Das Jahr neigt sich dem Ende zu und wie immer werden wir in den nächsten zwei Wochen die besten Artikel aus 2015 noch einmal Revue passieren lassen. Wenn ihr sie also beim ersten Mal verpasst habt, dann solltet ihr jetzt weiterlesen. Ab dem 28. Dezember beginnen dann endlich die Previews zu Eid der Wächter, schaut also unbedingt rein!

Bis dahin ­– Frohe Feiertage!


Film und Fernsehen machen es schon ganz richtig. Vor der Ankunft einer Zeitmaschine bilden sich immer erst knisternde blaue Funken, ehe die Maschine sich dann wenige Momente später plötzlich manifestiert. Im einen Augenblick ist da noch nichts, im nächsten ist sie einfach da. Normalerweise verwendet man sie so, dass niemand ihre Ankunft bemerkt, doch in diesem Fall ist es wichtig, dass man mein Eintreffen sieht. Ich öffne die Tür und trete hinaus in Richards Apartment.

„Richard? Ich meine, Richard Garfield?“

„Ja. Ist das eine Zeitmaschine?“

„In der Tat. Es ist Zeitreise-Woche auf der Webseite, und deshalb wollte ich etwas machen, was ich irgendwie schon immer gern getan hätte. Ich habe mir die Zeitmaschine der R&D ausgeliehen, damit ich in die Vergangenheit zurückreisen und genau jetzt mit dir reden kann. Ich habe den exakten Moment errechnet, an dem du den Großteil der Arbeit am Design von Magic beendet haben solltest, aber noch Zeit für Veränderungen bleibt.“

„Webseite?“

„Ach, Kram aus der Zukunft. Das ist jetzt nicht so wichtig.“

„Entschuldigung, kennen wir uns? Ich meine, werden wir uns kennen?“

„Ja. Da, wo ich herkomme, sind wir seit zwanzig Jahren Freunde.“

„Sie kommen also über zwanzig Jahre aus der Zukunft?“

„2015. Ja, so ähnlich wie in Zurück in die Zukunft 2. Wobei ein paar Details im Film nicht stimmen – nur so zur Warnung.“

„Also ist Magic erfolgreich?“

„Mehr als du es dir wahrscheinlich je erträumen würdest. Es gibt Millionen und Abermillionen Spieler. Es wird in elf Sprachen übersetzt. Es gibt eine Pro Tour und Hunderttausende sanktionierte Events jedes Jahr.“

„Was machen Sie hier?“

„In der Zukunft, aus der ich komme, bin ich der leitende Entwickler für das Spiel. Und eine Frage, die man mir andauernd stellt, ist, was ich ändern würde, wenn wir mit Magic noch mal ganz vorn vorne anfangen könnten.“

„Also sind Sie zu dem Zeitpunkt zurückgereist, an dem Sie noch Änderungen vornehmen können? War es sehr schwer, ihn zu bestimmen?“

„Nein, ich habe dich einfach danach gefragt.“

„Ich lebe also 2015 noch?“

„Ich breche hier auch so schon genug Regeln. Ich glaube, ich sollte dir nicht allzu viel über die Zukunft erzählen. Also zumindest nichts, was nichts mit Magic zu tun hat.“

„Scheinbar gibt es da ein paar Dinge, die Sie ändern wollen.“

Ich hole mein Smartphone raus und rufe die Liste auf. Richard starrt intensiv auf das Gerät.

„Okay, ich stelle mich nicht sonderlich gut dabei an, nichts über die Zukunft zu verraten.“

Zeitumkehr | Bild von Howard Lyon

Richard starrt weiter.

