Vermischtes: Da ist wohl was gebrochen
Wie ich letzte Woche schon erzählt habe, habe ich am College Improvisationstheater gespielt. Dabei fragt man das Publikum nach Vorschlägen und greift diese dann in spontanen, aus dem Stegreif entstehenden Sketchen auf. Eines Tages im Januar 2006 beschloss ich, dass es interessant sein könnte, auch meiner Kolumne etwas von diesem Improvisationsspaß zu verleihen. Also erschuf ich etwas, was ich „Vermischtes“ nannte.
Das funktioniert so, dass ich die Leser bitte, mir Vorschläge zu Magic- und Nicht-Magic-Themen zuzuschicken. (In diesem Jahr machte ich das über meine Twitter- und Tumblr-Profile.) Dann lasse ich die Leser über eine gewisse Anzahl dieser Vorschläge abstimmen (in diesem Jahr waren es sechzehn für jede Kategorie – mehr dazu gleich), nehme das meist gewünschte Magic- und Nicht-Magic-Thema und verbinde sie in einer Kolumne.
Klickt hier, um mehr über „Vermischtes“ zu erfahren
Mein erster Artikel aus der Reihe „Vermischtes“ hieß „To Err Is Human“ und verband das Magic-Thema „Die Top 10 meiner Fehler im Design“ mit dem Nicht-Magic-Thema „Mädchen“. Ich verwendete meine Fauxpas bei Verabredungen, um meine Designfehler zu erklären. Dieser Artikel ist bis zum heutigen Tag einer meiner absoluten Lieblingsartikel.
Mein zweiter „Vermischtes“-Artikel verband das Magic-Thema „Die Vor- und Nachteile einer sechsten Farbe“ mit dem Nicht-Magic-Thema „Mark Rosewater ist irre!“. Letzteres war eine Anspielung auf einen langlebigen Running Gag auf einer damals sehr beliebten Webseite mit allerlei Magic-Humor. Die Kolumne erschien als Thread auf dieser Seite als Antwort auf meinen „Artikel“ über das Hinzufügen einer sechsten Farbe und verwirrte eine Menge Leute, da sie glaubten, irgendwie auf den falschen Link geklickt zu haben. Da ein Großteil des Witzes auf dieser mittlerweile nicht mehr bestehenden Seite beruhte, funktioniert dieser Text inzwischen nicht mehr so gut wie die anderen.
Meine dritte „Vermischtes“-Kolumne hieß „Sessions“ und verband das Magic-Thema „Die zehn coolsten Kreaturen, die je entworfen wurden“ mit dem Nicht-Magic-Thema „Dungeons & Dragons“.
Die vierte Kolumne hieß „Avoiding Peanuts“ und verband das Magic-Thema „Die am besten designte Karte jedes Sets“ (was schließlich zu „Die am besten designte Karte der letzten zehn Blocks“ wurde) und das Nicht-Magic-Thema „Magie“ (im Sinne von Fingerfertigkeit und Taschenspielertricks).
Die fünfte „Vermischtes“-Kolumne „Kennt ihr die Geschichte, wie ...“ verband das Magic-Thema „Unveröffentlichte Mechaniken“ mit dem Nicht-Magic-Thema „Urbane Legenden“.
Heute nun gibt es meine sechste „Vermischtes“-Kolumne. Für die Festlegung der Themen nutzte ich die sozialen Medien (oder genauer gesagt Twitter und Tumblr) und sammelte dort Vorschläge. Dann wählte ich sechzehn davon für jede Kategorie aus und machte sie zu einer Reihe von Twitter-Umfragen. Jede Umfrage hatte vier Auswahlmöglichkeiten und die jeweiligen Sieger traten dann erneut gegeneinander an. Klickt hier, um zu sehen, wie die Abstimmungen aussahen.
