Wertfindung
Stellt euch Folgendes vor:
Ihr seid in einem grünen Midrange-Spiegelspiel im Standard. Ihr spielt Weiß-Schwarz-Grün und der Gegner etwas, was zumindest mal ziemlich ähnlich aussieht.
Die Partie ging lange hin und her, und ihr habt recht ausgeglichen Ressourcen mit eurem Gegner abgetauscht. Ihr habt beide nichts auf der Hand und steht beide bei 16 Lebenspunkten. Es sind eine Menge Standardländer auf dem Tisch.
Ihr geht in euer Ziehsegment, nehmt die oberste Karte eurer Bibliothek auf die Hand und das hier starrt euch an:
Ihr habt einen Fürsprecher des Waldes auf eurem Friedhof als bestes Ziel, das euer Zusammentrommler zurückbringen könnte. Was tut ihr?
Sprechen wir darüber.
Wertfindung
Der Renegaten-Zusammentrommler ist eine von vielen Karten jener Art, die eine weitere Anforderung erfüllen müssen, um aus ihnen den „vollen Wert“ herauszuholen.
Sicher, er ist eine 3/2-Kreatur, aber deshalb tut man ihn nicht in ein Constructed-Deck. Man spielt ihn wegen des Rebellionseffekts.
Es gibt haufenweise Beispiele für Wertverlust in Magic. Ishkana ohne Delirium wirken. Blutiger Tauschhandel auf nur eine Kreatur. Sogar das Opfern eines Hinweis-Spielsteins, bevor man die Unermüdliche Spurensucherin ausgespielt hat. Ihr entscheidet euch in solchen Fällen, eine Karte zu nutzen, ehe sie ihren vollen Effekt entfalten kann.
Und trotzdem ist das manchmal die richtige Entscheidung! So sehr es auch Marshall Sutcliffe das Herz bricht (und mir im Grunde mit), ist es nicht immer der richtige Spielzug, auf den maximalen Wert zu warten.
Denkt daran: Der einzige Wert – die einzige Art von Vorteil –, der im kompetitiven Magic wirklich wichtig ist, ist nicht, wer die meisten Karten gezogen hat oder wer Tempovorteil hat oder wer die Hand des Gegners Karte für Karte die gesamte Partie über korrekt gelesen hat. Es geht schlicht und ergreifend um einen klaren Vorteil im Spiel. Alles andere ist nur ein Mittel zum Zweck. Wer gewinnen will, muss die Partie gewinnen.
Ich habe Partien gewonnen, indem ich vier meiner Kreaturen mit einer Feuermasse getötet, mit meiner einzigen Gossenratte geblockt und meinen eigenen Zauber neutralisiert habe. Wenn es euch dem Sieg näher bringt (und es auf dem Board was nutzt), dann macht es einfach.
Okay. So. Die Frage, die sich stellt, ist diese: Solltet ihr den Zusammentrommler jetzt spielen und die Lebenspunkte des Gegners angreifen, oder solltet ihr warten und versuchen, Rebellion auszulösen, um diese riesige Fürsprecherin zurück ins Feld zu führen?
Es gibt drei wichtige Dinge, die ich mir in einer solchen Situation ansehe. Gehen wir sie durch!
Risiko vs. Nutzen
Die erste Frage, die ich mir in derlei Szenarien stelle, lautet: Wie ist das Verhältnis von Risiko zu Nutzen? Ihr seid beide bei 6 Lebenspunkten. Wie sieht das jeweilige Risiko aus?
Spielt ihr den Zusammentrommler jetzt, kann es sein, dass der Gegner zwei Runden lang nur Länder zieht und ihr die Partie einfach gewinnt – so simpel kann das sein.
Vielleicht könnt ihr drei Schaden durchbringen und er findet danach eine Kreatur. Dann war es trotzdem immer noch effektiv. Es heißt auch, dass der Gegner es nicht langsam angehen lassen kann: Gerät der Gegner in eine ähnliche Lage, kann er seinen Zusammentrommler nicht zurückhalten. Er muss ihn spielen, um euren zu blocken.
Doch dann ist da noch das Risiko. Zieht er etwas, was euer Zusammentrommler nicht angreifen kann, oder einen Entfernungszauber, habt ihr diesen zukünftigen Fürsprecher des Waldes gewissermaßen „weggeworfen“. Und den könntet ihr eventuell brauchen, um noch eine Chance zu haben. Zieht der Gegner in seiner Runde beispielsweise einen Fürsprecher, dann ist der Zusammentrommler nur ein kleines Hindernis auf seinem Weg, euch den Garaus zu machen.
Und dann ist da noch die andere Seite der Medaille.
Der Vorteil, diesen Fürsprecher zu bekommen, ist gewaltig. Wenn die Partie weiter so hin und her geht, besteht eine große Chance, dass ihr diesen Zusammentrommler irgendwann aktivieren könnt. Und das sorgt für eine Art von Unvermeidbarkeit, die in dieser langen Partie entscheidend sein könnte.
Der Nachteil ist natürlich, dass es keine Garantie dafür gibt, diesen Aktivator für Rebellion tatsächlich zu finden. Ihr könntet in den nächsten paar Runden einfach nur Länder ziehen.
Schlimmer noch: Eure Lebenspunkte sind ziemlich niedrig. Zieht der Gegner eine Bedrohung, könntet ihr gezwungen sein, den Zusammentrommler defensiv zu spielen. Und das drängt euch in die Ecke. Anstatt dass ihr proaktiv Abtausche anbietet, könnte der Gegner einen Entfernungszauber für eure Kreatur finden, bevor ihr zum Blocken in der Lage seid ... und so weiter.