„Das ist ein Telefon. Telefone werden eines Tages ziemlich cool sein.“

„Entschuldigung. Also, was habe ich falsch gemacht?“

„Warum fange ich nicht damit an, dass ich dir erst mal sage, wie viel du richtig gemacht hast? Das Spiel ist offensichtlich ein gewaltiger Erfolg, und ein großer Teil davon ist dem Kerndesign des Spiels geschuldet. Aber ein paar Schnitzer gab es schon.“

„Zum Beispiel?“

„Ante war ein Flop.“

„Wirklich? Das war eines der wichtigsten Dinge, um einen kontinuierlichen Deckfluss sicherzustellen.“

„Aus reiner Neugier: Was glaubst du, wie viel Magic die Leute kaufen werden?“

„Nun, ich nehme an, dass die Leute mit einem Starterpack anfangen und sich dann im Lauf der Zeit vier bis sechs Booster dazukaufen.“

„Was, wenn ich dir sagen würde, dass die Leute ganze Kartons voller Booster kaufen?“

„Oh. Das heißt, es gibt total viele übermächtige Karten. Wir hatten angenommen, dass es in einer Gruppe von Spielern nicht mehr als ein oder zwei Exemplare von jeder seltenen Karte geben würde. Wir wussten, dass das nur dann zum Problem werden würde, falls das Spiel einen unglaublichen Erfolg haben sollte. Und dann wäre das ein Luxusproblem, um das wir uns kümmern wollten, sobald es so weit wäre.“

„Und das habt ihr auch. Wir haben etwas, das wir die „Banned & Restricted“-Listen nennen.“

„Listen? Das Spiel ist so groß, dass Sie verschiedene Formate dafür entwickelt haben?“

„Du machst dir keine Vorstellung.“

„Was hat außerdem nicht funktioniert?“

„Die Begrenzung auf vierzig Karten pro Deck wurde schnell auf sechzig für Constructed-Decks erhöht. Wie du aber schon vermutet hattest, ist das Limited-Format, bei dem man Booster öffnet und damit spielt, ziemlich groß geworden. Das andere, was noch ziemlich stark verändert wurde, sind die Regeln und die Farbpalette, die du ursprünglich mal Farbrad genannt hattest, wenn ich mich nicht irre.“

„Und was hat sich da geändert?“

„Um ehrlich zu sein, waren die Regeln am Anfang ziemlich chaotisch. Es gab kein durchgehend in sich stimmiges System dafür, wie alles funktionieren sollte. Die größte Veränderung war wohl die Schaffung eines Spielelements zur Verrechnung von Zaubern, das wir den Stapel nennen. Alle Zauber verwenden nun ein „zuerst darauf, zuletzt verrechnet“-System. Auf diese Weise wird Schaden immer gleich dann verrechnet, wenn er passiert, anstatt erst am Ende.“

„Wie funktionieren Unterbrechungszauber in diesem System?“

„Gar nicht. Als wir uns das ausgedacht haben, haben wir die Unterbrechungszauber ad acta gelegt. Durch den Stapel können wir die Gegenzauber und solche Dinge abwickeln, für die du Unterbrechungszauber vorgesehen hattest.“

„Und das Farbrad?“

„Die Philosophien waren ziemlich gut. Daran haben wir im Grunde nichts geändert. Sie haben aber einen Feinschliff bekommen. Wir haben jedoch deutlich eingeschränkt, welche Farbe was tun kann. Wir haben ein paar Dinge hin und her geschoben, um die Anteile an der Farbpalette etwas ausgewogener zu gestalten. Genau genommen ist der Feinschliff ein ständig andauernder Prozess. Das Farbrad existierte ja in erster Linie deshalb, um sicherzustellen, dass die Farben Schwächen hatten und Decks damit gezwungen waren, auch auf andere Farben zurückzugreifen. Man musste das nur etwas straffer anlegen. Und diese Sache, bei der es Farben erlaubt war, Mechaniken aus der Farbpalette des Gegners als Waffe gegen diesen zu verwenden, machte das Ganze ein bisschen schwammig.“

„Und was noch?“

„Na ja, du hast ein paar Zaubersprüche und Kreaturen hinsichtlich ihres Powerlevels etwas falsch eingeschätzt. Erstere waren viel zu stark, Letztere viel zu schwach. Wir haben fast fünfzehn Jahre gebraucht, um beide auf etwa dasselbe Niveau zu bringen.“

