Rauschen und Schreie und das Gefühl, für immer zu fallen.

Elspeth war auf dem Boden Neu-Phyrexias erwacht, alleine und das Schlimmste befürchtend. Sie waren ganz offensichtlich in eine Falle geraten. War sie die Einzige, die überlebt hatte, dazu verdammt, erneut eine Gefangene Phyrexias zu werden?

Illustration von: Adam Burn

Kaum hatte sie diesen Gedanken gefasst, da stürmte auch schon eine Gruppe Phyrexianer über die Hügelkuppe. Elspeth griff nach ihrem Schwert und richtete sich auf, um sich dieser Bedrohung entgegenzustellen, dankbar, dass sie nicht gefunden worden war, als sie noch bewusstlos war. Sie hätte ohne Weiteres überwältigt werden können; selbst die größte Kriegerin fällt, wenn man sie auf dem falschen Fuß erwischt.

Oder wenn sie zahlenmäßig unterlegen ist. Es war ein Kampf sechs gegen eine, und sie waren im Gegensatz zu ihr mit dem Gelände vertraut. Dennoch konnte sie drei von ihnen niederstrecken, bevor sie in Bedrängnis geriet. Der erste Phyrexianer hatte ihr einen Schnitt am Arm beigebracht, sodass ihre Furcht wieder aufloderte, heißer als zuvor. Da wusste sie, dass dieser Kampf womöglich nicht mit ihrem Sieg enden würde.

In diesem Augenblick durchbohrte eine purpurne Klinge das Herz eines Phyrexianers, was ihr zeigte, dass sie nicht die einzige Überlebende war und auch nicht alleine kämpfte.

Kayas Ankunft wendete das Blatt schnell zu ihren Gunsten, sodass sie ungeschoren aus dem Gefecht hervorgingen, wonach Elspeth Kaya hektisch nach Verletzungen absuchte. Sie selbst war immun, aber Kaya war es nicht, und man konnte nicht vorsichtig genug sein, was Phyrexia anging.

Seinem Gift ausgesetzt zu sein, war ein Todesurteil. Das wussten sie alle. Diese Gefahr war ihnen mit als Erstes erklärt worden, als sich die Bedrohung durch Phyrexia offenbarte. Es gab Möglichkeiten, diesem unausweichlichen Ende zu entkommen, aber sie waren selten, kostspielig oder beides. Halo könnte eine davon sein, aber sie verfügten nur über einen sehr begrenzten Vorrat und hatten diese Option noch nicht in der Praxis erprobt. Es war zu optimistisch, zu hoffen, dass Melira noch lebte und ihnen helfen könnte.

Dennoch, etwas zu wissen und es zu akzeptieren waren sehr verschiedene Dinge, und Elspeth konnte sich nicht sicher sein, dass Kaya sich der Gefahr, in der sie schwebte, vollends bewusst war.

„Alles in Ordnung?“, fragte Kaya. Elspeth nickte ihr kurz zu.

Nach dem Kampf hatten die beiden sich zum Lager der Mirraner begeben, wo es einem Troll namens Thrun gelungen war, ein Loch in die Hülle der Welt zu schlagen, durch das sie mithilfe einer Strickleiter die Oberfläche des alten Mirrodin erreichen könnten. Von dort aus waren sie zur weißen Vertiefung weitergezogen, der ursprünglichen Öffnung, die zu Mirrodins Kern führte und durch die sie nun zur Schmelzofenschicht gelangen konnten. Kein weiteres Mitglied ihres Trupps war zu ihnen gestoßen.

Elspeth hoffte nur von ganzem Herzen und recht unbegründet, dass die anderen unten auf sie warteten.

Ihr Schwermut war offenkundig. Kaya hätte mit verbundenen Augen durch die Welt gehen müssen, um sie zu übersehen. „Von hier aus kann es nicht mehr weit sein, Sonnenschein“, sagte sie, während sie die wechselhafte Schwerkraft der Vertiefung nutzte, um an der Wand entlangzulaufen. „Wir sind beide einigermaßen gut gelandet. Ein bisschen holprig, aber wir sind unversehrt. Wir werden die anderen finden. Du wirst schon sehen.“

„Du hast gut reden, immerhin wollten dich die Phyrexianer nicht einen Kopf kürzer machen, direkt nachdem du aufgewacht bist.“

„Nein, mich hat nur dieser kleine Kerl wachgerüttelt.“ Kaya streichelte den Kopf des kleinen Roboters in der Gestalt eines Tanuki, der auf ihrer Schulter saß. Er war weder mirranischen noch phyrexianischen Ursprungs. Elspeth vermutete, dass er von Kamigawa stammte. Er musste wohl jemandem aus den anderen Angriffsteams gehören. Zum Glück war er bei Kaya gelandet. Wenn er viel länger alleine geblieben wäre, wäre Phyrexia bereits in ihn eingedrungen.

Elspeth, die durch ihre Zeit auf Mirrodin mit den Vertiefungen vertraut war, ging gemächlicher und versuchte, ihre Gedanken unter Kontrolle zu bekommen, die sich finsterere Wege suchten, als ihr lieb war. Sie wusste, dass es schwer werden würde, an diesen Ort zurückzukehren, aber zu sehen, was aus ihm geworden und wie viel verloren gegangen war – das war brutal.

Neu-Phyrexia war eine Welt, die wie für Reue gemacht zu sein schien. Vielleicht schmerzte es Kaya weniger, da sie Mirrodin nie gesehen hatte. Sie wusste zwar, dass sie über einen Friedhof gingen, aber nicht, wie viel Blut an jeder Oberfläche klebte. Es war in gewisser Weise einfacher, über die Asche einer Schlacht zu gehen, in die man nicht verwickelt war.

