Die Erfindung des Fliegens
Fliegen. Eine der am tiefsten in Magic verwurzelten Mechaniken. Sie war in jedem einzelnen Set. Man könnte sagen, sie ist eine der besten Mechaniken, die je gemacht wurden – einfach, stimmungsvoll und dem Spielerlebnis mehr als zuträglich.
Es ist eine Ausweichmechanik, das heißt, sie hilft dabei, Kreaturen durchkommen zu lassen. Und oft wird sie als selbstverständlich hingenommen, eben weil es sich bei ihr um eine derart alteingesessene, immergrüne Mechanik handelt, die seit der Entstehung von Magic überall präsent ist.
Fliegen hat jedoch wie jede andere Mechanik ihre eigenen Tricks und ihre eigenen Anforderungen, über die es in der Praxis nachzudenken gilt.
Wie viel Einfluss hat ein Flieger im Deck? Wie viel Bedeutung sollte man einem Flieger im Spiel beimessen?
Schauen wir uns diese Fragen heute einmal an.
Flugschule
Im Grunde ist Fliegen eine Möglichkeit, sicherzugehen, dass eure Kreaturen dem Gegner Schaden zufügen oder die gegnerischen fliegenden Kreaturen blocken können. Das bedeutet, dass der Wert einer fliegenden Kreatur mehr vom Deck des Gegners als vom eigenen abhängt.
Nehmen wir als extremes Beispiel mal an, ihr spielt gegen ein Paradoxon-Antrieb-Kombodeck, in dem überhaupt keine Kreaturen vorkommen.
Tja, hier ist Fliegen vollkommen bedeutungslos! Wenn euer Gegner nie eine Kreatur spielt, wird er auch nie blocken. Diese Philosophie lässt sich auf die meisten Kontrolldecks anwenden, in denen es in der Regel nur sehr wenig Kreaturen gibt.
Aber Fliegen ist nicht nur schwach gegen kreaturenarme Decks. Gegen jedes aggressive Deck, das versucht, euch schnell zu töten – ein rotes „Sligh“-Deck etwa mit jeder Menge billiger Kreaturen für ein oder zwei Mana –, wird Fliegen wenig ausrichten können. (Es sei denn, es hat Flieger zum Blocken!) Habt ihr diese Art von Deck erst einmal in eine Position gedrängt, in der es eure angreifenden Kreaturen blockt, gewinnt ihr wahrscheinlich sowieso.
Okay, also wann ist Fliegen dann eigentlich tatsächlich gut? Nun, am meisten kann es glänzen, wenn beide Spieler eine Menge Kreaturen spielen und das Board dazu neigt, blockiert zu werden. Auch gegen Planeswalker kann es viel ausrichten.
Aus diesem Grund ist Fliegen toll in aggressiven Decks, um weiter Schaden durchzudrücken, wenn das Board voll ist. Das Gleiche gilt in Midrangedecks, wo es für eine Möglichkeit sorgt, durchzukommen, wenn das Board gegen anderen Midrangedecks blockiert ist.
Sagen wir, es gibt zwei ähnliche Karten, die ihr für euer Deck in Erwägung zieht. Nehmen wir diese beiden als Beispiel:
Wenn ihr nur eine spielen könnt, müsst ihr euch wirklich fragen, wie wichtig Fliegen ist. Immerhin kann das eine Mana große Bedeutung haben! Ihr solltet über das Metagame (also gegen welche Decks ihr wahrscheinlich antreten werdet) und über die Art eures eigenen Decks nachdenken.
Falls ihr sehr aggressiv seid, wollt ihr wahrscheinlich lieber die Karte für zwei Mana. Seid ihr eher ein Midrangedeck, bevorzugt ihr vielleicht die langsamere Kreatur, die aber durchbrechen und gegnerische Flieger blocken kann.
Das sind die Gedanken, die beim Abschätzen der Nützlichkeit von Fliegen beim Deckbau am Anfang im Vordergrund stehen sollten.
Auch im Draft werdet ihr immer und immer wieder vor dieser Entscheidung stehen – und hier ist es sehr wichtig, euer Deck zu kennen. Im Allgemeinen ist Fliegen im Limited sehr stark, denn da hat jeder einen Haufen Kreaturen und das Board ist schnell blockiert. (Und nicht zu vergessen: Ihr braucht natürlich auch Antworten auf die fliegenden Kreaturen des Gegners.)
Doch das bedeutet nicht, immer den Flieger zu nehmen. In einem aggressiven Draftdeck wollt ihr wahrscheinlich lieber eine gute Bodenkreatur für zwei Mana als den 2/2-Flieger für vier Mana. Zu wissen, was euer Deck braucht – und was üblicherweise im betreffenden Format so passiert –, bringt euch dem Sieg schon näher.
Feindliche Luftschiffe
Hier ist eine Situation, auf die ihr im Limited in zahlreichen Varianten treffen werdet.
