Es ist schon fast wieder Zeit, das Thema „Magic Ursprünge“ ein bisschen zurückzufahren – aber vorher möchte ich gern noch ein paar Geschichten zum Design einzelner Karten sowie die Diskussionen darüber mit euch teilen. Ich habe viel zu erzählen und nur diese eine Kolumne dafür zur Verfügung. Also fangen wir am besten gleich an.


Alhammarret, Hoher Schlichter

SPOILER: Wenn ihr die Hintergrundgeschichte von Jace noch nicht gelesen habt, dann solltet ihr das nachholen, denn im Folgenden werde ich einiges dazu erzählen.

Alhammarret war Jaces Mentor und wurde schließlich zu seinem Feind. Die Sphinx verfügte über mächtige Gedankenmagie, die sie stark übergriffig einsetzte, weshalb wir sichergehen wollten, dass das Design der Karte diesem Aspekt Rechnung trug. Die große Frage, die ich zu dieser Karte oft höre, ist: „Ist diese Fähigkeit nicht eigentlich weiß anstatt blau?“ Im Allgemeinen schon. Vorsorgliches Neutralisieren ist üblicherweise mehr eine Sache von Weiß, aber Blau – als König der Gegenzauber – deckt im Grunde den gleichen Bereich ab.

Es gibt eine Möglichkeit, diese Fähigkeit an eine Vorlage anzupassen, die sich etwas „blauer“ liest – so könnte man beispielsweise erst das Ausspielen zulassen, um es dann sofort zu neutralisieren, anstatt es einfach nur zu verhindern –, doch das wäre deutlich wortreicher geworden und hätte von der Sache her denselben Effekt gehabt. Als generelle Regel sind diese Unterschiede wichtig, um dafür zu sorgen, dass die Farben sich voneinander unterscheiden. Sehen wir uns jedoch mit wortreichen Formulierungen auf einer Karte konfrontiert, die ohnehin schon ziemlich viel Text hat, dann nehmen wir üblicherweise den klareren, kürzeren Weg – und zwar selbst dann, wenn das Ergebnis nicht mehr ganz so „farbecht“ klingt.


Ruf des Vollmonds

Eines der tollen Dinge an Magic Ursprünge und seiner Erkundung vieler Welten, die wir früher schon einmal bereist haben, ist, dass wir einige Karten machen konnten, die mechanisch gesehen Rückblenden auf die Sets darstellen, aus denen sie ursprünglich stammen. Ruf des Vollmonds ist ein tolles Beispiel dafür. Das Spielgefühl, das die Karte vermitteln will, ist Folgendes: Die verzauberte Kreatur wird zum Werwolf, doch irgendwann bricht der Tag an und die Kreatur verwandelt sich zurück. Das Design verwendet dafür nicht irgendeinen Auslöser, sondern genau den aus dem Innistrad-Block, der Werwölfe in Menschen zurückverwandelte, sobald in einer Runde zwei Karten vom selben Spieler ausgespielt wurden.

Außerdem ist diese Karte auch noch ein Beispiel für etwas anderes, was im Design passierte. Während der Previews zu Magic Ursprünge hatte ich erklärt, wie die zehn Welten fürs Draften in zehn Farbpaararchetypen aufgeteilt worden waren. Was ich damals jedoch unerwähnt ließ, war, dass unsere Besuche auf diesen Welten nicht auf diese Farbpaare beschränkt waren. Innistrad beispielsweise war blau-schwarz, denn das waren die Zombiefarben im Innistrad-Block, und Liliana ist diejenige, die die Welt besucht. Ruf des Vollmonds ist jedoch eine rote Karte. Um die Werwolf-Verbindung herzustellen, wurde die Karte nämlich in einer der Farben entworfen, die die Werwölfe im Innistrad -Block hatten. Wenn ihr euch Magic Ursprünge anseht, werdet ihr weitere Beispiele für Besuche auf Welten finden, die sich nicht mit meiner ursprünglichen Auflistung von Farbpaaren decken.