„Faszinierend. Sprechen Sie weiter.“

„Es gibt noch andere Fortschritte. Sammlernummern zum Beispiel und Seltenheitsindikatoren.“

„Aber so wird es Spielern doch viel zu leicht gemacht, herauszufinden, welche Karten es im Spiel gibt. Ich meine, wir wollten doch sozusagen nicht einfach so alle Karten auf den Tisch legen.“

„Tja, also ... Die Welt wird sich sehr bald verändern und Informationen wesentlich leichter zugänglich sein.“

„Wegen der Telefone?“

„Zum Teil, ja. Ich weiß, dass du das Spiel mit dieser Aura des Geheimnisvollen versehen wolltest, damit Spieler manche Karten erst entdecken, wenn sie gegen andere Leute antreten, doch in diesem Fall arbeitet der technische Fortschritt gegen dich. Außerdem wird es massiv zum Aufbau einer Community beitragen, dass die Leute ihre Deckstrategien miteinander teilen. Eine andere große Änderung war die Einführung einer weiteren Art von Premiumkarten. Jede Karte existiert dank eines Einsatzes von Metallfolie noch in einer schickeren Version, die seltener auftaucht. Wir nennen sie ‚Foils‘. Oh, ach so, und wir haben eine vierte Seltenheit eingeführt, die ‚sagenhaft selten‘ heißt. Die taucht im Rare-Slot etwa einmal alle acht Booster auf.“

„Über so etwas hatte ich auch nachgedacht, aber ich hatte befürchtet, dass die dann einfach zu schwer zu bekommen wären. Andererseits habe ich ja scheinbar völlig unterschätzt, wie viele Karten Spieler haben werden.“

„Wir haben auch noch eine andere Sache eingeführt, die du sicher auch schon am Anfang verwendet hättest, wenn sie dir in den Sinn gekommen wäre: Bei Kreaturentypen verwenden wir ein Volk/Klassen-System.“

„Wie in Dungeons & Dragons?"

„Ja. Davon haben wir uns unter anderem inspirieren lassen. Die meisten humanoiden Kreaturen gehören einem Volk an – wir haben ‚Mensch‘ hinzugefügt – und einer Klasse, durch die ihre Aufgabe ausgedrückt wird. Also in etwa so: ‚Mensch – Zauberer‘ oder ‚Goblin – Krieger‘.“

Goblin-Pöbeltreiber | Bild von Svetlin Velinov

„Das gefällt mir.“

„Eine weitere große Veränderung war, dass wir davon weggegangen sind, Planeswalker mit gottgleichen Kräften zu versehen. Wir haben ihre Macht gewaltig reduziert, um besser Geschichten über sie erzählen zu können. Im Grunde haben sie jetzt nur die Fähigkeit, zwischen den Welten zu wandern.“

„Um ganz Dominia zu besuchen?“

„Oh, dieser Name hat sich nicht wirklich durchgesetzt. Wir sprechen jetzt einfach vom Multiversum. Außerdem gibt es jetzt einen Kartentyp für Planeswalker. Der ist sehr beliebt und hat viel dazu beigetragen, dass unsere Hauptfiguren sowohl im Spiel als auch in der Geschichte auftauchen können.“

„Wow, das sind eine Menge Neuerungen.“

„Stimmt schon. Eigentlich bin ich noch nicht ganz fertig. Wie du schon vermutet hast, gibt es jetzt eine Menge verschiedener Formate bei Magic, die in zwei Gruppen unterteilt sind: Constructed und Limited. Das größte Constructed-Format heißt Standard und verwendet die Karten aus den jeweils letzten zwei Jahren. In naher Zukunft – also in meiner nahen Zukunft, meine ich – werden es achtzehn Monate sein.“

„Dann ist dieses Hauptformat ständig im Fluss und muss nicht ewig unter denselben Fehlern beim Powerlevel leiden?“

