Letzte Woche haben wir uns die Sonnenseite des Lebens betrachtet: den Lebenspunktegewinn.

Wir sprachen darüber, wann es sich lohnt, Karten zu spielen, die für Lebenspunkte sorgen, welches ihre Stärken sind und in welchen Paarungen sie gut oder schlecht dastehen.

Dieses Gesamtbild ist allerdings nicht vollständig, ohne dass wir uns auch vorsichtig in die trüben Gewässer des Lebenspunkteverlusts wagen. Es ist ein Eintauchen in eine Welt aus Karten, die von dir fordern, dass du für ihre Effekte mit deinem Leben bezahlst. Wann lohnen sich diese Karten?

Also haltet die Luft an und streift eure Taucherbrillen über, denn wir stürzen uns jetzt ins Vergnügen!

In Magic beginnt man mit den Karten auf der Hand und in der Bibliothek als Ressourcen. Dies sind die Mittel, die euch helfen, die Partie zu gewinnen.

Es gibt jedoch noch eine andere entscheidende Ressource, die euch zur Verfügung steht: eure Lebenspunkte.

Es ist leicht, Lebenspunkte nur als eine Methode anzusehen, um festzustellen, wer gerade gewinnt und wer gerade verliert. Einfach nur als eine schlichte Maßeinheit. Doch Lebenspunkte sind weitaus mehr als das: Eure Lebenspunkte sind eine Ressource.

Spielt ihr ein langsames Kontrolldeck oder ein Kombodeck, sind eure Lebenspunkte wahrscheinlich ein Ressourcenpuffer gegen das Aggrodeck auf der anderen Seite des Tisches. Ihr könnt ein paar Treffer durch Kreaturen wegstecken, weil ihr jede Menge Lebenspunkte habt, und diese Punkte sind eine Ressource.

Gleichermaßen könnt ihr sie nutzen, um eure Zauber zu wirken und eure Chancen auf den Sieg zu verbessern.

Schauen wir uns eine Karte an, die während ihrer Zeit im Standard häufig gespielt wurde:

Schmerzerfüllte Auslöschung wird fast alles für nur drei Mana los! Das ist ein toller Preis, wenn man bedenkt, dass sie Planeswalker, Kreaturen und Verzauberungen ins Exil schickt.

Die Kosten abseits des Manas sind natürlich die drei Lebenspunkte, die ihr außerdem noch dafür ausgeben müsst. Ihr wollt sicherlich nicht immer und immer wieder drei Lebenspunkte verlieren – euer Leben ist zwar eine Ressource, aber ihr müsst euch natürlich schon fragen, ob diese Karte wirklich besser ist als ein anderer Entfernungszauber.

Aber ja, sie ist eben doch ziemlich stark. Und warum ist das so?

Gehen wir der Sache mal auf den Grund.

Nur ein Leben

Ich weiß nicht, wer das zuerst gesagt oder welcher eifrige Magic-Gelehrte es in den Geschichtsbüchern des Spiels festgehalten hat, doch es gibt eine Redewendung, die entscheidend dabei hilft, in vielerlei Hinsicht ein tieferes Verständnis für Magic zu entwickeln.

Wenn es nur eine Sache geben sollte, die ihr aus diesem Artikel mitnehmt, dann bitte die hier: Der einzige Lebenspunkt, auf den es bei Magic wirklich ankommt, ist der letzte.

Ganz recht. Die ersten 19 Lebenspunkte? Die sind – wie oben schon beschrieben – nur eine Ressource. Sie sind Schilde, die euch vor dem Speer durchs Herz schützen, euren allerletzten Lebenspunkt zu verlieren. Es ist okay, sie einzubüßen.

Es ist auch leicht, reflexartig zu erwidern: „Aber ich will kein Leben verlieren!“ Oftmals beugt jedoch das kurzfristige Bezahlen von Lebenspunkten einem langfristigen Lebenspunkteverlust vor.

Kommen wir zurück zur Schmerzerfüllten Auslöschung.

Hat der Gegner eine 5//5-Kreatur, die euch gleich zu erwischen droht, und ihr nehmt die Schmerzerfüllte Auslöschung, um sie loszuwerden, dann habt ihr auf diese Art bereits Lebenspunkte gutgemacht.

Es stimmt zwar, dass ihr auch einen anderen Entfernungszauber hättet verwenden können, durch den euch keine drei Lebenspunkte verlustig gegangen wären – doch das, wofür ihr hier bezahlt, ist Flexibilität. Was, wenn diese 5/5-Kreatur stattdessen eine Chandra, Fackel des Widerstands wäre? Ihr würdet zwar drei Leben verlieren, aber auf andere Weise gar nicht erst mit ihr fertigwerden.

Denkt daran: Eure Lebenspunkte sind eine Ressource, und der einzige, der zählt, ist der letzte. Wenn ihr die Schmerzerfüllte Auslöschung nutzt, so bedeutet dies, dass ihr wahrscheinlich nicht in einer Situation seid, in denen diese drei Lebenspunkte eine große Rolle spielen. Selbst wenn ihr verliert, fallen diese Kosten nicht sehr ins Gewicht (sofern ihr nicht um 3 Lebenspunkte oder weniger den Kürzeren zieht).

Oder zumindest in den meisten Fällen.

Tod durch Mathe

Wie stark die Bezahlung in Lebenspunkten ins Gewicht fällt, hängt davon ab, wie viel ihr bezahlt und in welcher Phase der Partie ihr gerade seid.