Die Vertiefung erstreckte sich weiter und weiter, länger, als ohne die nährende Magie möglich wäre, die aus ihren Wänden sickerte und sie aufrechterhielt und stärkte. Als sie unten angekommen waren, wirkte es, als stünden sie wieder oben; sie waren dem Verlauf der verankernden Magie weit genug gefolgt, dass die Schwerkraft sich wieder umgekehrt hatte. Daher mussten sie nach den Sprossen greifen, die aus der Wand ragten, um die letzten zehn Fuß zur Öffnung zu klettern.

Elspeth hielt sich am Rand der Vertiefung fest, zog sich hoch und erblickte die Schmelzofenschicht. Unter ihr konnte sie hören, wie Kaya fast mühelos die Leiter erklomm, und rückte ein wenig beiseite. „Halt dich fest, wenn du hier ankommst“, rief sie nach unten. „Die verbleibende Magie wird uns zum Boden tragen, sobald wir loslassen.

„Zum Boden – oh. Natürlich, wir kommen aus der Decke“, brummte Kaya. „Haben die Mirraner nicht an verlässliche Schwerkraft geglaubt?“

„Das ist verlässliche Schwerkraft. Sie ist nur auf etwas andere Art verlässlich.“

Kaya zog sich neben Elspeth hoch, sah sich um und stieß einen langen, tiefen Pfiff aus. Diese Reaktion war nicht unangemessen.

Wie ihr Name nahelegt, brannte die Schmelzofenschicht. Überall um sie herum flossen Magmaströme, und die Luft war glühend heiß. Platten aus pyroklastischem Gestein bildeten den festen Boden, und irgendwie war diese Umgebung dank der Sprungschichten der brennenden Tümpel nicht unerträglich, sondern lediglich unangenehm. Es schien unmöglich, doch man konnte hier überleben.

Unter ihnen, auf einer der größten pyroklastischen Platten, hob sich ein mirranisches Bauwerk von der Landschaft ab. Um es herum waren allerlei Zelte und notdürftige Unterschlüpfe aufgestellt, rußgeschwärzt und so getarnt, dass sie sich in ihre Umgebung einfügten. Sie alle waren klein genug, dass eine einzige Person sie im Handumdrehen einreißen konnte. Dazwischen gingen Gestalten umher, die aus der Ferne nur wie Striche in der Landschaft wirkten.

Kaya blickte zu Elspeth.

„Mirraner?“

„Phyrexianer bauen keine Zelte.“

„Meinst du, unsere verschollenen Leute sind dort unten?“

„Wenn nicht, dann besteht keine Hoffnung mehr, glaube ich“, erwiderte Elspeth und ließ – mit bis zum Hals schlagendem Herzen – los.

Die Magie der Vertiefung ergriff sie, bevor sie mehr als ein paar Fuß fallen konnte, und trug sie sanft wie eine Mutter ihr Kind gen Boden. Neben ihr schwebte Kaya mit einem kaum unterdrückten Lachen.

Als sie schließlich den Boden erreichten, versammelte sich bereits eine Menge um sie. Die Leute, die gekommen waren, um sie willkommen zu heißen, funkelten dank ihrer Metallverzierungen golden, wiesen aber nicht die glatte Perfektion echter Phyrexianer auf: Dies waren die Streitkräfte, nach denen sie gesucht hatten.

„Elspeth!“, rief eine tiefe, raue und polternde Stimme aus der Menge – eine Stimme wie ein Berg, unerwartet und vertraut. Elspeth erstarrte, bevor Verzückung sie überkam. Sie lächelte breiter als je zuvor, drehte sich auf dem Absatz um und stürzte sich auf den Sprechenden.

„Koth!“, rief sie. „Koth, ich dachte, du wärst tot!“

Illustration von: Aurore Folny

Der größere Planeswalker fing sie mit einem Arm um ihre Hüfte auf und wirbelte sie herum. Beide lachten mit einer Leichtigkeit, für die es in dieser lodernden Umgebung und in der finstersten aller Zeiten eigentlich kaum Raum gab. Er war ein imposanter Mann mit dunkler Haut, dessen Körper mit steinerner Rüstung gepanzert war, und der Kontrast zwischen ihm und der schlankeren – wenn auch nicht viel kleineren – Elspeth war frappierend.

Kaya schaute sich um. Auch sie entspannte sich, als ihr ein Gesicht in der Menge auffiel. „Tyvar“, sagte sie und lächelte, als sie zu ihm hinüberging. „Ich hätte wissen müssen, dass du es vor uns hierher schaffst.“

Er lachte. „Und ich hätte wissen müssen, dass es sinnlos war, mir Sorgen um dich zu machen! Bei den Himmeln, du wärst wirklich nicht du, wenn du nicht bei jeder Gelegenheit in Gefahr geraten würdest.“

„Ich bin allein aufgewacht, die Ausrüstung von jemand anderem lag um mich herum verstreut, und Sonnenschein dort drüben –“ Kaya wies mit dem Daumen auf Elspeth, die immer noch lachend Koth umarmte – „war nur ein kleines Stück entfernt. Wir wurden beide hart getroffen, als wir herübergekommen sind. Hast du –?“

„Ich fürchte, das ging uns allen so“, sagte Tyvar und machte ein langes Gesicht. „Nicht alle haben ihren Weg zu uns finden können. Jace war der Letzte, der es vor euch hierher geschafft hat, und er hat sich seinen Weg von der Oberfläche hierher ganz allein gebahnt.“

„Jace … ?“

„Direkt hinter dir“, sagte Jaces vertraute, bedächtige Stimme.

