Am Anfang war das Nichts.

Und dann war da dies:

Er tauchte bereits sehr früh auf – in der Limited Edition (Alpha), dem ersten Magic-Set überhaupt –, aber es dauerte eine Weile, bis er sich durchsetzte, denn die Spieler waren sich nicht sicher, warum das Vernichten sämtlicher Kreaturen – die eigenen eingeschlossen – eine gute Sache sein sollte. Im Laufe der Zeit jedoch wurde der Zorn Gottes zu einem definierenden Element früher Magic-Kontrolldecks und etwas, woran sich alle Board-Sweeper messen lassen mussten.

Der Trick bei jedem Board-Sweeper – sei es nun ein Zorn oder etwas anderes – besteht darin, euer Deck auf eine Weise zu bauen und zu spielen, dass ihr im Vorteil seid.

Besteht euer Deck beispielsweise aus sieben Kreaturen und ansonsten nur aus Kontrollelementen, dann ist es sehr leicht, durch den Zorn Gottes eine Reihe gegnerischer Kreaturen zu vernichten, ohne dass es euch etwas kostet. Selbst wenn ihr ihn in ein Midrange-Deck mit Kreaturen nehmt, wisst ihr, dass ihr die Entscheidung in der Hand habt und ihn sinnvoll spielen könnt, indem ihr beispielsweise mit dem Ausspielen eurer eigenen Kreaturen wartet. Obwohl der Zorn Gottes symmetrisch aussieht, ist er es in den meisten Fällen nicht.

Und das ist auch schon der Kern des Ganzen: Wenn ihr mehr darüber erfahren wollt, welche Decks Möglichkeiten brauchen, das Feld leer zu fegen, dann empfehle ich euch wärmstens diesen Artikel unseres geschätzten Reid Duke. Mein Rat in dieser Hinsicht ist so ziemlich deckungsgleich mit seinem, weswegen ich diese Sache hier auch nicht noch mal ausführen muss.

Stattdessen möchte ich einen Schritt weitergehen – ganz im Stile von Beyond the Basics. Heute werden wir uns auf diese eine Frage konzentrieren: Wann ist der richtige Zeitpunkt, das Feld leer zu fegen?

Wann ihr die Massenvernichtung auslöst, kann in Magic den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage bedeuten. Sicher, manchmal wird euer Gegner perfekt auf der Kurve spielen, und dann spielt ihr euer Land und den Sweeper, um nicht zu sterben. Manchmal hat der Gegner eine niedliche 1/1-Kreatur, die an euren 16 Lebenspunkten nagt, und ihr könnt euch sicher fühlen und den Zorn auf der Hand behalten. Doch in allen Situationen dazwischen müsst ihr eine sehr wichtige Entscheidung treffen.

Wie also geht ihr das an? Lest weiter! (Und ja, irgendwo hier gibt es eine Preview-Karte zu Kaladesh – haltet noch ein bisschen durch!)

Wertschöpfung und Krisenmanagement

Es gibt drei wichtige Gründe, einen Board-Sweeper auf der Hand zu behalten, anstatt ihn gleich auszuspielen.

Der erste ist, dass ihr glaubt, ihn noch effektiver einzusetzen, indem ihr später mehr und/oder größere Kreaturen tötet.

Im Grunde sind Karten, die alle Kreaturen zerstören, ein bisschen wie ein Minispiel um das Ausreizen von Chancen. Euer Ziel ist es, so vieles wie möglich zu töten, ohne damit so lange zu warten, dass ihr die Partie verliert.

Sicher, ihr könntet euren Zorn spielen, wenn ihr bei 20 Leben seid und euer Gegner eine 3/3-Kreatur hat – aber warum nicht noch eine Runde warten und sehen, ob er noch etwas spielt, was sich ebenfalls auszulöschen lohnt? Selbst wenn er sich dagegen entscheidet (weil er vermutlich Angst vor eurem Zorn hat), habt ihr immer noch eine Runde gewonnen, in der er nichts tut.

Der zweite Grund ist, dass ihr versucht, bestimmte Kreaturen loszuwerden.

Ein Beispiel: Es ist spät in der Partie und euer Gegner hat 2 2/2er ... Ihr wisst aber auch, dass in seinem Deck noch ein Simischer Himmelsverschlinger lauert.

Ihr solltet euch also überlegen, für eine solche Karte, die euch eine Menge Kopfzerbrechen bereiten könnte, euren Sweeper noch etwas zurückzuhalten. Mit diesen 2/2ern werdet ihr bestimmt auch anders fertig (oder ihr nehmt eben den Schaden), und ihr spart euch den Zorn lieber auf, um zu verhindern, dass ihr die Partie später verliert.

Der dritte Grund ist, dass ihr euren Zug nach dem Sweeper noch besser oder manaeffizienter gestalten wollt.

Stellt euch vor, ihr habt den Aufmarsch der Legion auf der Hand und vier Mana.

