Elspeth ging schneller, um zu Koth aufzuschließen. Beide liefen so schnell, wie die mit Trümmern übersäte Plattform es zuließ. Nahiris Opfer hatte sie ihrem Ziel näher gebracht. Es hatte ihnen – mit Ausnahme von Kaya – aber auch wortwörtlich Steine in den Weg gelegt, da bei jedem Stolpern auf dem Geröll ein Sturz in die Tiefen der Schicht drohte.

Das Loch im ansonsten makellosen Himmel über ihnen war immer noch sichtbar, eine klaffende Wunde in der Porzellan-Perfektion dieses Ortes, aus der alle Farben Phyrexias quollen. Sie eilten durch ein Kriegsgebiet, und obgleich man nicht behaupten konnte, dass sie von seinen Schrecken unberührt geblieben waren, so waren sie doch vorerst klein genug, dass sie keine Aufmerksamkeit auf sich zogen.

Illustration von: Marc Simonetti

Elspeth warf einen giftigen Blick auf die Kämpfenden über ihnen. Wartet nur, dachte sie verbissen. Ihr werdet noch bereuen, was ihr uns angetan habt.

Aber das würden sie nicht. Das wusste sie. Selbst wenn von jetzt an alles perfekt liefe, selbst wenn sie einen unmöglichen Sieg aus diesem Chaos davontrügen, würde Phyrexia es nie bereuen, Mirrodin zerstört zu haben. Reue gab es für sie nicht. Phyrexia diente nur dem größeren Wohl und dem Ruhm Phyrexias, und am Ende zählte nur das. Alles würde eins oder alles würde ganz zu existieren aufhören.

Die hohe Brücke, auf der sie gelandet waren, wirkte eigentlich zu schwach, um den Einschlag eines so großen Stücks von Sheoldreds Kolosseum auszuhalten. Selbst wenn die Brücke normalerweise stabil genug gewesen wäre, hätten die Umstände ihrer Ankunft ihnen noch mehr Gewicht verleihen müssen, da die Größe von Nahiris Opfer sie in die unergründlichen weißen Tiefen hatte stürzen lassen. Als Elspeth über den Rand blickte, konnte sie weiter in die Schicht unter ihnen sehen, als überhaupt möglich erschien. Ein Gitter aus alabasterfarbenen Plattformen, die durch lange Brücken aus blutroten Sehnen miteinander verbunden waren, erstreckte sich überall um sie herum.

Nach der befleckten Nekrogen-Ödnis der Dross-Gruben erinnerte dieser Anblick Elspeth an Blut auf dem weißen Sand von Theros, das besudelte, was makellos hätte sein sollen. Koth, Melira und die Goblin-Ingenieure waren gebürtige Mirraner. Die Planeswalker waren hier zwar fremd, aber dies war Mirrodin, dies war ihre Welt, nicht Phyrexias, ganz gleich, wie sehr das glitzernde Öl sie transformierte. Es hätte nie dazu kommen dürfen, dass sie in ihrer eigenen Heimat fehl am Platz wirkten.

Kleine Gebäudegruppen erhoben sich aus den Plattformen des Gitternetzes wie organische Skulpturen. In ihnen verbanden sich die glatten Kurven bearbeiteten Metalls mit der organischen Rauheit von Knochen und Sehnen. Alles war Rot auf Weiß, eine ganze Welt in der Gestalt Elesh Norns, wie ein schrecklicher Traum.

Die Brücken waren offenbar dafür gedacht, dass Mengen von Phyrexianern sie problemlos überqueren konnten, doch sie waren bis auf die Planeswalker selbst leer. Der Kampf, der über ihnen tobte, war zu weit entfernt, als dass auch nur sein Widerhall bis zu ihnen durchgedrungen wäre; sie hätten genauso gut allein sein können. Nur ein leiser Gesang erfüllte die Luft, als würden die Bauwerke selbst ihnen etwas vorsingen, eine phyrexianische Hymne der Schrecken.