Kaya schnaubte. „Du wolltest mich wohl erschrecken“, sagte sie in leicht vorwurfsvollem Ton und drehte sich zu ihm um.

Der schlanke Telepath zuckte mit den Schultern. „Das hätte bei dir doch gar keinen Zweck“, sagte er und lächelte kaum merklich. „Hallo, Kaya. Ich dachte schon, wir hätten dich verloren.“

„Hättest du mir nicht … du weißt schon.“ Sie tippte sich an die Schläfe. „Du hast doch eine Gedankenverbindung eingerichtet, bevor wir aufgebrochen sind. Hättest du nicht kurz Kontakt aufnehmen können?“

Die Anfänge des Lächelns verschwanden von Jaces Gesicht. „Die Barriere hat diese Verbindung unterbrochen und auch vieles andere zerstört. Ich kann keine der anderen Gruppen erreichen. Die, die du hier siehst, sind alle Mitglieder des Angriffstrupps, die wir bergen konnten.“

Kaya runzelte die Stirn. „Vraska? Nissa? Die Wanderin? Lukka?“

„Vraska war nicht bei uns, als wir aufgewacht sind“, sagte er. „Nissa schon, aber schon als wir uns gesammelt haben und uns auf unsere Reise vorbereiten wollten, wurde sie von einer Falle fortgebracht – als wäre sie gezwungen worden, erneut weltenzuwandern.“

„Wir glauben, unserer Gruppe ist Ähnliches zugestoßen“, sagte Nahiri und löste sich mit Kaito direkt hinter ihr aus der Menge. Jace musterte sie kühl, blieb aber stumm.

Die Furchen in Kayas Stirn vertieften sich. Es war kein Geheimnis, dass Jace und Nahiri alles andere als beste Freunde waren. Sie hatte darauf gezählt, dass andere, die sie besser kannten, als Puffer zwischen ihnen dienen würden, und hatte kein besonderes Interesse daran, selbst diese Aufgabe zu übernehmen. „Wie meinst du das?“, fragte sie.

„He!“ Kaito ging dazwischen, bevor irgendjemand antworten konnte. „Das sind meine Sachen! Pompon!“

„Diese hier?“ Kaya berührte die Klinge, die sie sich mit einem Stück Seil um die Hüfte gebunden hatte, während der kleine Roboter von ihrer Schulter auf Kaitos sprang und sich dort fröhlich schnatternd festklammerte. „Sie lagen um mich herum, als ich aufgewacht bin. Sie gehören dir?“

„Ist das nicht offensichtlich? Sie sind nicht phyrexianisch“, sagte Kaito und streckte die Hand aus. Er sah erschöpft aus. Sie alle sahen mehr oder weniger erschöpft aus.

„Jetzt, wo du es sagst, ja. Für mich sind sie sowieso zu ausgefallen“, sagte Kaya, löste das Seil mit dem Schwert und drückte dessen Knauf in Kaitos Hand. Spannung fiel merklich von ihm ab, und er lächelte ihr dankbar zu, bevor er seine Aufmerksamkeit dem kleinen Roboter auf seiner Schulter widmete und ihn leise grüßte. Dieser schnatterte eine Antwort; er fühlte sich offensichtlich zu Hause.

Mit wesentlich ruhigerer Miene wandte sich Kaito wieder Kaya zu. „Was Lukka angeht, habe ich keine Ahnung. Die Wanderin war bei uns, als wir ankamen“, sagte er. „Ihr Funke ist ein wenig … unberechenbar, aber sie hat ihn normalerweise einigermaßen im Griff. Hier jedoch flackerte sie lange hinein und heraus, bevor sie in die Blinden Ewigkeiten gezogen wurde.“

„Du hättest dich vielleicht an ihrem Flackern ausrichten können, um zu verstehen, was sie uns sagen wollte, bevor sie verschwand“, sagte Nahiri. Kaya nutzte ihre Magie nicht gerne auf diese Weise, nickte aber trotzdem. „Das wäre vielleicht möglich gewesen. Sah Nissa so aus, als wäre sie durch das, was geschehen war, verletzt worden?“

„Nein“, sagte Jace bedrückt. „Sie war einfach fort. Die Phyrexianer waren besser auf unseren Angriff vorbereitet, als wir gehofft hatten.“

„Ihr geht es bestimmt gut“, sagte Nahiri bestimmt. „Diese Elfin lässt sich nicht so leicht unterkriegen. Wir müssen uns jetzt einen neuen Plan überlegen, da so viele von uns fehlen.“

Mit plötzlichem Unbehagen richtete Kaya ihre Aufmerksamkeit wieder auf Jace und hob eine Augenbraue. „Nun?“

„Nun“, sagte er. „Der Plan hat sich nicht geändert. Der Plan kann sich nicht ändern. Uns fehlt zwar die Hälfte unserer Leute, aber wir wussten von Anfang an, dass unsere Erfolgschancen gering sein würden. Wenn es uns nicht gelingt, den Sylex zu den Wurzeln ihres Weltenbaums zu bringen, bevor er die Blinden Ewigkeiten vollständig durchdringt, werden alle Welten das Schicksal Mirrodins teilen.“

Tyvar verzog das Gesicht. „Du meinst ihre korrupte Verhöhnung eines Weltenbaums“, sagte er scharf.

Jace zuckte nur mit den Schultern.

„Elesh Norn nennt ihn ihren Weltenbrecher.“ Melira löste sich aus der Menge, während sich Tyvars Miene ob dieses Namens noch weiter verfinsterte.