Chandras Entflammen

Einer der tollen Aspekte daran, ein Design zu machen, das auf einer Erzählung basiert, ist, dass es manchmal diese coolen Momente gibt, in denen eine Spielmechanik einen Handlungsstrang dieser Erzählung auch tatsächlich voll abbilden kann. Chandras Entflammen ist ein tolles Beispiel dafür. In Chandras Geschichte widerfuhren ihr und ihrer Familie entsetzliche Dinge. Chandra ist kurz davor, hingerichtet zu werden, als sie in einem gewaltigen Gefühlsausbruch – buchstäblich – in Flammen aufgeht. In diesem Moment entfacht sich ihr Funke, und sie verschwindet, da sie nun zum ersten Mal weltenwandelt. Schauen wir uns die legendäre Kreatur an, die Chandra vor dem Entfachen ihres Funkens repräsentiert.

Chandra, Feuer von Kaladesh ist eine doppelseitige Karte. Wenn Chandra in einer Runde drei oder mehr Schaden ausgeteilt hat, kann man sie transformieren und zur Planeswalkerin Chandra, die tobende Flamme machen. Chandras Entflammen verursacht den Schaden nicht selbst, sondern lässt das die Kreatur erledigen. Das bedeutet, dass Chandra, Feuer von Kaladesh zwei Schaden austeilt, weil sie eine 2/2-Kreatur ist. Sie kann dann getappt werden, um einen dritten Schadenspunkt zu verursachen, wodurch sie im Anschluss transformiert wird. Die Tatsache, dass das alles so wunderbar zusammenspielt, war kein glücklicher Zufall, sondern vielmehr sorgfältig vom Design- und Entwicklerteam geplant.


Leutnant des Konsuls

Ruhm ist eine Mechanik, die Monströs aus Theros insofern ähnelt, als dass sie es erforderlich macht, etwas Bestimmtes zu tun, die Veränderung dann durch eine +1/+1-Marke kenntlich macht und sich danach manchmal darauf bezieht, ob die Kreatur sich nun verändert hat oder nicht. Monströs erforderte Mana, während Ruhm erfolgreiches Angreifen voraussetzt. Das Designteam war sehr darum bemüht, Mechaniken auszusuchen, die Wachstum und Fortschritt versinnbildlichten, um das Thema der Ursprungsgeschichten aufzugreifen. So wie ihr den Figuren dabei zuschauen könnt, wie sie wachsen und sich verbessern, so lässt sich dieser Vorgang auch mechanisch mit euren Kreaturen (durch Ruhm) und euren Zaubersprüchen (durch Zauberkunst) nachvollziehen.

Ruhm hat drei Bereiche, mit denen man beim Design herumexperimentieren kann. Der erste ist die Zahl hinter Ruhm. Wie viel größer wird die Kreatur? Mit einer Ausnahme sind alle Ruhm-Werte in Magic Ursprünge 1 oder 2. Fast alle häufigen Karten haben Ruhm 1, mit Ausnahme des Rhox-Malmers. Der zweite Bereich sind die Fähigkeiten der Kreatur. Diese Fähigkeiten können ihr dabei helfen, durchzukommen und/oder sie zu verbessern, wenn sie größer geworden ist. Leutnant des Konsuls beispielsweise hat Erstschlag – was für beides sorgt. Erstschlag macht die Kreatur zunächst schwerer zu blocken und erlaubt ihr so, ruhmvoll zu werden. Im Anschluss daran macht Erstschlag die verbesserte Fassung der Kreatur noch wertvoller, da der Nutzen von Erstschlag eng mit ihrer Stärke verknüpft ist. Die dritte Fähigkeit, die oft zusammen mit Ruhm auf selteneren Kreaturen eingesetzt wird, ist ein Bonus dafür, ruhmvoll zu sein. Auf dem Leutnant des Konsuls sorgt sie dafür, dass auch die anderen Angreifer stärker und widerstandsfähiger werden.