„Nahiri hat ein gewaltiges Opfer für uns gebracht“, sagte Koth. „Wir müssen weiter, damit das Ende, das sie gewählt hat, nicht umsonst war.“

„Sie war infiziert“, sagte Elspeth. „Mir sind kurz vor dem Ende Veränderungen an ihr aufgefallen. Sie wusste ganz sicher, was mit ihr geschah. Aber sie hat nie etwas gesagt.“

„Mir hat sie es verraten“, sagte Melira, die zu ihnen aufgeschlossen hatte. „Sie fragte mich, ob ich ihr helfen könnte, als wir noch in der Schmelze waren.“

„Hättest du das?“, fragte Elspeth.

„Ja“, sagte Melira und atmete tief ein. „Ich hätte ihr helfen können, aber den Vorgang der Phyrese umzukehren ist, wie einen Dornenbusch aus fruchtbarer Erde zu entfernen. Er schlägt Hunderte von Wurzeln. Wenn man eine freilegt, findet man Hunderte weitere. Ihr Körper hätte Tage gebraucht, um sich von dem bereits entstandenen Schaden zu erholen. Wir hätten sie zurücklassen müssen.“

„Das hat sie wohl als Zeitverschwendung gesehen, die wir uns nicht leisten konnten“, sagte Elspeth.

Während sie im Gehen miteinander sprachen, hatten sie Kaya eingeholt. Diese sah sie an und hörte zu, bevor sie fragte: „Könntest du Jace auf die gleiche Weise heilen?“

„Wenn er mich ließe, ja“, sagte Melira.

Kaya blickte zu Jace zurück, der mit verschlossener Miene die Brücke entlangging. Der Beutel mit dem Sylex sprang an seiner Hüfte auf und ab. Die Wunde an seinem Arm hatte sich gewandelt: Drähte und helles Metall schimmerten durch die Verbrennung. Das verbleibende Fleisch sah roh und feucht aus, solange es noch nicht schwarz geworden war und sich in faserige Drähte verwandelt hatte.

„Ich glaube nicht, dass er das zulassen wird“, sagte sie mit leiser Stimme.

„Dann kennst du mich besser, als du dachtest“, sagte Jaces Stimme in ihrem Kopf. Melira, die weniger Erfahrung mit Telepathie hatte als die meisten anderen, schaute überrascht. „Ich bitte euch, dachtet ihr etwa, ich würde nicht zuhören, wenn ihr meine Zukunft besprecht? Ich werde nicht alles aufs Spiel setzen, um mein eigenes Leben zu retten. Besonders jetzt, da wir Vraska schon verloren haben. Diese Last bin ich nicht bereit zu tragen.“

„Ich bin froh, dass du noch bei uns bist“, sagte Kaya.

„Fürs Erste“, erwiderte Jace grimmig. Seine telepathische Stimme verstummte wieder, da er all seine Energie ins Weitergehen stecken musste.

„Wir werden Nahiris Geschichte und das Ende, das sie dafür geschrieben hat, ehren, indem wir das hier siegreich zu Ende bringen“, sagte Tyvar, der zusammen mit Kaito dicht hinter ihnen lief. „Ein großes Opfer verdient eine große Erzählung.“

„Ich hoffe nur, dass sie tot ist“, sagte Kaito.

Elspeth sah sich erschüttert zu ihm um. „Wie meinst du das?“, fragte sie.

Der schlaksige Planeswalker zuckte mit den Schultern, sodass sein Tanuki sich an ihnen festklammern musste. „Du musst zugeben, dass sie wohl die Mächtigste von uns war.“

„Ja“, sagte Elspeth langsam.

„Sie ist so erfahren, dass wohl niemand von uns es mit ihr aufnehmen könnte“, fuhr er fort. „Vielleicht nicht einmal zwei von uns. Aber eins gegen eins gegen derart ungezügelte Macht? Ich hätte keine Chance und du auch nicht. Ich will ihr nicht auf dem Schlachtfeld gegenüberstehen. Sie hat sich entschieden, uns einen Weg nach vorne zu bahnen, auch wenn das bedeutete, dass sie sich von der einzigen Person isolierte, die sie vielleicht retten könnte. Ich hoffe, dass ihr Opfer endgültig war und sie nicht unterwegs hängen bleibt und sich gegen diejenigen wendet, die sie schützen wollte.“

„Manchmal ist es besser, um eine Gefährtin zu trauern, als zu riskieren, gegen sie zu kämpfen“, sagte Tyvar mit untypisch niedergeschlagener Stimme.