Magic-Themen
Erster Pool
21 % – Paradigmenwechsel
26 % – Farbpalette und Design
36 % – Das Design dreifarbiger Karten [SIEGER]
17 % – Great Designer SearchZweiter Pool
13 % – Das Finden von Unterstützungsmechaniken
29 % – Testpartiegeschichten
45 % – Das Design legendärer Karten [SIEGER]
13 % – LentikulardesignDritter Pool
27 % – Weltspezifische Designs
18 % – Mein üblicher Tagesablauf
22 % – Das Design häufiger Karten
33 % – Farbverläufe [SIEGER]Vierter Pool
14 % – Lieblingsmomente von der Pro Tour
27 % – Wie man Synergien zwischen Blocks erzeugt
51 % – Wann man Regeln brechen sollte [SIEGER]
8 % – DesignbesprechungenEndrunde
19 % – Das Design dreifarbiger Karten
30 % – Das Design legendärer Karten
19 % – Farbverläufe
32 % – Wann man Regeln brechen sollte [SIEGER]
Nicht-Magic-Themen
Erster Pool
28 % – Klopf-Klopf-Witze [SIEGER]
26 % – Kindheitsgeschichten
20 % – Meine Garderobe
26 % – Fast FoodZweiter Pool
22 % – Erwachsen werden
12 % – Auftritte
23 % – Ein Haus bauen
43 % – Spieleabend mit der Familie [SIEGER]Dritter Pool
13 % – Urlaub
29 % – Work-Life-Balance
30 % – Dinge, die Kinder so sagen [SIEGER]
28 % – Fernsehsendungen, die ich magVierter Pool
20 % – Wie es ist, ein mäkliger Esser zu sein
40 % – Das Marvel Cinematic Universe [SIEGER]
15 % – Ehe
25 % – Das Akzeptieren von VeränderungenEndrunde
17 % – Klopf-Klopf-Witze
24 % – Spieleabend mit der Familie
20 % – Dinge, die Kinder so sagen
39 % – Das Marvel Cinematic Universe [SIEGER]
Nach der Abstimmung war das Magic-Thema also „Wann man Regeln brechen sollte“ und das Nicht-Magic-Thema „Das Marvel Cinematic Universe“.
SPOILERALARM: Ich werde über einige der entscheidenden Wendungen in den Filmen des Marvel Cinematic Universe sprechen. Seid also vorgewarnt. Falls ihr Iron Man, Avengers: Age of Ultron oder Doctor Strange noch nicht gesehen habt und euch die Spannung nicht verderben lassen wollt, dann solltet ihr den Artikel für diese Woche besser überspringen.
Ich glaube, ich war sechs, als mein Vater mir mein erstes Comic mitbrachte. Dank Film und Fernsehen wusste ich bereits um die Existenz von Superhelden, aber ich hatte sie nie in ihrer ursprünglichen Form kennengelernt. Schon mit sechs war ich ein Bücherwurm, weswegen ich mich schnell in Comics verliebte – und diese Liebe hat bis zum heutigen Tag Bestand.
Für die, die sich mit Comics nicht auskennen: Die beiden größten Verlage sind DC und Marvel. Die bekanntesten Superhelden von DC sind Superman, Batman, Wonder Woman, Flash, Green Lantern, Aquaman, Green Arrow und viele andere. In Marvels Stall sind Spider-Man, Captain America, Iron Man, Hulk, Thor, die X-Men, die Fantastic Four und viele weitere vertreten. In meiner Kindheit war ich ein großer DC-Fan, doch später begann ich dann, Marvel-Comics zu lesen. Ich hatte als Kind zwar auch schon gelegentlich mal Spiderman gelesen, aber als Teenager entdeckte ich die X-Men und von da an verlagerte sich mein Interesse eher zu Marvel hin. Ich lese zwar immer noch Comics anderer Verlage, doch seit meiner Jugendzeit bin ich hauptsächlich auf Marvel fixiert.
Früher wurden Marvel-Comics verfilmt, indem man verschiedenen Studios Lizenzen dafür verkaufte. Sony Pictures beispielsweise machte die Spider-Man-Filme, wohingegen Fox die Rechte an den X-Men und den Fantastic Four hielt. Das bedeutete, dass sie zwar alle Marvel-Verfilmungen waren, aber alle in ihrer eigenen kleinen Blase entstanden. In den Comics ist es jedoch so, dass alle Figuren miteinander interagieren, sodass man viele Gelegenheiten hat, Figuren aus einem Bereich des Marvel-Universums mit denen aus einem anderen Bereich zusammen auftreten zu sehen. In den Filmen kam dies nicht so oft vor.
