das deshalb, weil vieles von dem, was ich beim Duplicate Sealed und dem Solomon-Draft gemacht habe, darauf abzielte, die Umgebung meinen Bedürfnissen anzupassen, indem ich festlegte, was existierte und was nicht. Bei einem dieser Duplicate Sealed-Events hatte ich beispielsweise alle Karten, die ein Mana kosteten, in den Pool getan. Ich veranstaltete auch einen Solomon-Draft, bei dem alle Karten mehrfarbig oder Länder waren. All diese Magic-Karten gab es bereits, doch durch die Verlagerung des Fokus änderte ich ihren Wert radikal. Man kann sehr leicht zu der Auffassung kommen, dass die Einschränkung, keine neuen Karten machen zu können, dafür sorgt, dass man keinen großen Einfluss auf die Umgebung nehmen kann, doch das ist schlicht und ergreifend eine Fehleinschätzung. Ja, man ist zwar in mancherlei Weise eingeschränkt, doch das bedeutet nicht, dass man nicht trotzdem noch eine ganze Menge Einfluss ausüben könnte.
Hier sollte ich aber auch gleich einhaken und darauf hinweisen, dass man nicht einfach nur deshalb die wildesten Veränderungen durchziehen sollte, nur weil man es eben kann. Meine Formate bei den Magic-Einladungsevents waren dazu gedacht, möglichst viele Zuschauer anzulocken, und sie sollten nur einmal gespielt werden. Daher konnte ich mir einige Freiheiten herausnehmen, die ich niemandem empfehlen würde, der vorhat, ein Format zu erschaffen, das häufiger gespielt werden soll.
Lektion 2: Eines der wichtigsten Werkzeuge ist die Gewichtung
Diese Lektion ergibt sich aus der ersten. Man kann zwar nur die Dinge einbeziehen, die es schon bei Magic gibt, aber man kann sich immerhin aussuchen, welches diese Dinge sind und in welcher Gewichtung sie auftreten. Wenn ich eine Umgebung fürs Limited entwerfe, ist es zum Beispiel oft so, dass ich einige Komponenten entweder eliminiere oder stark reduziere, um die Umgebung in die Richtung zu schubsen, die das Design erkunden soll. Eines der mächtigsten Werkzeuge, die ein Designer hierzu zur Verfügung hat, ist es, genauer festzulegen, wie oft etwas passiert. Ich spreche auch oft über den As-Fan, doch das ist ein viel technischerer Weg, um im Auge zu behalten, wie oft ein Spieler eine bestimmte Facette des Spiels erlebt.
Man sollte hierbei nicht nur bedenken, wie die Gewichtung insgesamt ist, sondern muss auch berücksichtigen, wie es innerhalb verschiedener Teilmengen mit ihr aussieht, von denen die Farben die wichtigsten sind. Es kann vorkommen, dass man etwas streicht, was nur ein paar Farben oder nur einen bestimmten Kartentyp betrifft. Ein großer Teil dessen, was den verschiedenen Teilen eines Sets ihre Identität verleiht, ist es, dass sie sich voneinander unterscheiden. Eine gute Möglichkeit, dafür zu sorgen, ist es, strikt einzugrenzen, wer was tun kann. Die Farbpalette spiegelt genau diesen Prozess wider. Denkt daran, dass ihr durch die von euch ausgewählte Teilmenge eure eigene Version der Farbpalette erzeugt.
Brillanter Plan | Bild von Song Shikai
Lektion 3: Man ist am stärksten durch das eingeschränkt, was man nicht hat
Das größte Problem dabei, keine neuen Karten erschaffen zu können, besteht darin, dass man keine Ergänzungen vornehmen kann. Das beste Beispiel hierfür stammt aus dem Design für Modern Masters Edition 2015. Erik versuchte festzulegen, welche Themen er unterstützen wollte. Er und sein Team setzten eine Deckgrenze für die Stärke der einzelnen Themen fest. Wurde ein Thema zu stark, konnte Erik leicht einen oder mehr der mächtigeren Zaubersprüche entfernen. Wenn etwas hingegen zu schwach war, gab es allerdings nichts, was Erik tun konnte, um es stärker zu machen. So konnte er bestimmte Themen gar nicht erst verwenden.
Dies ist ein wichtiger Punkt, denn – wie ich gar nicht oft genug betonen kann – ein wichtiger Aspekt der frühen Designphase besteht darin, die geltenden Restriktionen zu erkennen und die gesamte Struktur des Projekts so auszurichten, dass man ihnen gerecht wird. Wenn man nur mit einem bekannten Satz Karten baut, muss man unbedingt wissen, was man nicht tun darf, und dieses Wissen dazu nutzen, die eigene Vision für das Design zu definieren.
Lektion 4: Die Dinge müssen nicht so sein, wie sie waren
Eine andere wichtige Sache, die man im Hinterkopf behalten sollte, ist, dass Karten keine weitere Aufgabe haben, als das zu tun, was ihr Regeltext sagt. Eine Karte hat vielleicht eine ganz bestimmte Rolle erfüllt, als sie erstmals eingeführt wurde, doch man ist nicht gezwungen, sie wieder so einzusetzen wie damals. Etwas, was wir im Design häufig tun, ist, Karten zurückzubringen, die bei ihrer Neuauflage eine völlig andere Rolle spielen. Mulchen beispielweise wurde zuerst in Felsenburg als eine Möglichkeit für Grün gedruckt, an Länder zu kommen. In Innistrad haben wir sie neu aufgelegt, aber nicht als Landbeschaffungsmaßnahme, sondern um Grün die Möglichkeit zu geben, Karten in den Friedhof zu bekommen, da eines der Themen von Grün im Innistrad-Block die große Bedeutung von Karten im Friedhof war.