Kaya musste ein Schaudern unterdrücken, als ihr Blick über die verheerte, geschwärzte Landschaft um sie herum schweifte. Sie hatte genug Tod gesehen, genug Tod ausgeteilt, und hätte gedacht, dass sie nichts mehr wirklich erschrecken könnte. Das hier aber … Das hier war so viel furchtbarer, als alles, was sie sich hätte ausmalen können. Und das war noch nicht alles. Ein erheblicher Teil Phyrexias lag noch unter ihnen; Schrecken, die sich noch offenbaren würden, Gefahren, denen sie sich noch stellen mussten.

„Du hast den Sylex noch“, sagte sie, halb als Feststellung, halb als Frage. „Karns Plan ist noch nicht gescheitert.“

„Ja“, sagte Jace. „Wir können immer noch siegen.“

Illustration von: Leanna Crossan

„Karn?“ Elspeth bahnte sich einen Weg durch die anderen, dicht gefolgt von Koth. „Gibt es Neuigkeiten von ihm?“

„Immer noch verschollen“, sagte Jace. „Ich …“ Er hielt einen Moment inne und schüttelte dann den Kopf. „Von ihm und Ajani fehlt seit unserer Ankunft hier jede Spur.“

„Das ist wahrscheinlich sogar gut so“, sagte Elspeth mit einem so neutralen Gesichtsausdruck, wie sie zustande brachte. „Beide wissen viel zu viel über den Sylex. Ajani hat den letzten zerstört.“

„Dieser ‚Sylex‘ ist das Ding, mit dem ihr Elesh Norns Weltenbrecher zerstören wollt, richtig?“, fragte Melira.

„Ja“, sagt Jace erstaunlich ruhig. „Wenn wir ihn zu den Wurzeln ihres Weltenbaums …“

„Sogenannten Weltenbaums“, murrte Tyvar.

Jace warf ihm einen Blick zu. „… bringen können, wird er ihn zerstören, bevor er diese Welt mit dem Rest des Multiversums verbinden kann. Die phyrexianische Geißel wäre hier isoliert, bis sie zerstört werden kann.“

„Wie isoliert kann sie sein, wenn sie schon anfängt, andere Welten zu infiltrieren?“, fragte Kaito. „Kamigawa gehört nicht zu den Kosten des Krieges.“

„Mirrodin auch nicht“, sagte Melira. „Wir kämpfen immer noch für die Welt, die wir einst hatten, auch wenn wir sie nie so wiederherstellen können, wie sie war. Was wird dieser Sylex mit Mirrodin anrichten?“

„Melira, wir haben das doch schon besprochen“, sagte Koth.

„Ja, du und ich haben das besprochen und du liebst Mirrodin genug, dass es dir wichtig ist, was mit unserer Heimat geschieht. Ich möchte, dass jemand, der unsere Heimat nicht liebt, mir in die Augen schaut und sagt, dass wir überleben werden.“ Sie sah Jace an. „Mein Volk hat bereits das Ende seiner Welt überlebt. Deine Welt bedeutet nicht so viel mehr als unsere, als dass ich dir dabei helfen würde, das Wenige, was uns noch bleibt, zu opfern.“

Jace nickte langsam. „Meinen Berechnungen zufolge wird die Explosion gewaltig genug sein, um den Weltenbrecher zu zerstören und wahrscheinlich den gesamten Saatkern gleich mit. Aber sofern die Phyrexianer die Welt nicht weitaus stärker destabilisiert haben, als uns bekannt ist, sollte das das ganze Ausmaß des Schadens sein.“

Melira nickte. „Wie viel weißt du darüber, was sie unserem Land angetan haben?“

„Wir wissen, dass die Welt geschichtet ist, Sphären im Inneren von Sphären, und wir sind zwei Schichten weiter oben gelandet, als wir wollten.“

„Im Prinzip hast du recht“, sagte Melira. Sie hob einen Klumpen metallischen Gesteins vom Boden auf und blickte zu Nahiri. „Hey, Lithomagierin, wie gut ist deine Kontrolle?“

„Besser als die aller anderen hier“, sagte Nahiri.

„Dann hilf mir. Kannst du mir eine kleine Kugel formen, etwa halb so groß wie meine Faust?“ Sie hob ihre geballte Hand zur Veranschaulichung.

„Immer her damit.“

Melira warf Nahiri den Stein zu. Auf halbem Wege blieb er in der Luft stehen und barst in Stücke. Eines davon hatte die gewünschte Form einer Kugel. Es bewegte sich vom restlichen Geröll weg und drehte sich um die eigene Achse. Melira sah zufrieden aus.

Illustration von: Illustranesia

„Das ist der Saatkern“, sagte sie. „Dorthin müssen wir euch bringen, damit ihr euren Sylex zünden könnt.“

„In Ordnung“, sagte Jace.

Melira blickte wieder zu Nahiri. „Kannst du eine runde Hülle um diese Kugel formen?“

„Nichts leichter als das“, sagte Nahiri. Etwas Geröll verformte sich zu einer flachen Hülle, die sich um die Kugel legte und so eine weitere, größere Sphäre bildete. Sie rotierte weiter.

„Die Mycosynth-Gärten“, sagte Melira. „So haben sie uns ursprünglich überwältigt. Sie säten im Mittelpunkt unserer Welt einen Pilz aus, der die phyrexianische Seuche in die Luft pumpte, sodass wir sie einatmeten, ohne es zu merken. Die meisten von uns waren verloren, bevor wir überhaupt wussten, dass es einen Kampf gab.“

„Was für eine feige Taktik“, sagte Tyvar.