Schaut ihr euch beispielsweise die Fetchländer wie etwa den Gefluteten Strand und die Blühenden Katakomben an – berühmte Karten aus älteren Formaten –, werdet ihr feststellen, dass sie alle einen Lebenspunkt von euch fordern, wenn ihr sie verwenden wollt. Und dennoch waren die Decks voll davon. Und warum ist das so?

Bezahlt man für etwas nur einen Lebenspunkt, so ist es praktisch kostenlos. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Lebenspunkt den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmacht, ist sehr gering. Oft werdet ihr ungeachtet dieses einen Punkts gewinnen oder verlieren.

Weiterhin sorgen in diesem Beispiel die Fetchländer früh für eine zuverlässige Manaversorgung – und das bedeutet, dass ihr früher in der Partie stärkere Zauber wirken könnt. Der eine Lebenspunkt Verlust hier ist absolut vernünftig, denn er hilft dabei, dass euer Deck insgesamt besser funktioniert. Tatsächlich werden viele Decks im Verlauf einer Partie 5 oder mehr Lebenspunkte ausgeben, um ihr Mana zum Laufen zu bringen – ganz einfach nur deshalb, weil sich das lohnt.

Es gibt allerdings etwas, wovor ihr auf der Hut sein solltet. Und das ist das Gewicht zu vieler Karten mit Lebenspunktekosten.

Sagen wir, eure Länder fügen euch Schaden zu. Dann habt ihr noch Karten wie die Schmerzerfüllte Auslöschung. Zudem nehmt ihr noch gehörig viele Karten wie die Schmerzliche Wahrheit dazu. Und ehe man sichs versieht, fügt man sich selbst in einer Partie regelmäßig acht und mehr Schaden zu – und das kann sich selbstverständlich stark auswirken!

Ihr müsst sehr vorsichtig damit sein, zu viele Karten mit Lebenspunktekosten in ein Deck zu tun. An irgendeinem Punkt – sofern ihr sie nicht mit Karten kombiniert, die euch Lebenspunkte verschaffen – habt ihr ansonsten nämlich einen Haufen Karten, den ihr nicht ausspielen könnt. Und das macht den Vorteil, den ihr durch das Umgehen anderer Kosten durch das Zahlen von Lebenspunkten erlangt habt, wieder zunichte, da nun einige Karten nutzlos auf eurer Hand verrotten.

Und deshalb sieht man oft nur eine, zwei oder manchmal auch drei Exemplare der Schmerzerfüllten Auslöschung statt gleich vieren in einem Deck, auch wenn diese Karte grundsätzlich in vielen Decks vorkommt. Die erste Schmerzerfüllte Auslöschung, die ihr zieht, ist meist gut. Zieht ihr jedoch zu viele davon, können sie euch töten oder am Ende zu Karten führen, die ihr nicht mehr ausspielen könnt.

Paarung ist alles

Die Paarung, in der ihr spielt, ist ebenfalls wirklich wichtig, wenn es um die Frage geht, wie hoch die Lebenspunktekosten sein dürfen.

In einem Kontrollspiegelspiel könnt ihr oftmals relativ bedenkenlos Lebenspunkte ausgeben. Ich habe schon unzählige Male Schaden genommen, indem ich einen Geheiligten Springbrunnen ungetappt ins Spiel brachte, nur um zu bluffen. Dies ist die Paarung, in der ihr die Schmerzliche Wahrheit beliebig oft für drei Karten spielen könnt und es euch trotzdem immer noch gut geht – bis ihr an dem Punkt seid, an dem ihr sowieso entweder gewinnt oder verliert.

Spielt ihr jedoch gegen ein rotes Branddeck, werden Karten, die euch selbst Schaden machen, wesentlich uninteressanter. Eure Schmerzliche Wahrheit wird plötzlich zu einem Lavastachel, den ihr umsonst für euren Gegner wirkt.

Es gibt natürlich auch hier jede Menge Ausnahmen: Karten wie der Dunkle Mitwisser und die Besucherin der Anstalt können gegen aggressive Decks immer noch ziemlich gut sein. Ihr wollt die zusätzlichen Karten, um in der Partie die Oberhand zu gewinnen, und das sind auch noch Kreaturen, mit denen ihr angreifen und blocken könnt. Die Bitterblüte lässt euch zwar jede Runde einen Lebenspunkt verlieren, doch wenn man berücksichtigt, dass sie immer wieder Kreaturen blocken kann, verschafft sie euch technisch gesehen sogar Lebenspunkte!

Es geht nicht nur darum, den Text zum Verlieren von Lebenspunkten zu verstehen, sondern man muss sich auch immer die konkrete Art und Weise anschauen, wie man diese Punkte einbüßt und ob es sich in diesem bestimmten Fall lohnt.

Lebt lange und in Frieden

Hoffentlich hat euch dieser Blick auf das Verlieren von Lebenspunkten gefallen! Es ist nicht immer so gruselig, wie es scheinen mag.

Nach der Besprechung dieser und der letzten Woche habt ihr jetzt einen Überblick darüber, wie sowohl Lebenspunktegewinn als auch Lebenspunktekosten funktionieren und wie ihr Decks bauen könnt, um sie gemeinsam zu verwenden!

Es sind womöglich noch einige Fragen bei euch offen – und in diesem Fall freue ich mich darauf, von euch zu hören! Und solltet ihr weitere Gedanken und Anmerkungen haben, dann immer her damit! Ihr könnt mich eigentlich immer auf Twitter, Tumblr oder via E-Mail (bitte auf Englisch) unter BeyondBasicsMagic@gmail.com erreichen.

Wir sehen uns nächste Woche. Habt bis dahin Spaß am Bezahlen mit Lebenspunkten!

Gavin
@Gavinverhey
GavInsight