„Richtig.“

„Das ist ja brillant!“

„Schon komisch. Am Anfang fanden die Leute das schrecklich, aber es wurde zu dem Format, das das Spiel am stärksten definiert. Im Limited heißt das beliebteste Format Boosterdraft. Man öffnet einen Booster, nimmt sich eine Karte und gibt ihn an seinen Nachbarn weiter.“

„Ich bin so froh, dass das Limited-Format so erfolgreich ist. Den Testspielern hat es Spaß gemacht, aber ich war nicht sicher, ob die Leute noch mehr Geld ausgeben wollen würden, nur um es spielen zu können.“

„Es gibt außerdem eine ganze Reihe von Casual-Formaten, die hauptsächlich von den Fans ins Leben gerufen wurden und sehr beliebt sind.“

„Das ist klasse!“

„Ich bin noch lange nicht fertig. Wir reden hier immerhin über zwanzig Jahre. Eine ganze Reihe von Fähigkeiten hat jetzt Schlüsselworte. Die des Serra-Engels heißt Wachsamkeit. Wenn eine Kreatur in der Runde, in der sie gespielt wurde, schon angreifen kann, heißt das Eile. Die Fähigkeit des Buschbasilisken nennt sich Todesberührung, allerdings ohne die Einschränkung mit den Mauern. Die Fähigkeit der Riesenspinne heißt Reichweite. Einschüchtern ist irgendwie so ähnlich wie Furcht, außer dass die Farbe, die es blocken kann, der Farbe der Kreatur entspricht, auf der es liegt. Es gibt außerdem ein paar Fähigkeiten von Karten, die du noch gar nicht gemacht hast. Durch Lebensverknüpfung bekommt man zum Beispiel für jeden Schadenspunkt, den man verursacht, Lebenspunkte zurück. Durch Doppelschlag fügt man Erstschlagschaden und trotzdem noch normalen Schaden zu. Und Unzerstörbar heißt, na ja, dass etwas eben nicht zerstört werden kann.“

Serra-Engel | Bild von Greg Staples

„Das sind ganz schön viele Vokabeln.“

„Das ist wahr. Wir haben einige der Bezeichnungen von dir weggelassen. Bündnisfähigkeit zum Beispiel, und Landtarnung und Regeneration werden nur noch sehr sparsam eingesetzt. Oh, apropos Vokabeln: Wir haben ‚aus dem Spiel entfernen‘ zu ‚ins Exil schicken‘ umbenannt, und Verzauberungen, die Dinge verzaubern, heißen jetzt ‚Auren‘. Außerdem haben wir ein bisschen was umgestellt, damit der Kartentyp schlichter angegeben wird. Auf Kreaturen steht ‚Kreatur‘ anstatt ‚Kreatur herbeirufen‘, auf Verzauberungen steht ‚Verzauberung‘ anstatt ‚XY verzaubern‘, und Artefakte sind einfach nur Artefakte statt ‚Mono-Artefakte‘ und ‚Poly-Artefakte‘. Und, stimmt ja, wir haben ein Symbol für Tappen entworfen, statt zu sagen, dass man Dinge tappen soll. Und Standardländer haben keinen Text mehr, sondern nur ein riesiges Manasymbol.“

„Sie waren aber ganz schön fleißig. Ich nehme an, das ist noch nicht alles?“

Magic hat seit Einführung des Spiels ein paar Zusätze erhalten, die immer noch sehr beliebt sind. Zum Beispiel etwas, das Ausrüstung heißt. Das ist ein Artefakt-Untertyp, der wie Auren funktioniert. Er kommt aber ins Spiel, sobald er gewirkt wird oder die Kreatur, die damit ausgerüstet wird, stirbt. Oh, und wir sagen wieder ‚stirbt‘. Das haben wir eine ganze Weile nicht gemacht, es aber dann wieder eingeführt. ‚Cantrips‘ sind Karten, durch die man als zusätzlichen Effekt eine Karte ziehen kann. So konnten wir Karten mit Effekten machen, die normalerweise weniger als ein Mana kosten. Und es gibt nun mehrfarbige Karten im Spiel, für die man mit mehreren Manafarben bezahlen muss. Ich nehme an, dass du das schon einkalkuliert hattest. Es gibt Hybridmana. Das ist Mana, das mit einer von zwei Farben bezahlt werden kann. Das ist ein ODER statt dem UND bei der Mehrfarbigkeit. Und es gibt Dinge, die sich geteilte Karten nennen, bei denen wir zwei kleine Karten auf eine drucken und man sich aussuchen kann, welche man ausspielen möchte. Mehrfarbigkeit, Hybridmana und geteilte Karten gibt es nicht in jedem Set, aber wenn ein Set sie braucht, sind sie da.“