„Eine weitere Schicht, bitte“, sagte Melira, und eine dritte Sphäre bildete sich. „Die Bleiche Basilika. Das ist Elesh Norns Festung. Wir hoffen, dass Urabrasks Rebellion sie lange genug ablenkt, während wir ihr Territorium durchqueren. Falls nicht, besteht keine Chance, dass wir es bis zum Saatkern schaffen, ohne dass sie uns bemerkt.“

„Darf es sonst noch etwas sein?“, fragte Nahiri.

„Ja, bitte“, sagte Melira. „Diesmal vier, jeweils mit einem Kanal zwischen ihnen?“

Vier weitere Hüllen bildeten sich, jede davon glühte einen Moment lang vor Hitze auf, bevor sie sich abkühlten und wieder ihre ursprüngliche dunkle Färbung annahmen. Kaya blickte zu Nahiri. Sie sah immer noch völlig ruhig aus, als würde diese Darbietung äußerst konzentrierter Macht ihr nichts abverlangen. Es war fast beängstigend. Kaya wusste, dass Nahiri zu den ältesten aller Planeswalker zählte, wenn sie nicht sogar die Älteste war, aber sie in Aktion zu sehen, war doch etwas anderes.

„Die äußerste Sphäre ist die Schmelzofenschicht. Dort befinden wir uns im Moment. Sicher sind wir hier nicht, aber sicherer als fast überall sonst, und es ist uns gelungen, einen Tunnel ohne freien Fall einzurichten, was alles andere als einfach war. Mirraner sind gestorben, um euch eine Abkürzung zu verschaffen. Zollt ihnen Respekt.“

Melira hielt inne und wandte sich ab. Sie blieb so lange stumm, dass Koth einsprang, um die Lücke zu füllen.. „Unter uns befindet sich das Jäger-Labyrinth und dann die Chirurgie. Wir werden beide umgehen und in den Dross-Gruben landen, direkt oberhalb der Bleichen Basilika.“ Er blickte zu Elspeth. „Die Dross-Gruben umfassen das, was du einst als Mephidross kanntest. Dort müssen wir sehr vorsichtig sein, aber wir sollten unseren nächsten Abstieg ohne allzu große Schwierigkeiten erreichen.“

Elspeth nickte. „Das hier ist … Das ist ein Albtraum“, sagte sie. „Wie habt ihr das alles überlebt?“

„Über uns sind noch zwei Schichten – ihr habt sie gesehen“, sagte Melira. „Was ihr vielleicht nicht wusstet, ist, dass die Schicht direkt über uns, die wir Mirrex nennen, alles ist, was von unserer ursprünglichen Welt noch übrig ist. Sie haben sie ausgehöhlt, um ihre eigene zu errichten.“

„Und was unser Überleben angeht: Es ist ein ständiger Kampf“, sagte Koth. „Nahrung ist knapp. Trinkwasser auch, sogar noch knapper. Die Elfen wurden beinahe vollständig ausgelöscht. Ich habe seit Jahren keinen Vedalken mehr gesehen, der nicht vollendet war. Wir schlagen die Schlachten, die wir können, retten die Leute, die wir können, und bleiben nie lange am selben Ort. Mirrodin war – ist – eine Welt aus Stahl. Das spiegelt sich auch in seinem Volk wider. Solange auch nur einer oder eine von uns atmet, werden wir uns wehren.“

Elspeth nickte erneut, diesmal langsamer. „Es tut mir leid, dass ich so lange nicht bei euch war.“

„Das muss es nicht“, sagte er. „Zu wissen, dass ich dich gerettet habe, selbst wenn ich so viele andere nicht retten konnte – das hat geholfen.“

„Unsere Welt ist also wichtig“, sagte Melira und wies auf die rotierende Sphäre, während Nahiri zwei weitere Schichten hinzufügte, die für Mirrex und die Monumentale Fassade standen. „Unser Kampf ist wichtig. Auch euer Kampf ist wichtig, sonst würden wir euch nicht helfen – keine andere Welt sollte dieses Schicksal erleiden müssen.“

„In der Tat“, sagte Tyvar in bedrücktem Ton.

„In der Tat“, schloss sich Kaito an.

Einer nach dem anderen bekundeten die Planeswalker ihre Zustimmung und die umstehenden Mirraner taten es ihnen gleich.

Melira fixierte Jace mit einem harten Blick. „Bist du dir immer noch sicher, dass wir die Folgen deines Plans überleben werden, jetzt, da du den Aufbau unserer Welt kennst?“

Jace zögerte eine ganze Weile, bevor er seufzte und antwortete: „Nein. Nein, bin ich nicht. Als Urza den ersten Sylex benutzt hat, wurden Dinge zerstört, von denen wir nicht wussten, dass sie zerstört werden konnten. Aber wir haben keine Zeit, uns einen neuen Plan auszudenken. Wir sollten nicht einmal auf die anderen warten.“

„Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber mir gefällt der Gedanke nicht, Elesh Norn Zeit zu geben, ihre Pläne in die Tat umzusetzen. Wir müssen diesen Baum zerstören, bevor er die Blinden Ewigkeiten durchdringt, sonst drohen katastrophale Folgen. Wir könnten wesentlich mehr verlieren als nur Mirrodin“, sagte Kaya.

Nahiri blickte Jace an. „Diese Leute haben keine Ahnung, wobei sie uns helfen“, sagte sie mit leiser Stimme.