Es war ein verstörender Gedanke, mit dem Elspeth sich nicht auseinandersetzen wollte, auch wenn sie wusste, dass dies unvermeidlich war. Sie hatten in den Trümmern keine Leiche gefunden. Obwohl Nahiri sich für sie geopfert hatte, war nicht auszuschließen, dass sie in veränderter Form, in eine unermüdliche Feindin transformiert, zurückkehren würde.

„Diese Vorstellung ist schrecklich“, sagte Kaya. „Danke dafür.“

„Dies ist kein Ort, an dem man sich Illusionen machen sollte.“ Kaito zuckte die Achseln. „Wenn wir die Dinge nicht so betrachten, wie sie sind, tut es uns am Ende nur weh.“

„Ähm, was zur Hölle ist das?“, fragte Kaya und blieb ruckartige mitten auf dem Weg stehen. Sie starrte mit offenem Mund auf einen stehenden Koloss, der von weit unten emporragte.

Sein Kopf war eine umgekehrte Träne aus weißem Metall, die in der Mitte durch eine einzige rote, leere Augenhöhle zweigeteilt war, als ob etwas noch Größeres ihm das Auge ausgerupft hätte. Sein Körperbau war gekrümmt und gestreckt, sodass man ihn unmöglich mit anderen Körperformen vergleichen konnte. Er sah weder Insekten noch Reptilien noch Menschen ähnlich, noch folgte er irgendeinem anderen vorhersehbaren Aufbau. Der Koloss war in Rot und Weiß gegossen, sodass er sich fast perfekt in die Landschaft einfügte. Bevor Kaya sie darauf hingewiesen hatte, hatte Elspeth ihn für ein weiteres monumentales Bauwerk gehalten.

„Elesh Norn gibt nicht gerne auf, was sie als ihr Eigentum betrachtet“, sagte Koth finster. „Sie lässt ihre Günstlinge – jene, die ihr am treusten dienen oder am erbittertsten für sie kämpfen – verknöchern. Sie verwandelt sie in Knochengebilde, die in ihre Bleiche Basilika eingebaut werden.“ Er deutete auf die Statue. „Wir sollten trotzdem vorsichtig sein. Ich habe schon erlebt, wie solche Gebilde plötzlich lebendig wurden und Mirraner töteten, die ihnen zu nahe kamen.“

Dies konnte also eine Statue sein oder ein Phyrexianer, der zuschlagen würde, sobald sie sich ihm näherten. Er stand direkt an der Brücke, eine sich auftürmende Bedrohung. Elspeth verzog das Gesicht und legte ihre Hand an den Griff ihres Schwertes.

„Können wir uns eine sicherere Brücke suchen?“, fragte Kaito.

„Nicht, wenn wir Elesh Norns Altar erreichen wollen“, sagte Koth. „Von dort aus können wir zu den Mycosynth-Gärten gelangen. Diese verschaffen uns wiederum Zugang zum Saatkern, wo sie ihren Weltenbrecher gepflanzt hat. Das ist unser Ziel.“

„Ich begreife noch immer nicht, wie es ihr gelingen konnte, auch nur eine so erbärmliche Nachahmung eines Weltenbaums zu pflanzen“, sagte Tyvar. Das gewaltige Ausmaß der Bleichen Basilika nahm seiner normalerweise vollen Stimme etwas von ihrer Präsenz, sodass er fast reduziert klang.

Sie alle fühlten sich hier reduziert. Sie alle waren durch die Präsenz Phyrexias kleiner.