„Möchten Sie mir noch mehr Tipps geben?“

„Ja. Sei vorsichtig mit den Illustrationen. Manche frühen Magic-Karten sorgten für Verwirrung, weil die Illustration etwas anderes zeigte, als das, was die Karte machte. Am schlimmsten war es bei der Flugfähigkeit. Entweder sah eine Karte so aus, als könne sie fliegen, konnte es dann aber gar nicht, oder sie sah nicht so aus, konnte es aber.“

„Vorsichtig sein mit den Bildern. Alles klar.“

Blutkünstler | Bild von Johannes Voss

„Wir haben übrigens auch den Kartenrahmen geändert, damit der Text leichter zu lesen ist. Besonders der Kartenname. Das ursprüngliche Layout machte es sehr schwer, Karten aus der Ferne lesen zu können.“

„Das war mir gar nicht bewusst.“

„Ich kann dir übrigens eine ganze Menge Zeit ersparen. Du wirst darüber nachdenken, für jedes Set den Kartenrücken zu ändern. Das ist eine ganz schlechte Idee. Tu das nicht. Ich hätte da aber noch ein paar andere kleinere Änderungsvorschläge. Nimm ‚Deckmaster‘ von der Rückseite runter. Das wird nicht ankommen. Ändere die Schrift von blau zu gelb. Und es gibt einen kleinen, unabsichtlich gemachten Strich, den du vielleicht entfernen solltest.“

„Okay, das war‘s dann? Sind das alle Änderungen?“

„Die meisten, ja. Mann, ich glaube, ich vergesse gerade eine ganze Menge.“

„Im Ernst?“

„Doch nichts hiervon war ja auch der eigentliche Grund, aus dem ich hier bin. Worüber ich am liebsten sprechen würde, sind die Dinge, die wir nie getan haben und jetzt nicht mehr tun können, weil es dafür zu spät ist. So viele Dinge, die ich so gern machen würde, wenn wir noch mal von vorn anfingen.“

„Das interessiert mich. Schließlich stehen wir ja gerade am Anfang. Was sollte Magic tun, was es versäumt hat? Es ist übrigens sehr merkwürdig, über die Zukunft von Magic in der Vergangenheitsform zu sprechen.“

„Gut, dass du fragst. Zunächst mal würde ich Spontanzauber zu einem "Supertype" statt eines Kartentyps machen. Es gäbe keine Spontanzauber oder Hexereien. Alle nicht-bleibende-Karten Zaubersprüche wären Hexereien. Die Teilmenge davon, die wir heute Spontanzauber nennen, wären spontane Hexereien. Bleibende Karten bräuchten also kein Aufblitzen. Oh, das ist ein anderes Schlüsselwort, das ich vergessen habe zu erwähnen. Damit kann man bleibende Karten wie Spontanzauber ausspielen. Sie wären dann nur vom Übertyp ‚Spontanzauber‘. Es gäbe spontane Kreaturen, spontane Artefakte und spontane Verzauberungen. Auf diese Weise hätten wir ein Schlüsselwort weniger, der Regeltext wäre kürzer und zu guter Letzt gäbe es auch nur ein einziges Wort für nicht-bleibende-Karten Zauber.“

„Das wäre sicher ein Leichtes.“

„Genau. In der Zukunft beziehen sich so viele Karten auf Spontanzauber und Hexereien, dass die Änderung verwirrend wäre. Wäre es aber von Anfang an so gewesen …“