Melira wandte sich ihm zu. „Womit hältst du ihrer Meinung nach hinterm Berg?“

Jace schnitt eine Grimasse und wandte sich ab, bevor er antwortete. „Wir werden eine Bombe im Mittelpunkt dieser Welt zünden. Die Schockwelle sollte sich den Baum entlang ausbreiten und ihn zerstören, ohne auf Mirrodin Schaden anzurichten, aber natürlich können wir das nicht testen. Unsere Annahmen zur Stabilität Mirrodins konnten unmöglich die erheblichen Umstrukturierungen einbeziehen, die du uns gezeigt hast.“ Er wies auf Nahiris Kugel, die trotz ihres Weggangs immer noch rotierte. Sie war wohl nicht weit weg.

„Also könnte uns das doch zerstören.“

„Wenn ich Ja sagen würde, würdet ihr uns dann eure Hilfe verweigern?“

„Wenn du Nein gesagt hättest, hätte ich euch unsere Hilfe verweigert“, sagte Melira. „Koth ist ein Geomagier, kein Lithomagier – er sagt, es gibt da einen Unterschied, aber ich kenne mich damit nicht aus – und das Land spricht mit ihm, wo es noch Gestein gibt. Er sagte mir, dieses Vorhaben könnte unsere Welt womöglich destabilisieren. Wenn dadurch der Rest des Multiversums gerettet werden kann, ist es das Risiko wert, solange ihr uns nicht anlügt.“

Kaya nickte. Sie standen auf einem Friedhof aus Asche und Stahl, dem Respekt gebührte, während sie ihn für ihre Ziele nutzten. Ihr Vorhaben könnte Mirrodin für immer zerstören, und es fiel ihr schwer, das als etwas Schlechtes anzusehen, wenn dadurch die Chance bestand, auch die phyrexianische Bedrohung des Multiversums zu eliminieren. Wenn der Sylex detonierte, würde eine Schockwelle entstehen, das war unbestreitbar. Aber falls der Weltenbaum die Blinden Ewigkeiten noch nicht durchdrungen hatte, würde die Schockwelle keinen anderen Ausweg haben. Sie könnte diese Welt in Stücke reißen.

„Dann sollten wir aufbrechen“, sagte Jace. „Die mirranischen Streitkräfte haben sich bereit erklärt, uns ihre überschüssige Ausrüstung zu überlassen, falls jemand zusätzliche Waffen oder Rüstung braucht. Phyrexianisches Öl muss nicht die Haut durchdringen, um euch zu infizieren.“

Koth trat vor. „Unsere Ausrüstung ist mit einer Substanz behandelt, die wir Hexagold nennen. Sie ist selten und kostbar, bietet aber einen gewissen Schutz vor Phyrese und macht Waffen wirksamer gegen Vollendete. Wir haben Vorräte, mit denen ihr eure mitgebrachte Ausrüstung behandeln könnt.“

„Das ist mir neu“, sagte Elspeth. „Woher kommt es?“

„Ein letztes Geschenk Mirrodins“, sagte Koth. „Wir reisen nach oben nach Mirrex und sammeln die verbleibenden Platten der Glimmerleere ein. Indem wir diese Platten mit Blinkmottenserum behandeln, entsteht aus dem Metall Hexagold, mit dem wir uns schützen können.“

„Könnte ich ein Stück dieses ‚Glimmerleere‘-Metalls bekommen?“, fragte Tyvar.

„Ja“, sagte einer der Mirraner, der bislang stumm zugehört hatte. „Komm mit.“ Er bedeutete Tyvar, ihm in die Menge zu folgen. Tyvar tat dies. Nach kurzem Überlegen folgten ihnen auch Koth und Kaito.

„Wir können hier nicht viel länger verweilen“, sagte Melira. „Wir überleben in der Schmelzofenschicht nur solange, wie Urabrask es zulässt, und er mag es nicht, wenn wir es uns hier zu gemütlich machen.“

Kaya runzelte die Stirn und blickte zu Jace. Er nickte Melira zu. „Natürlich“, sagte er. An Kaya gewandt erklärte er: „Urabrask ist der Prätor der Stillen Schmelze. Man kann nicht behaupten, dass er ihnen Unterschlupf gewährt, aber er lässt zu, dass sie sich nehmen, was sie finden, um zu überleben. Das Chaos, das er verursacht, könnte für uns der Schlüssel zum Erfolg sein.“

„Wir stehen also in der Schuld eines Phyrexianers“, sagte Kaya mit gekräuselten Lippen. „Das ist schwer zu verdauen.“

Melira seufzte. „Wir leben in einer Zeit der Schrecken, da ist alles schwer zu verdauen“, sagte sie. „Der Tunnel ist sicher, damit wir ihn nutzen können, oder zumindest so sicher, wie er sein kann – hier können sich die Dinge von Augenblick zu Augenblick verändern, und was eben noch sicher war, kann im nächsten Moment dein Untergang sein. Wie auch immer, er ist robuster mirranischer Bauart und führt zu den Dross-Gruben.“ Sie zeigte auf die rotierende Sphäre.

„Und wenn der Tunnel infiltriert wurde?“, fragte Kaya.

Melira seufzte. „Dann müssten wir uns zu den Dross-Gruben durchkämpfen, und wir würden niemals lebendig ankommen. Euer Plan würde fehlschlagen. Euer Multiversum würde fallen. Wir vertrauen dem Tunnel.“

„Ich wollte damit nicht sagen, dass wir das nicht tun sollten“, sagte Kaya. „Ich kenne nur gerne alle Details eines Plans.“

„Verstehe; ich auch“, sagte Melira besänftigt. „Wir steigen hinab in die Dross-Gruben, brechen in Elesh Norns Palast ein, während ihre Streitkräfte anderswo gebunden sind, und verschaffen uns Zugang zum Saatkern, um den Baum zu zerstören, bevor er die Verbindung zu den anderen Welten abgeschlossen hat.“

„Ganz einfach“, sagte Kaya. „Was kann da schon schiefgehen?“

„So ziemlich alles“, sagte Jace grimmig, und Melira lachte.