2008 dann (nach der Veröffentlichung von Iron Man) änderte sich das alles. Marvel beschloss, keine Lizenzen für einzelne Figuren mehr an Studios zu vergeben, sondern lieber eigene Filme zu machen. Auf diese Weise konnte man ein größeres, miteinander verflochtenes Kinouniversum erschaffen (das mittlerweile Marvel Cinematic Universe oder kurz MCU heißt), in dem Figuren und Ereignisse sich überschneiden konnten. Etwas, was man im einen Film gesehen hatte, beeinflusste die Ereignisse im anderen. Und irgendwann sollte dies nicht nur auf Filme beschränkt bleiben, sondern auch das Fernsehen mitmischen.
Doch was hat das alles mit Magic zu tun? Interessanterweise eine ganze Menge, denn viele der Entscheidungen, die Marvel bei der Anpassung seines Comic-Universums an sein Kinouniversum zu treffen hat, ähneln denen, die wir zu treffen haben, wenn wir ein neues Set erschaffen. Insbesondere bedeutet es, von vergangenen Entscheidungen abzurücken und Regeln, die seit Jahren existieren, herzunehmen und zu brechen. In der heutigen Kolumne schaue ich mir sowohl das MCU als auch Magic an und spreche darüber, wann und warum Marvel und Wizards ihre eigenen Regeln brechen.
Grund 1: Man muss innovativ sein
Eines der wichtigen Dinge beim kreativen Prozess ist, dass man genügend Raum braucht, in dem Dinge geschehen dürfen. Große Kunst entsteht oft dann, wenn man dem Werk selbst erlaubt, den Künstler in neue Richtungen zu leiten – oft an Orte, die man noch nie zuvor erkundet hat. Arbeitet man mit Material, das viele Jahre alt ist, sorgt dies oft für Inkonsistenzen, bei denen etwas Neues nicht unbedingt mit dem bereits vorhandenen Material übereinstimmt.
In diesem Fall ist es wichtig, sich zu vergewissern, dass dieses Neue zu dem passt, wie sich das Alte anfühlte. Im Fall des MCU: Passt die Figur oder das Objekt oder das Ereignis vom Ton her zu der Weise, wie es in den Comics gezeigt wurde? Würde einem Comicfan, der es in einem Film sieht, gefallen, wie die Essenz dessen, was es im Comic funktionieren ließ, eingefangen wurde? Im Fall von Magic: Fängt diese neue Karte oder Mechanik oder dieses Motiv die Essenz der Spielerfahrung vergangener Sets ein? Es ist okay, neue Elemente einzuführen, solange diese Elemente zusammenkommen, um etwas zu erschaffen, was an das erinnert, wodurch sie inspiriert wurden. Lasst mich euch ein paar Beispiele geben:
Beim Schreiben von Avengers: Age of Ultron hatte der Autor und Regisseur Joss Whedon eine interessante Idee. Was, wenn einer der Avengers ein Geheimnis hatte? Was, wenn es sich bei ihm um eine ganz normale Person handelte, die enger mit der Welt verbunden war, als es die Avengers typischerweise waren? Diese Idee führte dazu, dass Joss Hawkeye eine Familie gab, die er vor den anderen geheim hielt. Er hatte ein normales Leben und Kinder, die er auf einer abgelegenen Farm versteckte.
Und hier liegt das Problem: In den Comics hatte Hawkeye nie eine Familie. (Okay, für die Comic-Nerds: Technisch gesehen hatte er im Ultimate-Universum eine, doch die starb zwei Sekunden, nachdem sie eingeführt worden war.) Er war verheiratet, aber mit einer anderen Superheldin (Mockingbird – ja, genau, Bobbi Morse aus Marvel‘s Agents of S.H.I.E.L.D.) – und das ging nicht gut aus. Ihm jetzt eine Familie zu geben, brach mit sämtlicher Vorstellung von Kontinuität.