Interessanterweise ist der größte Kritikpunkt, den ich zu dieser Mechanik höre, der gleiche wie bei Monströs. Durch die +1/+1-Marke(n) weiß man, dass die Kreatur ruhmvoll ist, aber bei Magic gibt es noch andere Möglichkeiten, +1/+1-Marken auf Kreaturen zu bringen (auch wenn diese bei Magic Ursprünge im Vergleich etwas begrenzter sind). Gelegentlich hört man den Vorschlag, die Fähigkeiten der Kreatur sollten davon abhängen, ob eine Marke auf ihr liegt, und nicht davon, ob sie ruhmvoll ist. Das Problem dabei ist jedoch, dass die Karte dadurch auf eine Weise zu mehr Wert käme, die nicht so leicht zu erkennen ist, weil sie Kreaturen dann eigentlich teurer macht. Und dadurch würde die Mechanik schwächer aussehen, da viele Spieler den mit ihr verbundenen Vorteil wahrscheinlich nicht einmal erkennen würden. Meine generelle Philosophie ist es, dass Mechaniken wie Ruhm und Monströs die meiste Zeit über klar sein dürften – und in den wenigen Fällen, in denen noch etwas anderes passiert, findet man schon eine Möglichkeit, das entsprechend zu markieren.


Finsteres Gesuch

Eines der fortlaufenden Themen dieser Woche scheint die Farbpalette zu sein. Da ich nicht im Designteam für dieses Set war, habe ich auch weniger Anekdoten zu erzählen, die sich hinter den Kulissen abspielten – also dachte ich, ich schaue mir einmal näher an, warum wir die Farbpalette ab und zu etwas großzügiger auslegen. Finsteres Gesuch ist ein gutes Beispiel dafür. Um das Problem hier zu verstehen, müssen wir zunächst über die Zauberkunst-Mechanik sprechen.

Bestimmte Mechaniken sind das, was ich „Reiter-Mechaniken“ nenne, denn sie fügen einer Karte einen zusätzlichen Reiter hinzu. Beispielsweise hat jede Karte mit Zauberkunst einen ersten Effekt und dann einen zweiten, der mit dem ersten verknüpft ist und sich auswirkt, sobald Zauberkunst eine Rolle spielt. Finsteres Gesuch wollte ein Lehrmeister sein. Schön und gut, aber welche Fähigkeit kann man in Schwarz machen, die für einen Lehrmeister nützlich ist? Auf den ersten Blick gibt es darauf keine einfache Antwort. Man will mit dem Zauber interagieren, den man gerade bekommen hat, aber in Schwarz gibt es dafür nicht so unheimlich viele Möglichkeiten.

Die Lösung war, Schwarz etwas tun zu lassen, was es früher einmal getan hat: Mana erzeugen. Wir hätten natürlich den Zauber auch einfach billiger machen können. Das ist auch etwas, was Schwarz tun kann, aber das ist schwieriger zu formulieren und weniger stimmungsvoll. Die Frage war: Die Riten, die einmal zu Schwarz gehörten, waren zwar inzwischen zu Rot verschoben worden, aber konnte Schwarz nicht trotzdem ab und zu noch einen solchen Ritus bekommen? Immer wenn es darum geht, ob etwas die Grenzen der Farbpalette zu sehr dehnt oder sie gar überschreitet, stellt sich die folgende große Frage: „Untergräbt es die Schwäche der Farbe?“ Die Antwort hier lautet Nein. Schwarz hat durchaus seine Möglichkeiten, auf Mana zuzugreifen – oft zu irgendwelchen Zusatzkosten –, sodass dieser Ritus Schwarz nicht plötzlich etwas gewährte, was es eigentlich nicht haben sollte. Und außerdem war die Stimmung toll, und deshalb winkten wir den Ritus am Ende durch.


Dämonischer Pakt

Diese Karte wurde ursprünglich für „You Make the Card 4“ von James Clarke eingereicht. Es handelte sich um eine schwarze Verzauberung, und wir hatten die Öffentlichkeit gebeten, einen Regeltext für sie zu entwerfen. Von allen Einsendungen wurden acht für eine große Abstimmung ausgewählt. Dämonischer Pakt war einer dieser acht Finalisten (damals noch unter dem Namen Verzehrender Vertrag). Er rückte vom Viertelfinale ins Halbfinale vor, verlor aber dort gegen seine Konkurrenz, die im Finale dann gegen jene Karte den Kürzeren zog, welche später als Resteverwertung in Magic 2015 erschien.