„Wie viele Karten gibt es denn da, wo Sie herkommen? Ich meine, in Ihrer Zeit?“

„Mehr als 15.000.“

„Okay, ich begreife langsam, warum es so viele Änderungen gab.“

„Als Nächstes würde ich die Kartenrahmen ändern, damit sie sich alle optisch ein wenig voneinander unterscheiden, besonders die bleibenden von den nicht-bleibenden Karten. Und ich würde die Länder sehr eindeutig gestalten. Und sicherstellen, dass man das alles auch wirklich deutlich erkennen kann, wenn man die Karten aufgefächert in der Hand hält. Es gab ein Set namens Blick in die Zukunft, in dem es ‚futuristische‘ Rahmen gab, an denen ich mich liebend gern orientieren würde. Die Manakosten standen senkrecht am linken Rand der Karte. Man konnte sie also sehen, wenn man die Karten in der Hand aufgefächert hatte. Außerdem konnte man so den Namen und die Kosten besser sehen. In der oberen linken Ecke gab es ein Symbol, das den Kartentyp anzeigte. Das würde ich auch beibehalten.“

Ich zeige Richard ein Beispiel einer Karte aus Blick in die Zukunft auf meinem Smartphone.

„Zwei Sachen würde ich aber anders machen. Erstens würde ich das Manasymbol mit dem farbigen Mana beginnen lassen. Schließlich ist das die wichtigste Information, und so wollen die Spieler auch über Manakosten sprechen. Und ich würde das farbige Manasymbol mehr in die Ecke rücken, damit man es im Kartenfächer leichter lesen kann. Was ich als Zweites mit den Manasymbolen anstellen würde, wäre, die Darstellung für beliebiges Mana zu ändern. Ich stelle mir ein Manasymbol vor, das beliebiges Mana repräsentiert, und hätte die Karte mehr als eins, dann würde auch mehr als eins gezeigt werden. Ein Hügelriese beispielsweise besäße vier Manasymbole, ein rotes und drei Symbole für beliebiges Mana. Wahrscheinlich gäbe es auch ein größeres Symbol für fünf farblose Mana, um höhere farblose Manakosten darzustellen. Der Grund für diese Veränderung ist einfach, dass die Kosten auf diese Weise meiner Meinung nach für neue Spieler wohl einfacher nachzuvollziehen und abzulesen wären. Jedes Mana würde durch ein Manasymbol dargestellt werden.“

„Interessant.“

„Ich habe einfach zu vielen neuen Spielern gezeigt, wie man spielt, und in zu vielen Lerngruppen gesessen, bis mir klar wurde, dass das aktuelle System zum Aufschreiben von Manakosten nicht optimal ist. Das Problem ist, dass es rein ästhetisch betrachtet zu störend wäre, einen großen Haufen Magic-Karten zu haben, der anders aussieht als der Rest. Das haben wir durch die Handvoll Karten in Blick in die Zukunft gelernt.“

„Noch etwas?“

„Ja. Wenn ich ganz von vorn anfangen würde, dann würde ich einen größeren mechanischen Unterschied zwischen Artefakten und Verzauberungen machen. Alle globalen Effekte würden durch Verzauberungen herbeigeführt werden. Artefakte würden so etwas einfach nicht tun. Die einmalige Aktivierung pro Runde wiederum würde ich den Artefakten überlassen. Sie verwenden bereits – meistens – das Symbol für Tappen, und ich würde keine Verzauberungen mehr machen, die im Grunde Gegenstände mit Effekten sind, die man einmal pro Runde einsetzen kann. Einmal pro Runde ausgelöste Effekte hingegen wären okay. Ich habe versucht, diese Änderungen während des Mirrodin-Blocks einzuführen, doch das Problem war, dass auf diese Weise viele berühmte und beliebte Karten niemals wiederkehren könnten. Also wurde entschieden, dass dieser Preis zu hoch wäre. Wenn wir aber einfach noch mal ganz neu loslegen könnten, würden die Spieler diese Karten genau so kennen. Verborgenes Wissen wäre einfach eine blaue Verzauberung, und mit dem richtigen Spielgefühl würden die Spieler keinen Gedanken an eine Welt verschwenden, wo es anders wäre.“