Doch es passte zur Figur. Hawkeye war schon immer ein Superheld, der stärker mit der Menschheit verbunden war. Er hat keine Superkräfte, und der durchschnittliche Leser kann sich besser mit ihm identifizieren. Es war zwar inkonsistent zu den Comics, dass er eine Familie haben sollte, aber nicht zu seinem Charakter.
Mein Beispiel für Magic ist die Karte Form des Drachens aus Plagen:
Eine der Fähigkeiten der Karte lautet: „Nichtfliegende Kreaturen können dich nicht angreifen.“ Diese Fähigkeit ist durch die Karte Moat, eine monoweiße Verzauberung aus Legends, berühmt geworden. Sie ist allerdings keineswegs eine rote Fähigkeit. Was also hat sie auf dieser Karte zu suchen? Der Chefdesigner von Plagen Brian Tinsman erschuf Form des Drachens als Top-down-Design. Ihr als Zauberer selbst verwandelt euch in einen Drachen. Der einzige Grund, aus dem ihr nur von fliegenden Kreaturen angegriffen werden könnt, ist, dass ihr selbst fliegt – denn ihr seid ja nun ein Drache!
Das Flair der Karte insgesamt war ausgesprochen rot, weshalb Brian gewillt war, eine nicht-rote Fähigkeit darauf zuzulassen. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Fähigkeit keine Schwächen von Rot unterlief. Als Farbe ist Rot mehr als fähig, mit Bodenkreaturen fertigzuwerden. Daher verschob sich die Farbpalette auch nicht auf irgendeine ungewollte Art und Weise.
In beiden Fällen wurde der Bruch vollzogen, weil dies dem Schöpfer erlaubte, etwas zu tun, was das Wesen der Figur oder der Farbe noch unterstrich, selbst wenn dies auf unorthodoxe Weise geschah. Hawkeye war noch immer Hawkeye und Rot immer noch sehr rot.
Grund 2: Man muss neue Motive verstärken
Ein wichtiger Teil eines jeden kreativen Unterfangens ist es, genau zu erkennen, was eigentlich das Hauptmotiv ist und dann dafür zu sorgen, dass dieses Motiv auch ausreichend Ausdruck findet. Dies kann oft dazu führen, dass man mit der Vergangenheit brechen muss, wenn das neue Motiv etwas ist, was man vorher oder auch im aktuellen Kontext noch nie erkundet hat.
Ein gutes Beispiel hierfür aus dem MCU ist der Film Doctor Strange, der letzten Monat herauskam. In diesem Film freundet sich Stephen Strange mit einem anderen Schüler der Ältesten namens Karl Mordo an. Die beiden kämpfen einen Großteil des Films auf der gleichen Seite, bis sich Mordo zum Ende des Films hin gegen Strange wendet. Der in den Comics als Baron Mordo bekannte Mordo war nie ein Freund von Doctor Strange. Er tauchte schon im zweiten Comic auf, das sich je mit dem Doctor befasst hatte, und die beiden waren von Beginn an erbitterte Gegner.
Die Autoren und der Regisseur des Films waren jedoch daran interessiert, eine komplexere Beziehung zwischen den beiden Figuren zu erschaffen. Dass sie Mordo als einen Schüler mit einem sehr strengen Moralkodex darstellten, konnten sie zur Erzeugung eines Konflikts mit Strange nutzen, der eher gewillt war, moralische Grauzonen auszuloten. Auch erlaubte dies den beiden, ein Band zwischen sich zu knüpfen, das ihrer Beziehung in späteren Filmen zu einem erweiterten Kontext und mehr Pathos verhelfen kann. Kurz gesagt war man gewillt, eine Figur aus den Comics komplett umzumodeln, um neue Motive einzuführen.