Tyvar fuhr fort: „Der Weltenbaum wächst im Kosmos selbst und verbindet die Reiche von Kaldheim. Er existiert sowohl innerhalb als auch außerhalb der Realität. Selbst wenn jemand irgendwie einen Samen stehlen könnte, hätte er diese Welt in zwei Teile spalten müssen, als er aufkeimte. Es ist wundersam und zugleich schrecklich, dass dem nicht so war.“

„Wir hatten so etwas noch nie zuvor gesehen“, sagte Koth. „Die meisten von uns haben ihn noch immer nicht gesehen. Melira ist die einzige Agentin, die es bisher zum Baum und zurück geschafft hat.“

„Nur, weil sie mich nicht infizieren können“, sagte Melira. „Alle, die mit mir in die Gärten gekommen waren und lange genug überlebt hatten, um es wieder hinauszuschaffen, sind der Infektion erlegen, bevor wir es nach Haus schaffen konnten. Elesh Norns Baum ist unter uns im Saatkern gepflanzt, wo sie Karn gefangen hält. Dieser Baum ist ein fürchterliches Ding. Tyvar hat recht – wenn man ihn sich ansieht, würde man meinen, er würde die Welt in zwei Teile spalten. Seine Wurzeln reichen tief, und seine Äste schlagen so weit aus, dass sie in die Mycosynth-Gärten eindringen.“ Sie runzelte die Stirn. „An einigen Stellen sehen sie so aus, als wären sie unter Wasser. Die Äste sehen ganz merkwürdig und verzerrt aus, mit ihnen stimmt etwas nicht.“

„Omenpfade“, sagte Tyvar. „Irgendwie erzeugt sie Omenpfade auf den Ästen eines Baumes, der kein Recht hat zu existieren.“ Er machte ein finsteres Gesicht und sah dann den regungslosen Riesen, der in der Nähe aufragte, böse an. „Wir müssen dem ein Ende setzen.“

„Genau deswegen sind wir hier“, sagte Kaya. Sie blickte zu Koth. „Können wir weiter?“

„Wenn er uns angreift, dann greift er uns eben an“, sagte er. „Elesh Norns Altar ist nicht mehr weit.“ Er deutete auf ein Bauwerk, das größer und prunkvoller aussah als die anderen und sich gen Himmel reckte wie eine Zitadelle aus gleißendem Weiß und brutalem Rot, zugleich organisch und mechanisch. Es war auf seine eigene strenge und karge Art schön. Es war ein Monument an ein vereintes Phyrexia.

Elspeths Augen schmerzten, wenn sie es zu lange ansah. Sie umklammerte den Griff ihres Schwertes noch fester und nickte. „Wir gehen weiter.“

Sie gingen wieder los. Jetzt waren sie dichter zusammen als zu Beginn ihres Weges über die Brücke. Kaya hielt immer noch so viel Abstand von Jace wie möglich, aber unabhängig davon, was er gesagt hatte, um sie dazu zu bringen, ihm den Sylex zu geben, starte sie ihn nicht mehr offen finster an.

Der Goliath rührte sich nicht. Sie gingen unter seinem leeren Blick an ihm vorbei, ohne dass er sie angriff, und hielten auf die Gebäude am Ende der Brücke zu. Kaya führte die Gruppe weiterhin an und destabilisierte sich durch die Trümmer auf ihrem Weg, statt sie zu umgehen, wobei sie kleine Wolken purpurner Energie hinterließ.

Es folgten Koth, Elspeth und die Mirraner, dann nur etwa einen Fuß hinter ihnen Kaito, gefolgt von Tyvar und schließlich Jace mit dem Sylex. Tyvar blickte immer wieder zu ihm zurück und sagte schließlich: „Beeil dich, mein lieber Freund Jace. Wir wollen dich doch jetzt nicht verlieren.“

„Nein, das wollen wir sicher nicht“, sagte Jace mit einem Anflug von schwarzem Humor. „Schließlich können wir ohne mich das Multiversum nicht retten.“

Die Türen zum Altar standen vor ihnen sperrangelweit offen wie das entsetzliche Maul einer unwirklichen, alles verschlingenden Bestie. Das Bauwerk sah aus, als sei es gefangen zwischen Leben und Tod – eine Mischung aus stationärer Architektur und versteinerter Leiche. Elspeth bekam bei seinem Anblick Gänsehaut. Dennoch traten sie wachsam und auf Ärger gefasst in die leere Vorhalle.

„Ich habe stark das Gefühl, als würden wir gerade in eine Falle tappen“, sagte Tyvar flüsternd, nicht aus Respekt für den Ort, sondern aus dem nachvollziehbaren Wunsch, keine Aufmerksamkeit zu erregen. Die Wände waren mit erstarrten Phyrexianern besetzt: Elesh Norns teuersten Untertanen.