Ihr könntet den Zorn jetzt spielen und den Aufmarsch in der nächsten Runde. Ist die Bedrohung auf dem Feld hingegen nicht sehr stark, bedeutet das Spielen des Aufmarschs zu diesem Zeitpunkt, dass er eine Runde hat, um aktiv zu werden. Zudem könnte der Gegner noch etwas spielen, was sich ebenfalls auszulöschen lohnt.

Hat euer Gegner Kreaturen mit insgesamt 4 Stärke und ihr fegt jetzt alles weg, kann es sein, dass er enttappt und danach eine 4/4-Kreatur spielt. Somit wärt ihr dann in der gleichen Position, als hättet ihr den Aufmarsch zuerst gespielt. Der Unterschied ist folgender: Wenn ihr den Aufmarsch zuerst spielt, könnte sich euer Gegner genötigt sehen, sein Board schneller zu entwickeln – wodurch euer Zorn noch wertvoller wird und euch in eine Position bringt, in der euer Aufmarsch der Legion läuft und euer Gegner nichts hat!

Oft ist es – wie auch in dieser Situation eben – eine Kombination von Faktoren, die einen zur Zurückhaltung veranlasst.

Vorausdenken

Das Erste, was ich mache, wenn ich herauszufinden versuche, ob ich das Board leer fege oder nicht, ist, mir den nächsten Zug vorzustellen. Wie sieht die Partie aus, wenn ich meinen Zorn jetzt nicht spiele?

Stellt euch vor, ihr seid bei 7 Leben und steht drei von diesen Kerlchen gegenüber:

Stellen wir uns eine Welt vor, in der ihr euren Sweeper nicht wirkt. Ihr nehmt sechs Schaden und habt somit noch einen Lebenspunkt. Ihr könnt das Feld in der Runde danach leer fegen und zudem alles erwischen, was der Gegner sonst noch spielt ...

... aber diese Strategie birgt allerlei Probleme. Zuallererst bringt sie euch auf einen Lebenspunkt. Das bedeutet, dass ihr den Rest der Partie alles töten müsst, um nicht zu sterben. Darüber hinaus wird euer Gegner sehr wahrscheinlich keine weiteren Kreaturen spielen. Wenn er schon drei hat und ihr bei einem Leben seid, dann muss er das auch nicht. Und zu allem Übel habt ihr vielleicht gar keine weitere Runde: Der Gegner spielt Rot – also wird euch jede Kreatur mit Eile und jeder Direktschadenzauber entweder sofort oder später töten!

Stellt euch umgekehrt vor, ihr seid bei 20 Lebenspunkten. Dann seid ihr absolut in einer Position, in der ihr ein paar Schadenspunkte wegstecken und versuchen könnt, in der nächsten Runde eine zusätzliche Kreatur zu erwischen.

Zurückdenken

Ein großer Anteil des Nutzens beim Warten hängt davon ab, ob man tatsächlich eine weitere Kreatur erwischt. Nun stellt sich jedoch die folgende Frage: Hätte mein Gegner letzte Runde eine Kreatur spielen können, hat es aber nur nicht getan?

Spielt euer Gegner unbekümmert Kreaturen aus, ist es sehr wahrscheinlich, dass auch in der nächsten Runde eine auftaucht.

Hat er andererseits seinen letzten Zug mit fünf Mana und vier Karten auf der Hand abgegeben, hat er entweder keine Kreaturen oder er ist sich wohl bewusst, dass ihr einen Sweeper habt, und er geht nun auf Nummer sicher. In beiden Fällen könnt ihr euch von dem Gedanken verabschieden, noch etwas zusätzlichen Wert schöpfen zu wollen. Stattdessen solltet ihr lieber über die anderen Gründe nachdenken, die für ein weiteres Abwarten sprechen.

Gleichermaßen werdet ihr oft Situationen erleben, in der der Gegner keine Karte (oder nur eine) auf der Hand hat. In diesem Fall lohnt es sich für gewöhnlich, den Sweeper zu spielen, sofern euer Gegenüber auch nur überhaupt irgendeine Board-Präsenz vorzuweisen hat. Er muss neue Kreaturen nachziehen, um aus der Situation herauszukommen, und endet andernfalls mit nichts.

Denkt darüber nach, was passiert ist und wie die aktuelle Lage jenseits des Boards aussieht, um eure Entscheidung sinnvoll zu beeinflussen.

Mischkalkulation

Habt ihr im Limited einen Sweeper, dann ist das für gewöhnlich euer einziger. In Constructed-Formaten wie Standard ist er aber wahrscheinlich nur eine der Karten, von denen ihr drei oder vier Exemplare spielt – und das bedeutet, dass ihr welche davon nachziehen könnt!