Mein Beispiel für Magic stammt aus der Erweiterung Das neue Phyrexia. Im Die Narben von Mirrodin-Block ging es um einen Krieg zwischen den Mirranern und den Phyrexianern, wobei das letzte Set den Ausgang dieses Krieges zeigte. Die Spieler konnten den Sieger im Vorfeld nicht kennen, da wir eigens zwei mögliche Namen für das dritte Set veröffentlicht hatten.
Beim Design des Sets wollten wir unbedingt, dass es rüberbrachte, wie sehr sich die Welt durch die Eroberung durch die Phyrexianer verändert hatte. Dazu erkundeten wir Mechaniken, die ein Gespür dafür vermitteln sollten, wie toxisch die Welt geworden war. Eine Sache, die wir ausprobierten, war, Zeilen auf Zaubern zu haben, durch die der Gegner Lebenspunkte verlor. Normalerweise erlauben wir den Verlust von Lebenspunkten nur in Schwarz und Direktschaden gegen Spieler nur in Rot. Das war also nichts, was Weiß, Blau und Grün üblicherweise taten, doch es erlaubte uns, das Spielgefühl, das uns vorschwebte, mit nur wenigen Worten zu vermitteln.
Wie auch bei der Form des Drachens achteten wir darauf, die Schwächen einer Farbe nicht zu untergraben. Wir beschlossen, dass Schaden etwas recht Universelles war und wir das gewünschte Flair erzeugen konnten, wenn wir den Lebenspunkteverlust auf kleine Werte begrenzten, ohne dabei dem Spiel auf lange Sicht zu schaden. Wir machten hier offenkundig etwas, was wir sonst nicht tun, doch es geschah behutsam genug, um dem Set ein ganz eigenes Spielgefühl mitzugeben.
Bei beiden Beispielen vollzog sich eine Abkehr von der Vergangenheit, um das wichtigere Motiv des Gesamtwerks hervorzuheben. In beiden Fällen wurde sie umsichtig und mit Blick darauf durchgeführt, was die Veränderung für die Zukunft des Produkts bedeuten würde.
Grund 3: Die Vergangenheit ist zu verworren
Es birgt viele Vorteile, Teil eines größeren Ganzen mit einer langen Vergangenheit zu sein. Die Marvel-Comics in der Form, wie wir sie heute kennen, gaben ihr Debüt 1961 mit der Veröffentlichung von The Fantastic Four #1. Magic gibt es seit 1993. Jeder, der an einem der beiden Systeme arbeitet, kann auf das Material vieler Jahre zurückgreifen. Meist ist das eine gute Sache, doch manchmal wird die Vergangenheit zu verworren, sodass der Künstler sich gezwungen sieht, gewisse Änderungen vorzunehmen.
Für das Beispiel aus dem MCU kehre ich zu Avengers: Age of Ultron zurück. Der zweite Avengers-Film führte Ultron ein, einen Superschurken-Roboter, der von einer künstlichen Intelligenz gesteuert wird, die bei dem Versuch, die Welt nach ihrem Vorbild neu zu gestalten, dem Bösen verfallen war. In den Comics war Ultron die Schöpfung des Wissenschaftlers Hank Pym, der am besten als der Superheld Ant-Man, einer der Gründer der Avengers, bekannt ist. Das Problem war jedoch, dass Hank Pym zu diesem Zeitpunkt noch nicht im MCU aufgetaucht war – das sollte erst später im Film Ant-Man geschehen, wo er von Michael Douglas gespielt wurde. Es gab keine einfache Möglichkeit, ihn zum Erfinder von Ultron zu machen.
Weiterhin wollte Joss Whedon, dass Ultron direkt mit den Avengers verknüpft sein sollte. Es ist einfach besser für die Geschichte, wenn der Bösewicht eine Verbindung zu einem oder mehreren der Helden hat. Daher beschloss er, Ultron zu einer Schöpfung von Tony Stark anstatt von Hank Pym zu machen. Tony Stark ist ein Erfinder, der häufig impulsiv handelt, wodurch der Wechsel von einem narrativen Standpunkt aus betrachtet sehr glaubwürdig erscheint. Es war ein klarer Bruch mit den Comics, der jedoch zu einer saubereren, einfacheren Geschichte führte.