Illustration von: Nino Vecia

„Das tun wir wahrscheinlich auch“, sagte Kaya. „Zuerst werden wir über die ganze Welt verstreut, dann finden wir Vraska, die gerade noch lange genug lebt, um Jace zu Hilfe zu rufen? Mit Ajani auf ihrer Seite konnten sie unseren Angriffsplan vorausahnen. Er weiß zu viel über uns. Diese Elesh Norn, von der ihr die ganze Zeit redet, scheint schlau genug zu sein, um ihn gegen uns einzusetzen.“

„Schlau ja, allwissend nein“, sagte Melira. „Ihre Streitkräfte sind von der Rebellion abgelenkt. Wir müssen weiter.“

Sie gingen tiefer in das stille Gebäude hinein, vorbei an unzähligen Säulen aus regungslosen Leibern, Wänden, an denen Sehnen wie Efeu und Reihe und Reihe entsetzlich menschlich aussehender Zähne prangten, sowie Tausenden anderen phyrexianischen Albträumen. Die Bleiche Basilika schien sich endlos vor ihnen zu erstrecken, und sie würden alles sehen.


Die Wendeltreppe, die von der Bleichen Basilika hinab in die Mycosynth-Gärten führte, befand sich in einer Kammer unter Elesh Norns Thron. Auch sie war unbewacht, und die Planeswalker rückten enger zusammen, da sie immer stärker das Gefühl hatten, dass eine Falle auf sie wartete. Tyvar spielte mit seinem Stück Glimmerleere-Metall, nur auf den Moment wartend, in dem er seinen Körper in diese härtere, widerstandsfähigere Substanz umwandeln musste. Es fiel ihm schwerer, als er gedacht hätte, sich seine Magie für den Moment aufzusparen, in dem sie gebraucht würde; dieser Ort löste in ihm das Verlangen aus, die ganze Zeit gepanzert zu sein.

Sie alle waren Helden, ehrenwerte Verbündete im Kampf gegen einen schrecklichen Feind, und er war unermesslich froh, dass seine Geschichte ihn an ihre Seite geführt hatte. In den Geschichten folgten auf die größten Verluste immer die größten Siege. Doch unter dem Gewicht Phyrexias und der Zukunft fiel es schwer, dies im Gedächtnis zu behalten.

Am Fuß der Treppe befand sich eine Plattform aus leuchtendem blauem Metall – ein kleines Stück der Bleichen Basilika, das in die Sphäre darunter hineinragte. Das Treppenhaus, das sie heruntergekommen waren, war eine geschlossene Säule hinter ihnen, die sich aufwärts bis zur fernen Decke erstreckte.

Die obere Hälfte der Säule, die der Bleichen Basilika näher war, bestand aus weißem Metall. Je näher sie dem Boden kam, desto mehr wich das Weiß einem stählernen Blaugrau mit einer eigentümlichen Textur, fast wie Kieselsteine. Kaya blinzelte und hob die Hand, als wollte sie die Wand berühren.

„Nein“, sagte Melira scharf. Kaya sah sie überrascht an und ließ die Hand wieder sinken. Melira entspannte sich ein wenig und erklärte: „Das ist Mycosynth. So hat Phyrexia uns ursprünglich eingenommen. Sie sind in Mirrodins Herz eingedrungen und haben ihre infektiösen Sporen durch alles gepumpt, was uns ausmachte.“

Kaya schaute erneut zur Wand und trat dann näher an Koth und sein Sprengteam heran. „Gut zu wissen“, sagte sie.

„Vergib mir, Melira, aber ich sehe keinen Baum“, sagte Tyvar.

Jace stöhnte auf.

Die Gruppe wirbelte herum und sah, wie er seinen Bauch umklammerte. Seine Haut riss weiter auf, während die sich windenden metallischen „Venen“ darunter um die Vorherrschaft über das Gewebe seines Körpers kämpften. Es gelang ihm, sich aufzurichten. Seine Augen leuchteten schwach blau, als seine Stimme in ihren Köpfen widerhallte.