Habt ihr bereits einen zweiten auf der Hand, ist es sehr viel sicherer, einen von ihnen schon früh zu spielen. Ein klassisches Spielmuster ist, dass ihr zwei Sweeper auf der Hand habt, einen spielt, euer Gegner glaubt, dass die Luft rein ist, und er einige weitere Kreaturen loslässt, bevor ihr dann enttappt und den zweiten Sweeper spielt.

Zusätzlich kann ein Teil des Grundes, mit dem Zorn noch zu warten, der sein, dass ihr erst noch eure Chancen steigern wollt, einen zweiten zu finden. Früh einen Kartenziehzauber zu wirken, anstatt ein kleines Feld leer zu fegen, hilft dabei, eure Sweeper zu finden, damit sie auch bereit sind, sobald ihr sie braucht. Spielt ihr den Sweeper sofort aus, lauft ihr Gefahr, dass der Gegner hinterher ein paar noch größere Bedrohungen auffährt und ihr eine Runde aufs Kartenziehen verwenden müsst, um einen Zorn zu finden, den ihr nicht einmal garantiert in die Hände bekommt.

Die Formel ändern

Natürlich haben verschiedene Sweeper verschiedene Fähigkeiten, und manche von ihnen begünstigen sicherlich die eine oder die andere Spielweise hinsichtlich des genauen Zeitpunkts ihres Wirkens.

Und Kaladesh? Nun, darin gibt es eine der stärksten Varianten des Zorns, die wir in letzter Zeit gemacht haben.

Da ihr jetzt ein paar der unterschiedlichen Zeitpunkte kennt, zu denen man einen Zorn wirken kann (ach, wem mache ich denn was vor? Die meisten von euch haben doch bestimmt so schnell wie möglich hier runtergescrollt, um die Preview-Karte aus Kaladesh zu sehen), wollen wir uns das Ausräuchern anschauen:

Heutzutage sind fünf Mana die Untergrenze für einen vollen Sweeper – und was für ein Sweeper das ist!

Ausräuchern ist der Traum eines jeden Kontrollspielers. Er ist nicht nur eine Möglichkeit, das Feld leer zu fegen und einen Kartenvorteil zu erlangen, sondern er bringt einem dabei sogar noch Lebenspunkte zurück! Zusätzlich zum Kartenvorteil, den das Leeren des Boards mit nur einer Karte mit sich bringt, wirkt dieser Sweeper noch einen Lebenspunkte-Zauber umsonst!

Außerdem verändert er ein bisschen die üblichen Berechnungen. Solange ihr nicht sterbt, könnt ihr euer Glück noch etwas länger herausfordern. Besteht das Board eures Gegners aus ein paar 2/2ern und eure Wahl darin, in der laufenden Runde Ausräuchern zu spielen oder erst einmal etwas anderes zu machen und das Ausräuchern bis zur nächsten Runde aufzuschieben, dann könnt ihr ruhig warten, weil ihr wisst, dass ihr eine Chance habt, wieder aufzuholen. Und sollte euer Gegner weitere Kreaturen spielen, dann tötet ihr sie und bekommt dabei noch Lebenspunkte! Oder wenn ihr lieber auf Nummer sicher gehen wollt, dann gibt euch der Zugewinn an Lebenspunkten einen zusätzlichen Puffer, falls euer Gegner etwas Großes spielt und ihr Zeit braucht, um es loszuwerden.

Besonders glänzt Ausräuchern gegen die Armeen aus 1/1-Spielsteinen, die regelmäßig im Standard auftauchen. Ihr könnt mit all diesen Spielsteinen fertigwerden und den Schaden, den sie angerichtet haben, wiedergutmachen!

Wir haben schon gesehen, wie brutal ein Lebenspunkte-Gewinn werden kann, wenn er zusammen mit entscheidenden Kontrolleffekten wie der Offenbarung der Sphinx gespielt wird. Und Ausräuchern ist eine Karte, die das Standardformat sehr wahrscheinlich mit definieren wird, solange sie dort vertreten ist.

Später

Und da habt ihr sie: Sweeper-Strategien und eine neue Preview-Karte!

Im neuen Standard werdet ihr also so vorsichtig sein müssen wie noch nie, falls ihr vorhabt, massenhaft Kreaturen auszuspielen. Denn ihr werft sie unter Umständen nicht nur einfach weg, sondern schenkt eurem Gegner zudem noch Lebenspunkte! Wann aber solltet ihr eure Kreaturen zurückhalten? Das klingt nach einem Thema für einen weiteren Artikel ...

Ich hoffe, euch hat dieser Exkurs in Sachen Strategie gefallen! Falls ihr Fragen oder Anmerkungen habt oder mir einfach bloß erzählen wollt, wie ihr Kaladesh so findet – nur zu! Ihr könnt mich immer über Twitter oder Tumblr erreichen oder – falls ihr es lieber altmodisch (aber nicht zu altmodisch) mögt – mir eine E-Mail auf Englisch an beyondbasicsmagic@gmail.com schreiben.

Wir sehen uns nächste Woche!

Gavin
@GavinVerhey
GavInsight