Der Verzehrende Vertrag war zwar nicht als Sieger aus dem Wettbewerb hervorgegangen, doch wir fanden, dass der Kern seines Designs – man hat die Wahl zwischen vier Dingen: drei mächtigen Effekten und einem vierten „Du verlierst die Partie“ – richtig toll war. Zudem erzählten wir ja in Magic Ursprünge die Geschichte von Liliana, die einen Pakt mit vier Dämonen eingegangen war. Und dazu passte diese Karte perfekt. Der Trick war nun, herauszuarbeiten, welches die anderen drei Effekte sein sollten. Auf der ursprünglichen Karte waren es: „Du ziehst zwei Karten und verlierst zwei Lebenspunkte“, „Zerstöre eine Kreatur deiner Wahl“ und „Wirke einen Zauber, ohne seine Manakosten zu bezahlen“. Die letzte Fähigkeit war viel zu mächtig und nicht wirklich schwarz (Schwarz konnte einen Zauber aus dem Friedhof heraus wirken). Selbst bei You Make the Card hatten wir diese Fähigkeit schon entfernt und den Spielern gesagt, sie würden über die fehlende Option abstimmen dürfen, falls die Karte gewinnen sollte.

Nachdem wir uns alle Auswahlmöglichkeiten angeschaut hatten, beschlossen wir, keine Option zum Vernichten einer Kreatur einzubauen, denn diese war wertlos, wenn einmal keine Kreatur im Spiel war. Alle drei Fähigkeiten mussten funktionieren, ganz egal, wie das Board im jeweiligen Moment aussah. Also wurde die Option beibehalten, mit der man zwei Karten ziehen konnte, und eine hinzugefügt, bei der der Gegner vier Leben verlor und zwei Karten abwerfen musste. Der Lebenspunkte-Reiter beim Kartenziehen wurde rausgenommen, da die Karte an sich bereits risikoreich genug war, und es half dabei, dass sich der Effekt etwas von dem Absaugen der Lebenspunkte unterschied (und noch dazu weniger wortreich wurde). Zu guter Letzt wurde auch der Name geändert, um besser zu Lilianas Geschichte zu passen. Und ja, falls ihr euch das gefragt habt: Das ist in der Tat Liliana auf dem Bild, die da ihren „Vertrag“ erhält (die vier Ganzkörpertätowierungen).


Mitreißender Sieger

Hin und wieder stoßen wir auf eine Karte, die einfach eine kleine, alberne Sache einfängt, von der wir wissen, dass die Spieler sie lieben werden. Und woher wissen wir das? Weil sich die R&D zuerst in sie verliebt! Das erste Mal hörte ich von Mitreißender Sieger von Sam Stoddard, dem Chefentwickler des Sets. Ich war der Berater für Magic Ursprünge – mehr dazu in einer anderen Woche –, weshalb Sam und ich regelmäßig über das Set sprachen. Eines Tages sagte Sam: „Das musst du sehen!“ Dann zeigte er mir die Illustration für Mitreißender Sieger, die gerade eingetroffen war.

Mitreißender Sieger | Bild von Winona Nelson

In der späten Designphase wurde darüber gesprochen, den Namen der Karte zu ändern, da sie immer für sehr viel Gekicher sorgte, aber Sam verstand, dass genau diese Reaktion großartig war, und er kämpfte dafür, den Namen beizubehalten. (Ich kenne zwar nicht die ganze Geschichte, aber ich glaube, Teile des Kreativteams fanden den Namen auch toll und setzten sich ebenfalls für ihn ein.) Ich hatte keinen Zweifel, dass die Karte dieselbe Reaktion erzeugen würde, sobald wir sie einer breiteren Öffentlichkeit vorstellten – und binnen weniger Minuten war klar, dass dem genau so war. Ich glaube, die Karte geisterte schon nach einer Stunde, nachdem die Öffentlichkeit sie zum ersten Mal gesehen hatte, als Meme durchs Netz.


Ghirapur-Feinmechaniker

Diese Karte hat für viele Fragen auf meinen Social-Media-Profilen gesorgt. Rot konnte noch nie gut fliegen, besonders nicht seine kleinen Kreaturen. Ja, Rot hat Drachen und Phönixe ... aber abgesehen von diesen Ausnahmen hatte es bislang immer ausgesprochen wenige Flieger. In den Kaladesh-Teilen von Rot (und auch auf den blauen Karten) werden jede Menge Thopter erschaffen. Thopter sind fliegende 1/1-Artefaktkreaturen. Was ist da los? Warum macht Rot so was?