„Ich werde nach den anderen von euch sehen“, sagte sie, pflückte Nahiris Modell von Mirrodin aus der Luft und steckte es sich im Weggehen unter den Arm. Kaya und Jace blieben alleine zurück.

Nicht weit entfernt kniete Kaito mit seinem Tanuki an seiner Seite und pflegte einen Hauch Hexagold in die Schneide seiner Klinge ein. Es hinterließ schimmernde Flecken. „Es widerstrebt mir, meine Waffe mit etwas zu beschichten, das den Stahl verändern könnte“, sagte er.

Tyvar zuckte mit den Schultern, während er eine sechseckige Metallplatte, die glänzte wie auf unwirkliche Weise angelaufenes Quecksilber, zwischen seinen Finger drehte. „Dieses Glimmerleere-Metall ist völlig anders als alles, was mir bisher begegnet ist“, sagte er. Er blickte zu dem Mirraner, der sie in diese notdürftige Rüstkammer geführt hatte. „Und es wehrt ihr ‚glitzerndes Öl‘ ab?“

„Retten wird es dich nicht“, sagte der Mirraner und reichte Tyvar einen Schild. „Die Infektion kann trotzdem Fuß fassen, und du kannst trotzdem verloren gehen. Aber deine Hiebe werden schärfer, und es kann dir Zeit verschaffen.“

„Zeit ist alles, was wir brauchen“, sagte Tyvar.

Illustration von: Heonhwa Cho

Kaito lächelte und schüttelte den Kopf. „Der Kurs in Metallurgie kann warten, wir müssen unsere Vorbereitungen abschließen“, sagte er, teilte sein Schwert in seine einzelnen Wurfsterne auf und fuhr sorgfältig mit dem Hexagold-Wetzstein an jeder Schneide entlang.

Melira stapfte vorbei und machte kurz Halt, um sich im Vorbeigehen einen kleinen Beutel Hexagoldstaub zu greifen.

„Kann ich meine Drohne irgendwie damit behandeln?“, fragte Kaito.

Tyvar fixierte den anderen Mann. Das war eine berechtigte Frage, und er war an der Antwort interessiert, wenn auch nicht ganz so sehr wie Kaito.

„Wir können das kleine Konstrukt mit dem Staub behandeln, wenn sein Getriebe das übersteht“, sagte der Mirraner.

Kaito lachte. „Staub ist immer eine Gefahr. Aber sie wird das schon wegstecken.“

In der Nähe saßen Koth und Elspeth auf groben Kisten und sahen sich an wie verloren geglaubte Geschwister – was sie auf gewisse Weise auch waren. Geboren auf verschiedenen Welten, Träger verschiedener Funken, aber Geschwister in derselben furchtbaren Schlacht. Einer Schlacht, die noch nicht vorüber war.

„Ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen“, sagte Elspeth.

„Ich dachte dasselbe über dich“, sagte Koth. „Du bist ein Wunder auf zwei Beinen. Aber ich wünschte, du wärst nicht gekommen. Du hast dich aus dieser Sache freigekämpft. Du hättest verschont bleiben sollen. Du hättest nach deiner Heimat suchen können, du hättest entkommen können, und stattdessen –“

„Ich bin eine Kriegerin“, sagte Elspeth. „Vielleicht möchte ich das nicht, aber ich muss eine Heldin sein, zu Ehren jener, die nie die Gelegenheit dazu hatten. Ich muss es versuchen, Koth, und wenn ich nicht gekommen wäre, obwohl ich von der Gefahr wusste, wäre ich nichts weiter als ein Feigling.“

„Ich verstehe“, sagte er. „Es ist eine Ehre, dass ich nun eine weitere Gelegenheit habe, Seite an Seite mit dir im Kampf unterzugehen.“

Elspeth brachte ein schwaches Lächeln über die Lippen. „Ich wünschte nur, wir hätten etwas mehr Zeit gehabt.“

„Das ist der Preis, den wir dafür zahlen, wir selbst zu bleiben und nicht Teil der phyrexianischen Masse zu werden“, sagte Koth. Er stand auf und reichte ihr seine Hand. „Komm mit. Es ist bald Zeit, aufzubrechen.“

Sie blinzelte zu ihm hoch, ergriff seine Hand und ließ sich von ihm hochziehen. „Du kommst mit uns?“

„Das tue ich“, bestätigte Koth. „Ich habe ein Sprengteam auf Abruf, das übernehmen kann, falls euer Sylex scheitert. Du weißt, ich mag keine Probleme, für die es nur eine Lösung gibt. Dieser Baum wird in keiner anderen Erde Wurzeln schlagen.“

Elspeth lächelte. „Ich bin froh, dich an meiner Seite zu haben. Aus Eigennutz und auch, weil ich glaube, unsere Erfolgschancen sind dadurch erheblich gestiegen.“

„Du hattest immer schon zu viel Vertrauen in mich“, sagte Koth beschwingt, und zusammen gingen sie zurück zu den anderen, die sich auf Krieg vorbereiteten.

Nahiri, die darauf gewartet hatte, dass sie gingen, trat aus den Schatten hervor und in die relativ ungestörte Privatsphäre der Stelle, an der sie sich unterhalten hatten. Sie zischte, als sie den Verband von ihrem Nacken löste und den stumpfen, verhärteten Stachel freilegte, der dort wuchs.

„Habe ich es mir doch gedacht“, sagte Melira hinter ihr.