Euer Gegner hat einen 2/2-Flieger und eine Bodenkreatur mit 4/4. Ihr habt einen Mord, den ihr ausspielen wollt. Was solltet ihr töten?
Nun, wie ihr sicher schon erraten habt, hängt die Antwort vom Kontext ab.
Dauert die Partie lange, dann wird dieser Flieger zum Problem, sofern ihr nicht mit ihm fertigwerdet.
Die Frage, die ihr euch stellen solltet, ist daher dreigeteilt: Wie stark ist die unmittelbare Bedrohung durch den 4/4er, wie lange dauert es, bis ich mit einem von beiden fertigwerde, und wer ist hier der aggressive Spieler?
Schätzen wir zuerst die unmittelbare Bedrohung ein.
Um ein einfaches Beispiel zu verwenden: Wenn ihr bei 4 Lebenspunkten seid und beide Kreaturen euch angreifen, solltet ihr diesen Mord lieber auf die 4/4er wirken. Ja, ihr werdet wahrscheinlich durch den Flieger sterben, wenn ihr keine Antwort zieht – aber ihr werdet auf jeden Fall sterben, wenn ihr die Kreatur mit Stärke 4 nicht tötet.
Um diese Antwort weiter auszuführen: Jeder Treffer dieses 4/4ers entspricht zwei Treffern durch die 2/2-Kreatur. Seid ihr also bei 8, verschafft euch das Töten der 4/4-Kreatur drei weitere Runden, um auch die 2/2-Kreatur zu töten, anstatt nur eine und so weiter. Vorausdenken wird euch eine Menge darüber verraten, wer hier der bedrohlichere Feind ist.
Als Nächstes kommt: Wie lange dauert es, bis ich mit jeder Kreatur fertigwerden kann?
Habt ihr keine Kreaturen, aber euer nächster Spielzug ist eine Katakombenschnecke, wird dieser 4/4er sehr schnell bedeutungslos. Habt ihr andererseits ein Wolkenelementar, werdet ihr zwar mit dem Flieger fertig, nicht aber mit dem 4/4er.
Generell gilt: Je länger die Partie dauert, desto größer wird das Problem, das der Flieger aufwirft, indem er an anderen Kreaturen vorbeikommt. Es ist wesentlich einfacher, den Boden abzuriegeln und den 4/4er rechtzeitig totzublocken. Seid ihr bei 20 Lebenspunkten und beide Kreaturen greifen an und ihr wollt tatsächlich eine davon ermorden, dann ist der Windsceada auf lange Sicht deutlich gefährlicher.
Und zu guter Letzt haben wir noch diese Frage: Wer ist der aggressive Spieler?
Bislang sind wir davon ausgegangen, dass der Gegner euch angreift, aber das ist vielleicht gar nicht der Fall. Sagen wir, er hält sich eher zurück. In diesem Fall wollt ihr den Mord vermutlich aggressiv einsetzen, denn ihr wollt ja Schaden durchbringen.
Letztendlich kommt es einfach darauf an, welche Kreaturen ihr habt. Habt ihr einen eigenen Flieger, der durchkommen soll, solltet ihr den gegnerischen Flieger loswerden. Im Allgemeinen sind Flieger schlechter beim Blocken, weswegen es ratsam ist, euch erst der großen Bodenkreatur zu entledigen und einfach vorbeizuziehen!
So könnt ihr also die Relevanz der Flieger eures Gegners einschätzen. Wie aber bewertet ihr eure eigenen, wenn sie beispielsweise einen Abtausch im Kampf ermöglichen? Ihr stellt euch einfach die gleichen Fragen und beantwortet sie unter umgekehrten Vorzeichen!
Wie stark ist die Bedrohung durch diesen Flieger für euren Gegner? Welche anderen Möglichkeiten hat er, darauf zu antworten, und wie lange wird diese Partie dauern? Greift ihr aktiv damit an oder spielt ihr ohnehin defensiv?
Über diese Kernfragen nachzudenken, sollte euch in die richtige Richtung führen, wenn ihr versucht, die Stärke eines Fliegers einzuschätzen.
Flugschein
Und damit ist unser Blick aufs Fliegen auch schon beendet! Ich hoffe, ihr könnt euch nun so sicher in die Lüfte schwingen wie die stolzesten Adler.
Falls euch dieser ausführliche Blick auf eine Mechanik gefallen hat (oder auch nicht), dann würde ich gern von euch hören. Es gibt eine ganze Reihe immergrüner Mechaniken, über die ich ähnliche Artikel schreiben könnte, wenn ihr den hier mochtet – aber eure Rückmeldungen sind entscheidend für die weitere Auswahl solcher Themen!
Lasst es mich wissen, indem ihr mir eine Nachricht auf Twitter oder Tumblr schickt oder mir eine E-Mail auf Englisch an BeyondBasicsMagic@gmail.com schreibt.
Wir sehen uns nächste Woche! Bis dahin!