Mein Beispiel für Magic liegt schon ziemlich weit zurück. Damals hatte jede Farbe außer Blau Zauber, um Artefakte zu zerstören (obwohl der für Schwarz ziemlich schwach war). Die effizienteste Methode war jedoch diese Karte:
Die Entzauberung war damals der effektivste Weg, Artefakte und Verzauberungen zu zerstören. Ein paar Jahre später hatte ich mir das Mammutprojekt vorgenommen, die Farbpalette ausgiebig auf ihre Mechaniken hin zu untersuchen. Eines der Dinge, die ich dabei in Augenschein nahm, waren die zahlreichen Konflikte zwischen den verfeindeten Farben. (Ich habe mich letzten Monat ein bisschen zum Thema Farbkonflikte geäußert.) Als ich mir den grün-blauen Konflikt ansah, erkannte ich, dass einer der Kernkonflikte zwischen den Farben der zwischen künstlich Hergestelltem und natürlich Entstandenem war. Blau liebte es, Dinge zu erschaffen, die es brauchte. Grün hingegen schätzte Dinge aus der Natur, die nicht von Menschenhand erschaffen worden waren, deutlich mehr.
Je mehr ich über diesen Konflikt nachdachte, desto klarer erkannte ich, dass er die Beziehung von Grün und Blau zu Artefakten definierte. Blau liebt Artefakte und sollte daher die Farbe sein, die ihnen am stärksten zugetan ist. Grün indes hasst Artefakte (auch wenn es ein paar natürliche gibt, die es mag) und sollte daher die Farbe sein, die sie am leichtesten zerstören kann. Fügt man hier den Konflikt „Illusion vs. Wirklichkeit“ zwischen Grün und Blau hinzu, so erkennt man, dass Grün die Farbe sein sollte, die sich auf die Vernichtung unnatürlicher Dinge konzentriert – und zwar nicht nur auf Artefakte, sondern genauso auf Verzauberungen.
Ich fand schon immer, dass Artefaktzerstörung ein bisschen zu breit über die Farbpalette verstreut war, doch meine nähere Betrachtung selbiger zeigte mir unmissverständlich auf, dass der zentrale Zauber zur Zerstörung von Artefakten und Verzauberungen in der falschen Farbe gelandet war. Die Fähigkeit, Artefakte und Verzauberungen am effektivsten zu vernichten, sollte nicht Weiß, sondern Grün zufallen. Ich beschloss daher, mit dem Status quo zu brechen und Grün federführend bei der Artefaktzerstörung zu machen, gefolgt von Rot (Rot liebt es, Artefakte zu zerschmettern) und dann erst Weiß. Dazu mussten wir die Effizienz der Artefaktzerstörung in Weiß sowohl hinsichtlich der Manakosten als auch in Bezug auf die Häufigkeit etwas herunterschrauben.
In beiden Fällen erforderte die Planung dessen, was für die Zukunft am meisten Sinn ergab, einen Blick auf das Vergangene und das Neubewerten früherer Entscheidungen. Manchmal muss man die Regeln brechen, weil man bei näherer Betrachtung erkennt, dass die Regeln nicht richtig aufgestellt worden sind.
Grund 4: Das System ist veraltet
Ein weiteres Nebenprodukt eines älteren Systems ist die gelegentlich eintretende Erkenntnis, dass sich die Dinge geändert haben und frühere Entscheidungen nicht mehr so gut greifen wie ehedem.
Mein MCU-Beispiel hierfür führt uns zum ersten Iron Man-Film. Der Film beginnt damit, wie Tony Stark zum ersten Mal eine Iron Man-Rüstung baut. Er ist in der Fremde gefangen und baut die Rüstung, um seinen Häschern zu entkommen. In den ursprünglichen Comics wird Tony während des Vietnamkrieges in Vietnam gefangen gehalten. Der neue Film sollte jedoch etwas stärker in der Gegenwart (bzw. 2008) angesiedelt sein. Dementsprechend funktionierte der Vietnamkrieg nicht mehr. Der Film beschloss daher, die Ursprungsgeschichte für Iron Man in Afghanistan anzusiedeln. Diese Änderung beeinflusste das Grundkonzept der Geschichte nicht, machte sie aber für ein moderneres Publikum zugänglicher.