Verborgenes Wissen | Bild von Ralph Horsley

Mirrodin ist eine Erweiterung?“

„Und eine Welt. Eine künstlich erschaffene, mechanische Welt. Ach ja, Magic wird ein bisschen zu lange auf Dominaria bleiben. Das könntest du auch noch ändern. Und würden wir neu anfangen, würde ich übrigens auch die Kreaturentypen etwas genauer durchdenken. Die haben sich im Lauf der Zeit quasi so nebenbei mitentwickelt und sind ein bisschen inkonsistent. Ich würde mit Art/Klasse bzw. Volk/Klasse anfangen und ein bisschen Zeit darauf verwenden, wie man sie am besten logisch unterteilt. Insbesondere Tiere brauchen etwas Aufmerksamkeit. Oh, und der Kreaturentyp sollte ‚Hund‘ sein.“

„Anstelle von was?“

„Äh, anstelle von nichts. Einfach nur ‚Hund‘. Das ist wichtig. Und wo wir schon über Kreaturentypen sprechen: Ich würde die Phyrexianer zu einem machen. Das haben wir irgendwie verpasst.“

„Was sind denn Phyrexianer?“

„Oh, die werden zu einem wichtigen Volk von Bösewichten werden. Du lernst sie schon noch früh genug kennen.“

„Okay.“

„Da wir gerade bei Kartentypen sind: Ich würde einige hübsche Übertypen ausprobieren wollen, wie Feuer oder Wasser. Auf diese Weise könnten wir mehr Themendecks erstellen, die über Kartentypen hinausgehen.“

„Warum machen Sie das denn nicht in Ihrer Zeit?“

„Wir haben das zu lange hinausgezögert. Es würde sich also ausgesprochen inkonsistent anfühlen und es schwer machen, beliebte Karten aus der Vergangenheit – deiner Zukunft – neu aufzulegen. Aber was die Kartentypen angeht: Da gibt es etwas, was mir sehr wichtig wäre. Ich fände es toll, wenn der Übertyp ‚legendär‘ keine mechanischen Altlasten mit sich herumschleppen würde.“

„Legendär?“

„Das ist eine Bezeichnung für alle einzigartigen Charaktere, Objekte oder Orte, die es gibt. Sie stehen immer stark im Zentrum der Aufmerksamkeit, weil sie so viel Atmosphäre mitbringen. Es gibt sogar ein sehr großes Casual-Format, das um legendäre Kreaturen herumgebaut ist. Das Problem ist, dass es unter den aktuellen Regeln meist ein Nachteil ist, und ich finde, die Karten, die die Spieler unbedingt lieben lernen sollen, brauchen nun wirklich keinen eingebauten Nachteil. Das Problem ist, dass wir in der Entwicklung über Jahre hinweg immer wieder versucht haben, diesem Nachteil auszuweichen. Und wenn eine Regel erst einmal so lange gegolten hat, ist es schwer, sie einfach zu streichen. Hätte es sie jedoch nie gegeben, dann hätte sich das Spiel auch entsprechend anders entwickelt und alles wäre besser. Das wäre natürlich etwas, was wir durch andere Karten ausgleichen müssten, aber ich glaube, es würde das Dasein als Legende zu etwas Positivem anstatt etwas Negativem machen.“

„Sie haben sich ja ganz offenkundig ziemlich viele Gedanken darüber gemacht.“

Gedankenblitz | Bild von David Rapoza

„Du hast ja keine Ahnung. Ich konnte nicht aufhören, darüber nachzudenken, einen Podcast zu diesem Thema zu machen.“