Die Antwort ist, dass man bei der Farbpalette manchmal ein Auge zukneifen muss, um dem Thema eines Sets treu zu bleiben. Es ist nicht so, dass Rot prinzipiell keine kleinen Flieger haben könnte. Es hat sie nur eben einfach nicht. Es war wichtig, die Stimmung von Kaladesh in Blau und Rot einzufangen, und dafür waren Artefakte vonnöten. Blau und Rot hatten in der Vergangenheit rein mechanisch betrachtet ein gutes Verhältnis zu Artefakten (zusätzlich zur Fähigkeit von Rot, sie zu zerstören). Das Thopter-Thema fühlte sich passend für die blau-rote Stimmung an, und die Idee war zwar für Rot etwas weit hergeholt, machte grundsätzlich aber nichts kaputt. Rot kann fliegen. Manchmal mag es auch Artefakte. Daher beschloss man, dass es sich hierbei um einen akzeptablen Umgang mit der Farbpalette für dieses Set handelte. Beachtet aber bitte, dass dies keine große, dauerhafte Änderung für Rot darstellt – es ist bloß eine vertretbare Anpassung, um dieses Set zum Laufen zu bringen.


Güldenlaub-Ausdünner

Dies ist eins meiner Lieblingsdesigns, weil mechanische Entwürfe sonst oft so große Schwierigkeiten mit subtilen Konzepten haben. Diese Karte jedoch schafft es durch ihr Design, Heuchelei zu vermitteln. Und das ist ziemlich beeindruckend. Ihr müsst nämlich wissen, dass die Elfen Lorwyns ein klein wenig von Perfektion besessen sind. Eine unperfekte Kreatur ist ihnen ein Gräuel. Aber was genau ist „Unperfektion“? Die Karte selbst legt das fest, indem sie jede Kreatur als unperfekt erachtet, bei der Stärke und Widerstandskraft nicht denselben Wert aufweisen – bei der R&D nennt man das auch gern „quadratische Werte“. Aber – und das ist der coole Teil – der Güldenlaub-Ausdünner selbst hat auch keine quadratischen Werte. Technisch gesehen kann er sich nicht selbst zerstören, weil er ein Elf ist und die Karte nur Nichtelfen-Kreaturen aufs Korn nimmt, aber es ist spannend, dass die Karte Unvollkommenheit so definiert, dass sie (beinahe) selbst davon betroffen ist. Chapeau an das Design- und Entwicklerteam, das diese Karte erschaffen hat.


Hangar-Schreiter

Als Historiker für Magic-Design bin ich immer wieder von den seltsamen Ausreißern fasziniert. Wie viele Artefakte in der Geschichte von Magic haben beispielsweise Manakosten von XX? Es sind zwei:

Kelch der Leere aus Mirrodin und Orochi-Brutkammer aus Meister von Kamigawa. Der Hangar-Schreiter tut jedoch etwas, was keine der anderen Karten tut: Er ist eine Kreatur. Nun ist mir bewusst, dass nicht alle von euch es spannend finden, die erste Kreatur mit Manakosten von XX zu sehen, aber mir zaubert sie ein Lächeln ins Gesicht. Und da es sich um eine Artefaktkreatur handelt, gehört sie natürlich auf Kaladesh, die einzige Welt im Set mit einem Artefaktthema. XX für eine X/X-Kreatur ist eher schwach, weshalb noch ein bisschen Platz für etwas Cooles war. Dass sie nach ihrem Tod zu X Thoptern wurde, verankerte die Karte auf Kaladesh und gab ihr zudem einen netten Kniff. Wofür vor fürchtet ihr euch mehr: vor meiner 5/5-Kreatur oder vor meinen fünf 1/1-Fliegern?