Mein Beispiel aus Magic führt uns erneut in die Anfangszeit des Spiels. Um die Allianzen und Feindschaften unter den Farben ins Spiel einfließen zu lassen, ermutigten frühe Sets stark dazu, verbündete Farben zusammen zu spielen. Es gab nur wenige Karten, die dazu aufriefen, verfeindete Farben zusammen zu spielen. Diese Philosophie begann, in die Doppelländer einzufließen, und es dauerte nicht lange, bevor es weitaus mehr Doppelländer verbündeter Farben als solche verfeindeter Farben gab.
Das blieb viele Jahre so, bis ich das Set Ravnica machte. Um ihm eine starke Identität zu verleihen, beschloss ich, die zehn Farbpaare in den Fokus zu rücken, und traf die Entscheidung, dass alle zehn gleich behandelt werden sollten – einschließlich Manafixing und Doppelländer. Angesichts der Beliebtheit dieses Blocks schaute die R&D sich unsere Philosophie zu den Doppelländern noch einmal genauer an und stellte fest, dass wir einen Fehler gemacht hatten. Die Allianzen/Feindschaften unter den Farben waren wichtig, aber weniger wichtig als eine große Vielfalt an Decks. Daher wurde beschlossen, dass verbündete Farben nicht länger stärker sein sollten, und wir begannen, Doppelländer in gleicher Anzahl zu veröffentlichen.
Wenn man an einem Produkt mit einer langen Vergangenheit arbeitet, muss man gewillt sein, die Anforderungen der Gegenwart zu erkennen und Dinge zu überarbeiten und anzupassen, auch wenn das bedeutet, frühere Entscheidungen zu revidieren.
Unterbrechung
Es ist spannend, dass ich sowohl die Marvel-Filme als auch die Marvel-Comics mag, obwohl sie sehr unterschiedliche Ansprüche haben. Wenn ich einen Film oder eine Fernsehserie aus dem Marvel-Universum sehe (über Letztere habe ich heute wenig gesprochen, aber auch hier leistet Marvel tolle Arbeit), bin ich von den Entscheidungen, die bei der Anpassung der Comicvorlage getroffen wurden, regelrecht fasziniert. Sie inspirieren mich dazu, mir bei der Erschaffung eines neuen Sets eine ähnliche Einstellung zuzulegen und darüber nachzudenken, wie ich Vergangenes anpasse, um die Zukunft von Magic zu gestalten. Ich möchte nie Regeln nur um des Regelbruchs willen brechen, aber ich will auch die Freiheit haben, sie dann zu brechen, wenn es das Beste für das Gesamtprodukt bedeutet.
Und damit schließt die heutige „Vermischtes“-Kolumne. Diese hier war etwas anders als meine vorherigen, weswegen ich mich schon ganz besonders auf eure Rückmeldungen dazu freue. Ihr könnt mir eine E-Mail schreiben oder mich über eines meiner Social-Media-Profile kontaktieren (Twitter, Tumblr, Google+ und Instagram).
Schaut auch nächste Woche wieder vorbei, wenn ich immergrüne Mechaniken in einem anderen Licht betrachte.
Möget ihr bis dahin aus den richtigen Gründen eine Regel brechen.
„Drive to Work #388 – Urza‘s Destiny, Part 2“
Dies ist Teil 2 einer vierteiligen Reihe über das Design von Urzas Schicksal.
„Drive to Work #389 – Urza‘s Destiny, Part 3“
Dies ist Teil 3 einer vierteiligen Reihe über das Design von Urzas Schicksal.
- Episode 387 Urza's Destiny, Part 1 (25.9 MB)
- Episode 386 Preview Season (25.4 MB)
- Episode 385 Council of Colors (24.9 MB)