„Melira sagte, wir suchen den Saatkern. Wir müssen noch tiefer hinunter.“

„Tiefer“, sagte Koth. „Ja. Elesh Norn verbietet den Zugang zum Saatkern.“

„Aber es gibt trotzdem einen Weg“, sagte Melira. „Elesh Norn kann nicht durch feste Materie hindurch, im Gegensatz zu eurer Freundin hier.“ Sie wies mit dem Daumen auf Kaya. „Wir müssen es nur bis zur Tür schaffen. Und dann trittst du hindurch.“

Die Planeswalker sahen sich in der von Metall und filigranen Mycosynth-Säulen durchzogenen Landschaft um. Weit und breit waren keinerlei Bauwerke zu sehen, außer dem, aus dem sie gerade gekommen waren.

Illustration von: Andrew Mar

„Wohin müssen wir?“, fragte Elspeth.

„Hier entlang“, sagte Melira und machte sich auf den Weg über den unebenen Untergrund.

Die anderen folgten ihr dicht aneinander gedrängt, um gegen Überraschungen gewappnet zu sein, und wichen dabei vorsichtig den Mycosynth-Säulen aus. Sie führte sie zu einer angehäuften Ansammlung von Pilzsträngen, die wie Eingeweide gewunden waren, als wäre hier eine gewaltige Bestie ausgeweidet worden.

Melira wies auf den Haufen und sagte: „Der Zugang zum Saatkern. Er infiziert alles, was er berührt. Elesh Norn denkt wohl, dass alle Mirraner, die stark genug sind, um so weit zu kommen, die Ehre der Vollendung verdienen. Zum Glück bin ich gegen Phyrese immun – selbst das glitzernde Öl haftet nicht lange an mir.“

Als sie sich dem Haufen näherte, schwankte und pulsierte er, bevor er sich zu einem grauenhaften Loch in die Dunkelheit öffnete, das von wabernden Ranken umringt war. Ein Eingang, der als monströse Anemone getarnt war. Die Ranken streckten sich und streichelten sie geradezu, wobei sie einen Film glitzernden Öls hinterließen. Sie wischte es weg und wandte sich zu den anderen um.

Koth runzelte die Stirn. „Die meisten von uns sind nicht immun wie du, Melira. Wir müssen den Boden aufsprengen.“

„Warum sollten wir damit herumpfuschen? Das kostet uns sämtliche Deckung, die wir haben“, sagte Kaito. „Gibt es keinen anderen Weg nach unten?“

Vielleicht habe ich einen anderen Weg“, sagte Tyvar. Er hielt sein Stück Glimmerleere-Metall hoch. „Im Kolosseum konnte Kaito phyrexianisches Öl von meiner Haut entfernen, bevor es in mich eindringen konnte. Wenn er das Öl schnell genug wegwischen kann, kann ich meine Magie durch uns alle fließen lassen, während wir zum Saatkern gelangen. Wir müssen uns aber beeilen. So viele Leute auf einmal zu transmutieren kann selbst ich nicht lange durchhalten. Aber das sollte uns ein gewisses Maß an Schutz bieten – genug, dass Kaito den Rest erledigen kann.“

„Ich sollte es schaffen, aber dieses Zeug widersteht meiner Telekinese, das wird mir heftige Kopfschmerzen bereiten“, sagte Kaito und ging in Position.

Melira legte die Stirn in Falten. „Wir können es meinetwegen versuchen“, sagte sie. „Wie funktioniert das?“

„Gib mir einen Moment Zeit“, sagte Tyvar. „Keiner von euch kann seine eigene Magie nutzen, während meine auf euch wirkt, aber das heißt nur, dass wir schnell sein müssen.“

Kaito blickte ihn erschrocken an. „Wie soll ich ohne meine Magie das Öl abwischen?“

„Das Halo, das du vorhin genommen hast, sollte dich für ein paar Sekunden ausreichend schützen“, sagte Koth. „So viel Zeit hast du also.“

Kaito nickte, und die Gruppe versammelte sich um Tyvar, der tief einatmete. Der Duft grüner wachsender Dinge wirbelte um sie herum und überlagerte den ölig-pilzigen Geruch des Mycosynth. Nur Kaya erkannte ihn als den Duft der Luft von Kaldheim. Metall begann sich auf Tyvars Haut auszubreiten, zuerst langsam und dann immer schneller, bis sein Körper eine Skulptur aus Glimmerleere-Metall war.