Hixus der Gefängniswärter

Wie ich zuvor schon erklärt habe, kommt man auf zwei Wegen zum Design einer legendären Kreatur. Der erste ist, einfach einen coolen Entwurf hinzulegen und diesen dann zu einer Figur zu machen oder zufällig auf eine Figur zu stoßen, zu der er gut passt. Der zweite ist, mit der Figur anzufangen und eine Karte für sie zu entwerfen, die zu ihr passt. Hixus entstand auf letzterem Weg. Das Designteam wusste, dass er ein Gefängniswärter und weiß war. Es wusste auch, dass er einer von den Guten und der Mentor von Gideon war (der an diesem Punkt der Geschichte noch Kytheon genannt wurde).

Hixus der Gefängniswärter | Bild von Chris Rallis

Die Frage war nun: Wie baut man einen weißen Wärter? Na ja, man fängt mit dem Offensichtlichsten an. Was tut denn so ein Wärter? Er sperrt Gefangene weg. Gibt es etwas, was Weiß tut, um Dinge wegzusperren? Aber ja doch – da gibt es diese eine Fähigkeit, die von vielen als die Vergessenheitsring-Fähigkeit bezeichnet wird und auf einer Karte aus Arabian Nights namens Oubliette basiert.

Eine Oubliette ist ein Gefängnis, und daher passte das schon mal ganz gut. Die nächste Frage drehte sich darum, wie man diese Fähigkeit einsetzen konnte. Sie konnte entweder ein einmaliger oder ein wiederholbarer Effekt sein. Das Entfernen einer Kreatur ist sehr mächtig, weshalb das Designteam beschloss, dass es nur einmalig stattfinden und ausgelöst werden sollte, sobald die Karte ins Spiel kam. Das Problem war nur, dass dieser Mann einer von den Guten war. Er sperrte nicht einfach jeden ein. Nur Verbrecher. Wie konnte man das einfangen?

Letzten Endes lief es darauf hinaus, dass eingeschränkt wurde, wenn er einsperren konnte. Die Kreatur musste einem erst Schaden gemacht haben. Sie musste „ein Verbrechen begangen haben“ – und es ist doch wohl ein Verbrechen, jemandem Schaden zu machen, oder? Das spielt zudem in andere weiße Effekte hinein, die Kreaturen bestrafen, welche einem Schaden verursacht haben. Das Designteam fügte dann noch Aufblitzen hinzu, da der Effekt der Karte im gegnerischen Zug eingesetzt werden musste. Weiß ist zwar keine der primären Farben für Aufblitzen, aber alle Farben haben Zugriff darauf, wenn sie es aus mechanischen Gründen brauchen (üblicherweise haben sie einen Auslöser beim Ins-Spiel-Kommen, der im gegnerischen Zug stattfinden muss). Man machte ihn zu einer 4/4-Kreatur, da er ein guter Kämpfer sein sollte, und schon war der Wärter fertig.


Pia und Kiran Nalaar

Wir konnten Chandras Geschichte nicht erzählen, ohne ihre Eltern zu erwähnen. Und wir konnten nicht einfach nur ein Elternteil als legendäre Figur haben, weshalb wir ein neues legendäres Paar erschufen. Die Karte war ein Top-down-Design, da sie versuchte, das Wesen von Pia und Kiran einzufangen. (Falls jemand es nicht weiß: Pia ist Chandras Mutter, Kiran ihr Vater.) Sie waren Erfinder, aber mit einer rebellischen Seite. Das Erschaffen der Thopter zeigt ihren Erfindungsreichtum, während die aktivierte Fähigkeit ihnen ein bisschen mehr Biss verleiht. Zusätzlich dazu waren sie auch als Dreh- und Angelpunkt eines Thopterdecks gedacht. Das Herstellen von Thoptern ist toll, löst aber nicht notwendigerweise dringende Probleme. Sobald jedoch Pia und Kiran ins Spiel kommen, sieht die Sache schon ganz anders aus. Außerdem ist die Schutzbrille auf Kirans Kopf ein weiteres schönes Element.


Schutzbrille der Pyromagierin

Okay, Zeit für unnützes Wissen. Wessen Schutzbrille ist das? Sie ist legendär. Also ist es nicht einfach irgendeine Schutzbrille, sondern gehört jemand ganz Besonderem.