„Einen Podcast?“

„Eine Tonaufnahme.“

„Macht man so was in der Zukunft häufiger?“

„Erstaunlicherweise ja. Hier ist noch etwas, was ich machen würde: Du weißt ja, dass es in Alpha – so nennen wir die erste Auflage des ersten Sets – Artefaktkreaturen gibt. Ich finde, es sollte auch Verzauberungskreaturen geben. Ich würde einfach Dinge, die aus Magie gemacht zu sein scheinen – du weißt schon, so was wie Illusionen –, zu Verzauberungskreaturen machen. Dann würde ich die Story und nicht Spielmechaniken nutzen, um den Unterschied aufzuzeigen, und dadurch könnten wir auch Vanilla-Verzauberungskreaturen haben. Ich glaube, hätten wir Magic unter diesen Gesichtspunkten in Angriff genommen, wäre das jetzt ein ganz normaler Teil des Spiels.“

„Ist das nicht etwas, was Sie in der Zukunft einfach einführen könnten?“

„Ja, es wäre vielleicht möglich, eine völlig neue Art von Verzauberungskreaturen einzuführen, aber es ist schwierig, alte Konzepte wieder aufzugreifen, die jahrelang eben nicht als Verzauberungskreatur existiert haben. Und auch hier macht es uns das schwerer, alte Lieblingskarten neu aufzulegen, wenn wir die bisherige Umsetzung bestimmter Dinge einfach ändern. Wäre das jedoch schon immer so gewesen, würden die Spieler sich darüber gar nicht wundern.“

„Ist das alles?“

„Größtenteils schon. Nur noch ein paar Kleinigkeiten. Ich würde versuchen, die Startphase irgendwie von zwei auf drei Segmente zu verkürzen. Ich würde die Regel weglassen, dass Zauber scheitern, wenn das Ziel entfernt wird. Ich würde sagen ‚von der Hand abwerfen‘ und ‚aus der Bibliothek abwerfen‘, um eine Möglichkeit zu haben, Karten zu millen, die Spieler auch verstehen.“

„Millen?“

„Oh, das ist Slang dafür, Karten oben von der Bibliothek in den Friedhof zu legen. Aber ich glaube, das war‘s jetzt. Das ist wohl alles, was ich tun würde.“

„Hm, da haben Sie mir ja eine ganz schön lange Liste an die Hand gegeben. Und der Zeitpunkt könnte nicht besser sein. Ich bin sicher, dass ich die meisten dieser Änderungen noch vornehmen kann. Und ich glaube Ihnen, dass sie das Spiel verbessern werden.“

„Einen Augenblick noch.“

Ich hole den Gedächtnislöscher hervor.

Ins Gedächtnis verschwinden | Bild von Rebekah Lynn

„Ich darf das nicht zulassen.“

„Was?“

„Ich musste das nur mal loswerden. Aber ich habe zu viele Zeitreisefilme gesehen, um in der Geschichte herumzupfuschen. Magic ist nur dank all dem, was du getan hast, das Spiel, das es heute ist, und selbst die kleinste Änderung könnte die Zeitlinie verändern, in der Magic zu dem Spiel wird, das es geworden ist. Es gibt keine Garantie, dass die Dinge, die ich ändern würde, richtig sind. Daher werde ich dein Gedächtnis löschen müssen, um sicherzugehen, dass diese Unterhaltung für dich nie stattgefunden hat. Es war toll, dich mal zu treffen – also diese Version von dir. Für mich jedenfalls wird das auch sicher zu einer meiner liebsten Erinnerungen werden. Danke für deine Zeit. Ich muss jetzt in die Zukunft zurückkehren, um sicherzustellen, dass mein Artikel für die anstehende Sultai-Woche rechtzeitig fertig wird.

„Ich habe keine Ahnung, was das ist, aber bevor Sie mein Gedächtnis löschen, möchte ich Ihnen danken, dass sie mich einen Blick auf das haben erhaschen lassen, was aus Magic werden wird. Das ist ziemlich aufregend. Ich kann es kaum erwarten, bis das alles passieren wird.“

„Das Spiel hatte auch auf meine Zukunft einen erheblichen Einfluss. Danke, dass du es erschaffen hast.“

Ich verpasse Richard einen Lichtblitz, und sobald er wieder zu sich kommt, werde ich längst fort sein.