Versucht in Situationen wie diesen, das Risiko und den Nutzen eurer Optionen gegeneinander aufzuwiegen. Was bringt euch dem Sieg am nächsten?
Manchmal ist bei dieser Methode die Antwort leichter, als man meinen mag. Manchmal ist sie so einfach wie: „Wenn ich Ishkanah nicht sofort spiele, um zu blocken, werde ich verlieren.“ Und wenn diese eine Kreatur so wertvoll ist wie drei andere, spiele ich sehr gern Blutiger Tauschhandel – besonders dann, wenn der Gegner ohnehin schon vermutet, dass ich den Tauschhandel habe, und versucht, darum herum zu spielen.
Okay, ihr könnt also die Vor- und Nachteile einer jeden Entscheidung abschätzen. Wie wäre es nun mit etwas Kontext?
Euer Kontext
Um hier eine fundierte Entscheidung treffen zu können, solltet ihr darüber nachdenken, was ihr über euer eigenes Deck und den Zustand des Boards wisst.
Nehmt euch einen Augenblick Zeit. Geht euren Friedhof durch. Denkt darüber nach, was ihr habt und was ihr übrig habt.
In dieser Situation wollt ihr im Allgemeinen den Zusammentrommler dann spielen, wenn es unwahrscheinlich ist, dass ihr eine andere Möglichkeit findet, ihn auszulösen. Habt ihr in 30 Karten zum Beispiel nur noch drei Möglichkeiten dazu übrig, würde ich diese 1:10-Chance nicht riskieren, es sei denn, es ist damit zu rechnen, dass die Partie noch sehr viel länger dauert.
Auch das Gegenteil ist wahr. Ist es ausgesprochen wahrscheinlich, dass ihr diesen Aktivator findet, macht es mehr Sinn, darauf zu warten.
Wie viele Länder habt ihr noch im Deck, die ihr ziehen könntet?
Welche anderen Bedrohungen könnt ihr noch finden?
Falls es euch gelingt, auch nur drei Schaden durchzubringen, ehe der Gegner sich wehrt, habt ihr dann etwas anderes (wie etwa einen Direktschadenzauber oder eine Kreatur mit Eile), was leicht 3 Schaden macht und für Unvermeidbarkeit sorgt, oder müsst ihr darauf bauen, weitere Kreaturen zu ziehen?
Dies ist die Art von Frage, die ihr an euer eigenes Deck stellen müsst.
Und wären die Lebenspunkte anders, wäre auch die Diskussion in dieser Situation eine völlig andere. Ist der Gegner bei 3, würde ich ihn auf jeden Fall durch einen Angriff bedrohen. Ist er bei 20, würde ich meinen Zusammentrommler zurückhalten.
Kontext ist wichtig ...
Der Kontext des Gegners
... und zwar nicht für euer Deck: Auch für das des Gegners!
Was wisst ihr darüber, was er haben könnte? An diesem Punkt schaue ich mir seinen Friedhof an und denke darüber nach, was er in dieser Partie schon alles gespielt hat.
Hat er irgendeine Art von Unvermeidbarkeit im Deck, durch die ich verliere, wenn er sie zieht? Wenn ihr beispielsweise wisst, dass er Planeswalker wie Sorin hat, ist es an euch, die Partie schnellstmöglich durch eure Angriffe zu beenden. (Im Gegensatz zum umgekehrten Fall, wo es in Ordnung ist, die Partie sich noch einige Runden lang hinziehen zu lassen.)
Hat er etwas im Deck, um Karten abwerfen zu lassen? In diesem Fall ist es schwächer, Karten auf der Hand zu behalten.
Welche Karten hat er in dieser Partie schon verbraucht? Wovon hat er nicht so viel gezogen? Wenn ihr wisst, dass er eine Menge Entfernungszauber hat, ihr aber nur einen davon gesehen habt, ist es wahrscheinlich, dass er einen nachzieht.
Ebenso entscheidend wie das Wissen um das, was er vielleicht ziehen oder versuchen wird, ist das Wissen darum, was er vorhat. Zu verstehen, wie dringend ihr die Partie beenden müsst, wird eure Entscheidung in Sachen Spielzüge sinnvoll untermauern.
Angemessener Wert
Aggressiv oder defensiv? Hoffnungsvoll oder pessimistisch? Sicher oder gierig? Habt ihr schon entschieden, was ihr tut?
Nun, wie die beiden Absätze über den Kontext zeigen, haben wir nicht alle Informationen. Es kann in die eine oder in die andere Richtung gehen.
Ich? Ich würde den Zusammentrommler wahrscheinlich spielen. Es ist der aggressivere Spielzug, doch im Grunde bedeutet er: Wenn der Gegner seine beiden nächsten Male unglücklich zieht, gewinnt ihr. Und ihr könnt immer noch selbst jede Menge hilfreicher Sachen ziehen, falls der Gegner gut zieht. Er könnte eine Kreatur ziehen, ihr einen Entfernungszauber – und so weiter.
Aber was glaubt ihr? Was würdet ihr tun? Lasst es mich wissen, indem ihr mir einen Tweet oder eine Nachricht auf Tumblr schickt, auf Reddit postet, ein Schild auf der Autobahn um Seattle aufstellt oder auf irgendeine andere Art meine Aufmerksamkeit auf euch zieht.
Nächste Woche bin ich wieder da. Möget ihr Wert an all den richtigen Stellen finden – und viel Spaß mit Äther-Rebellion haben.