Schutzbrille der Pyromagierin | Bild von James Paick

Wenn ihr jetzt Chandra gesagt habt, dann liegt ihr falsch. Das ist nicht Chandras Schutzbrille. Sie gehört Jaya Ballard!

Wie sich herausstellte, wurde das Kloster, in dem Chandra gelandet war, von niemand Geringerem gegründet als Jaya Ballard, einer Pyromagierin aus der Frühzeit von Magic. Und noch mehr unnützes Wissen: Woher hat Jaya ihren Nachnamen? Es ist ein Nachbarort von Seattle. Ich glaube, eines der Mitglieder des damaligen Kreativteams lebte dort und verwendete den Namen bei der Erschaffung der Figur.

Warum also ist das Jayas Schutzbrille und nicht Chandras? Die Antwort ist, dass sie ursprünglich Chandra gehören sollte, aber es gab da ein Problem. Artefakte in Magic sind immer irgendwie magischer Natur, aber Chandras Schutzbrille hat nichts Magisches an sich. Es ist einfach eine ganz normale Schutzbrille. Nun verhielt es sich aber so, dass Chandra nicht die einzige berühmte Pyromagierin war, die Regatha bereist hat. Jaya Ballard hatte auch eine Schutzbrille – und die war magisch. Wenn es also eine pyromagsiche Schutzbrille in Magic Ursprünge geben sollte, dann lag hier die Lösung für dieses Problem.

 


Sternenhimmel von Nyx

Eine weitere tolle Sache daran, ein Set zu machen, bei dem wir bekannten Welten einen Besuch abstatteten, war, dass wir nun Karten erschaffen konnten, die die Themen dieser Welten deutlicher veranschaulichten. Theros hatte offenkundig ein Verzauberungsthema. Sternenhimmel von Nyx wurde als Karte zum Drumherum-Bauen erschaffen, damit die Spieler ihre Theros-Karten verwenden konnten, um ein neues, aber thematisch verknüpftes Deck zu bauen. Dieser Entwurf war für mich eine Reise in die Vergangenheit, denn vor Jahren machte ich diese Karte:

Obwohl es unter vielen anderen Aspekten gewissermaßen versteckt blieb, hatte derUrzas Saga-Block dennoch ein Verzauberungsthema, und ich wollte unbedingt eine Karte erschaffen, die etwas Neues mit Verzauberungen anstellte. Ich hatte die Karte Titanias Lied aus Antiquities , die Nichtkreatur-Artefakte zu Kreaturen machte, seit jeher heiß und innig geliebt. Diese Karte machte das Gleiche mit Nicht-Aura-Verzauberungen: Sie verwandelte sie in Kreaturen – auch wenn ich beschloss, diese ganze Sache von wegen „Schalte ihre Effekte aus“ zu überspringen, weil ich fand, dass das was Witziges für die Johnnys und Jennys dort draußen war. Macht der Opale und Demut sollten den Regelleuten dann auch noch einiges an Kopfzerbrechen bereiten.

Das Design von Sternenhimmel von Nyx baute auf diesem Ansatz auf, indem es eine ausgelöste Fähigkeit hinzufügte, die Verzauberungen aus dem Friedhof zurückholte und dann einen Grenzwert für das Auslösen der statischen Fähigkeit festlegte. Ich bin sehr gespannt darauf, endlich zu sehen, was die Leute damit anstellen. Glücklicherweise gibt es dieses Mal – in den neueren Formaten zumindest – keine Demut.


Verseuchtes Heilmittel

SPOILER: Wenn ihr Lilianas Ursprungsgeschichte noch nicht gelesen habt, dann solltet ihr das jetzt tun oder diesen Abschnitt überspringen, denn es folgen Spoiler.

Manchmal sind Top-down-Karten leicht, manchmal aber auch eine echte Qual. In ihrer Geschichte gibt Liliana ihrem Bruder eine Arznei, von der sie glaubt, sie würde ihn heilen, doch stattdessen macht sie ihn zu einem untoten Ungeheuer. Schwarz erschafft untote Ungeheuer zum Frühstück, aber was diese Karte ein bisschen komplizierter machte, war der Umstand, dass sie irgendwie Lilianas gut gemeinte Absichten einfangen musste. Ihr Ziel war ja nicht, das zu erschaffen, was am Ende aus ihren Bemühungen entstand. Wie sollte das Designteam das einfangen?