Nahiri erschrak und wirbelte herum, um sich der schlanken Mirranerin entgegenzustellen. Melira wich kein Stück zurück.

„Leute, die immer noch an der Hoffnung festhalten, dass sie sich geirrt haben, haben eine ganz eigene Ausstrahlung, und die hattest du“, sagte sie. „Hier.“ Sie griff in ihre Tasche und warf den Beutel Hexagold zu Nahiri, die ihn fing und eine Weile lang anstarrte, bevor sie Melira verständnislos anblickte.

„Für dich ist es noch nicht zu spät“, sagte Melira. „Ich könnte dich jetzt behandeln, und du hättest gute Chancen, zu genesen. Aber ihr würdet Tage verlieren, wenn wir das täten, vielleicht mehr.“

„So viel Zeit haben wir nicht“, sagte Nahiri.

„Ich dachte mir, dass du das sagen würdest“, sagte Melira. „Deine Infektion ist noch nicht weit fortgeschritten, wir können mit der Behandlung noch warten. Du hast noch Zeit, bevor ich dich nicht mehr zurückholen kann. Versuche es mit dem Hexagold. Falls es nicht hilft, kannst du mir immer noch sagen, wie du dich entscheidest.“

Der Stachel, der aus Nahiris Nacken wuchs, lag anscheinend unter einer Schicht normaler Haut; sie rief einen scharfkantigen Schieferstein herbei und durchschnitt damit das dünne Gewebe, bis sie auf etwas Hartes stieß, von dem sie – von Herzen – hoffte, dass es Knochen war. Mit ihrer anderen Hand streute sie den Hexagoldstaub auf die Wunde, die sie verursacht hatte. Die Haut verkrampfte, und sie spürte, wie sich eine Blase bildete, die das Hexagold aus ihrem Körper drängte. Die Haut flickte sich mit einem krampfhaften Juckreiz wieder zusammen; sie berührte sie vorsichtig und fand weder Naht noch Blut, nur eine dünne, grobkörnige Schicht Hexagold.

Mit steinerner Miene drückte Nahiri den Verband wieder an ihre Haut und blickte zu Melira. „Es hat nicht funktioniert“, sagte sie. „Du meintest, du kannst mich in Ordnung bringen?“

„Das kann ich“, sagte Melira. „Aber wenn ich das tue … belastet das deinen Körper sehr. Dann bist du tagelang außer Gefecht.“

„Kannst du das nicht irgendwie beschleunigen?“

„Das ist beschleunigt. Dein Körper kämpft bereits so hart er kann. Das hilft mir. Aber wir werden dich für eine Weile verlieren. Können wir auch ohne dich gewinnen?“

Nahiri blieb stumm, aber ihre finstere Miene war Antwort genug. Nein. Nein, das konnten sie nicht. Sie war die mächtigste Magierin, die sie hatten, und sie waren auf einer Welt, die geradezu dafür gemacht war, auf ihre Magie anzusprechen. Sie brauchten sie. „Nach allem, was ich für das Multiversum geleistet habe, sollte es nicht so enden“, sagte sie. „Das ist nicht richtig.“

„Und es wird auch nicht so enden“, sagte Melira. Sie warf Nahiri die Sphäre zu, die sie bei sich getragen hatte. Sie blieb mitten zwischen ihnen stehen und fing wieder an, langsam zu rotieren. „Du bist stark. Du kämpfst dagegen an. Jetzt wirst du umso härter um Mirrodin und um deine eigene Zukunft kämpfen.“

Nahiri nickte langsam. „Und wenn ich schon infiziert bin, kann ich diesen phyrexianischen Arschlöchern zeigen, wie viel Schaden eine Tochter Zendikars anrichten kann, bevor sie mich zu Fall bringen.“

„Gut“, sagte Melira. „Wir kämpfen also jetzt, und ich heile dich später.“

Nahiri nickte und trat an Meliras Seite. Zusammen gingen die beiden zu den anderen zurück. Es war Zeit, aufzubrechen.

Jace und Kaya standen bereits auf einer kleinen Handhebeldraisine, die sie in das Tunnelsystem bringen würde, das zu den Dross-Gruben führte. Beide schauten grimmig entschlossen, bereit für alles, was kommen mochte, ohne Anzeichen von Nervosität.

Nahiri beneidete sie etwas um dieses Selbstvertrauen. Ihr eigenes ließ nach.

Dann nickte Jace, und die Besatzung der Draisine begann, die Hebel zu bedienen. Sie bewegten sich hinab in die Dunkelheit.

Die anderen stiegen auf ihre jeweiligen Draisinen. Tyvar mit Kaito, Nahiri mit Melira und einer Gruppe Mirraner. Koth und sein Sprengteam benötigten eine ganze Draisine für sich, sodass am Ende nur noch Elspeth den Weg in die Dunkelheit vor sich hatte. Sie hielt inne und sah sich im Lager um. Es war so vergänglich, so provisorisch und doch ausdauernd. Ein Sinnbild für das, was vom Widerstand übrig war. Dies war der Zeitpunkt, an dem Mirrodin sein Schicksal in die Hand nehmen und lädiert, aber frei, wieder aufsteigen oder aber für immer untergehen würde.

Sie mussten siegen. Sie mussten. Nicht nur für das Multiversum, sondern auch für die Mirraner, die gestorben waren, damit sie so weit kommen konnten, und auch für die Mirraner der Zukunft, die so viel mehr verdienten als diese zerbrochene Welt.

Entschlossener denn je stieg Elspeth auf die letzte Draisine, nickte den Elfen zu, die sie bedienten, und begann ihren eigenen Abstieg in die Schatten Neu-Phyrexias.