Das funktioniert auch über die Seltenheit. Wenn wir Karten zurückbringen – besonders in einem Boosterprodukt wie Modern Masters Edition 2015 –, hat man die Möglichkeit, ihre Seltenheit zu ändern. Das ist besonders wichtig bei der Erschaffung von Umgebungen im Limited.
Lektion 5: Man muss nach Synergien zwischen Karten aus unterschiedlichen Sets suchen
Eine der einfachsten Möglichkeiten, aus bereits vorhandenem Material etwas Neues zu erschaffen, besteht darin, Karten zu finden, die gut zusammen funktionieren, vorher aber noch nie gemeinsam koexistierten. Eriks Geschichte mit den Elementaren von weiter oben ist ein gutes Beispiel dafür. Elementare sind ein Kreaturentyp, der auf vielen Welten vorkommt. Die entscheidenden Aspekte dieses Themas stammen aus dem Lorwyn-Block, in dem Elementarstämme ein großes Ding waren. Erik durchsuchte jedoch auch andere Blocks nach blauen und roten Elementaren, die gut zu seinem Thema passen könnten. So kann Modern Masters Edition 2015 ein Thema aus der Vergangenheit wieder aufgreifen und es dann so weit verändern, dass das daraus resultierende Spielerlebnis ein neues wird.
Was diese Sache außerdem noch recht einfach macht, ist, dass es bestimmte Themen in Magic gibt, die immer wieder auftauchen. Stämme, der Friedhof, Artefakte, Mehrfarbigkeit: Gewisse Themen wurden schon mehrfach verwendet und kommen sogar – wenn auch in geringerem Umfang – in den allermeisten Sets vor. Der Schlüssel liegt normalerweise darin, eine Teilmenge aus einigen wenigen Karten zu finden und dann immer weitere Dinge hinzuzufügen, die zu dieser Teilmenge passen. Das Thema muss nicht einmal etwas sein, worauf Magic sich zuvor schon einmal konzentriert hat. Es reicht, wenn es oft genug in Hinsicht auf einzelne Karten aufgetaucht ist, um die entsprechende Gewichtung zu erreichen.
Lektion 6: Testspielen, testspielen, testspielen!
Eine häufige Fehleinschätzung lautet: Wenn man eine Karte gespielt hat, hat man sie auch verstanden. Sobald man nämlich die Umgebung verändert, in der Karten auftauchen, ändert sich auch deren Funktion und Spielweise. Man kann nur verstehen, wie diese Karten dann funktionieren, wenn man sie spielt. Zudem sollte man darauf vorbereitet sein, dass sie anders sind, als man sie in Erinnerung hatte, da eine veränderte Umgebung ziemlich oft ein verändertes Verhalten zur Folge hat.
Beim Design geht es um Iteration, und Iteration ist der Schlüssel dazu, Neues zu lernen. Dies geschieht hauptsächlich durch Testpartien mit dem Set, und man sollte das mit ähnlicher Sorgfalt behandeln, als würde man ein Design testen, bei dem man neue Karten machen darf. Es ist ziemlich schwer, ein Set zu „übertesten“, aber es ist sehr leicht, es zu „untertesten“.
Ein Kartenhaus
Ich hoffe, ihr habt diesen kleinen Einblick in das Design von Modern Masters Edition 2015 genossen, genau wie die Anmerkungen zu den Dingen, an die man denken sollte, wenn man eine Umgebung aus bereits existierenden Karten erschafft. Wie immer freue ich mich über eure Rückmeldungen – sei es per E-Mail oder auf einem meiner Social-Media-Profile (Twitter, Tumblr, Google+, Instagram).
Schaut auch nächste Woche wieder vorbei, denn dann spreche ich über ein Set, das niemand von euch je spielen wird.
Mögen sich bis dahin eure Karten auf neue und interessante Weise vermischen und zueinanderpassen.
„Drive to Work #222 – GDC 2015“
Das erste Mal in den zwanzig Jahren, in denen ich bei Wizards arbeite, habe ich an der Game Developer‘s Conference in San Francisco teilgenommen. In diesem Podcast geht es um diese Reise und einige der Dinge, die ich auf der Konferenz gelernt habe.
„Drive to Work #223 – 10 Principles“
Dieser Podcast beruht auf einem Artikel, den ich basierend auf den „Zehn Thesen für gutes Design“ von Dieter Rams, einem deutschen Industriedesigner, geschrieben habe. Inwiefern kann ein Mann, der Lampen und Radios entwarf, tiefere Einblicke in das Design von Magicgewähren? Genau das will ich euch erklären.
- Episode 223 10 Principles (14.2 MB)
- Episode 222 GDC 2015 (18.8 MB)
- Episode 221 Innistrad Cards, Part 5 (15.3 MB)
- Episode 220 Innistrad Cards, Part 4 (16.3 MB)
- Episode 219 Green-White (17.2 MB)
- Complete Drive To Work Podcast Archive