Der Trick war es, das Ganze mit ein bisschen mehr Abstand zu betrachten. Lilianas Absichten waren zwar gut, doch die des Rabenmannes – also desjenigen, der sie überredet hatte, das Heilmittel herzustellen – waren es nicht. Was, wenn diese Karte eher diese Tat als die Lilianas widerspiegelte? Sie war für die Zwecke dieser Karte nicht die Täterin, sondern das Opfer. Was, wenn die Karte etwas nahm, was jemand in guter Absicht tat, und es zu etwas Bösem machte? Das klarste Beispiel hierfür war es, den Gewinn von Lebenspunkten zu einem Verlust von Lebenspunkten zu verkehren.


Die Große Aurora

Dies ist eine weitere Karte, zu der ich jede Menge Fragen die Farbpalette betreffend erhalten habe. Was war hier los? Zunächst wurde Nissa während ihrer ersten Weltenreise nach Lorwyn Zeugin, wie sich Lorwyn durch etwas, was als Die Große Aurora bekannt war, in Schattenmoor verwandelte. Und da dies ein dermaßen entscheidender Teil der Geschichte war, wurde beschlossen, dass er seine eigene Karte brauchte. Thematisch gesehen wollte diese Karte grün sein. Die Veränderung war eine natürliche – etwas, was sich schon seit vielen, vielen Jahren zyklisch auf dieser Welt ereignete. Die große Frage war nun, wie man diese Stimmung auf einer grünen Karte einfangen sollte.

Die Große Aurora | Bild von Sam Burley

Die erste Aufgabe bestand darin, herauszufinden, was die Karte mechanisch tun sollte. Die Idee war, dass Die Große Aurora alles ändert. Es war jedoch zu kompliziert, jede Karte im Spiel zu verändern. Daher sollte die Veränderung eher durch die Rotation bleibender Karten dargestellt werden. In Blau und Rot hatten wir schon damit herumexperimentiert, wie sich bleibende Karten von einer Sache in eine andere verwandelten, aber nie in Grün. Gab es eventuell einen leicht anderen Weg, das zu handhaben?

Nun, Grün konnte schon immer gut mit Mana umgehen. Was, wenn die Veränderung bewirkte, dass man auf andere Karten Zugriff hatte und einem dann eine Menge Mana zur Verfügung gestellt wurde, um sie gleich zu wirken? Das fühlte sich eher nach Grün an. Sam und ich führten mehr als ein Gespräch über diese Karte, denn sie geht bei dem, was Grün tun können sollte, schon deutlich an die Grenzen. Als ich dann aber einen Schritt zurücktrat und sie mir im Gesamtkontext anschaute, fand ich, dass das schon gerechtfertigt war – so wie damals, als wir [autocard mvid="84068"]Form des Drachens[autocard] gemacht hatten. Manche Elemente sind vielleicht etwas abwegig, aber insgesamt fühlten sich der Effekt und die Gesamtstimmung durchaus farblich passend an.


Das Ende des Anfangs

Ich hoffe, euch haben meine Geschichten zum Design einzelner Karten aus Magic Ursprünge gefallen. Wie immer freue ich mich auf eure Rückmeldungen zu dieser Kolumne. Ihr könnt mir eine E-Mail schreiben oder mich auf einem meiner Social-Media-Profile kontaktieren (Twitter, Tumblr, Google+ und Instagram).

Schaut auch nächste Woche wieder vorbei, denn dann gibt es die jährliche „State of Design“-Kolumne, in der ich das vergangene Jahr im Design Revue passieren lasse.

Möget ihr bis dahin viel Freude an Magic Ursprünge haben und euch schon mal für den Aufbruch zu einer atemberaubenden Reise wappnen.


„Drive to Work #252 – Block Inspirations, Part 2“

Dies ist der letzte Teil meiner zweiteiligen Reihe, in der ich über die Inspiration zu jedem Magic-Block spreche.

„Drive to Work #253 – Red-White“

Dies ist ein weiterer Teil meiner Reihe über Farbpaare. Heute gibt es den neunten von insgesamt zehn Teilen.