Das Metall breitete sich weiter aus und überzog sie alle problemlos. Jace durchlief die vollständige Verwandlung zuletzt. Die Wunde an seinem Arm schien dem Vorgang einen Moment lang zu widerstehen, als ob Phyrexia nicht gewillt war, seinen eisernen Griff auch nur für einen Augenblick zu lösen.

Als dieser Vorgang abgeschlossen war, hob Tyvar seine Hand und sagte: „Gehen wir.“

Sie gingen geschlossen durch die Masse der Ranken, die über ihre gehärteten Körper strichen und darauf Ölstreifen hinterließen, sie aber nicht angriffen. Vor ihnen lag ein enger Korridor zu einem offenen Vorraum, der wiederum zu einer einzelnen Brücke zu führen schien. Sie eilten weiter, da sie die Grenzen von Tyvars Magie nicht auf die Probe stellen wollten, bevor sie den Korridor hinter sich gelassen hatten.

An seinem Ende betraten sie nicht etwa die grausige phyrexianische Landschaft, an die sie sich inzwischen gewöhnt hatten, sondern eine vitale und lebendige Umgebung, die jedoch noch unheimlicher war, weil sie wuchs. Tyvar blickte zu Kaito. Kaito nickte, und Tyvar hob seinen Zauber auf.

Das Glimmerleere-Metall schmolz weg und offenbarte wieder ihre normale Haut, die vor Öl glitzerte. Kaito rollte seine Schultern, und das Öl glitt von ihren Körpern ab und bildete eine Kugel, die sich dann über den Rand der Brücke stürzte.

„Danke“, sagte Kaya. „Hey, Tyvar, gute Vorstellung – Tyvar?“

Er antwortete nicht. Er starrte auf etwas in der Ferne und trat mit geweiteten Augen und blassem Gesicht auf die Brücke.

Kaya drehte sich um und erblickte den phyrexianischen Weltenbaum. Weltenbrecher.

Es war nicht zu übersehen, dass Elesh Norn ihn gezüchtet, genährt und korrumpiert hatte. Seine Rinde bestand aus dem weißen Porzellan-Metall, das sie in der Bleichen Basilika gesehen hatten, und dort, wo sein Wachstum zu Rissen in seiner Oberfläche geführt hatte, schimmerte ein leuchtendes, qualvolles Rot hervor. Statt Saft weinte er glitzerndes Öl, und auf seiner Oberfläche bewegten sich sonderbare Schatten, die Kaya verwirrten, bis sie weiter nach oben blickte. Längliche weiße Objekte hingen rund um die höchsten Äste des unwirklichen Baumes in der Luft und verblassten in der verzerrten Ferne auf der Suche nach einem Weg in die Blinden Ewigkeiten.

„Invasionsschiffe“, sagte Koth grimmig. „Sie sind fast bereit.“

„Diese ist eine Perversion der innersten Seele Kaldheims“, sagte Tyvar. „Ich wusste, dass das übel war, aber das hier … Das geht über jede Vorstellungskraft.“

Die Luft war gespenstisch still, als würde das gesamte Reich die Luft anhalten. Hoch über ihnen, in den entfernten Ästen des ausladenden Baumes, erschien ein weißes Licht und breitete sich in einem unheimlich symmetrischen Gitter über den Himmel aus.

„Wir müssen uns beeilen“, sagte Jace.

Sie rannten los. Die Brücke, die die Gärten mit dem Kern Neu-Phyrexias verband, war ein schmaler Strich über einem bodenlosen Abgrund; auf ihrer anderen Seite wartete ein dunkler Spalt im Gewirr der Wurzeln des Baumes. Die Planeswalker hatten ihn fast erreicht, als der Himmel erneut aufblitzte, diesmal heller, wie eine Sonne, die hoch oben explodierte.

Die verheerenden Explosionen erfüllten die Luft mit glitzernden, regenbogenfarbenen Verzerrungen gefolgt von den hellen, unbeschreiblichen Blinden Ewigkeiten. Jace stöhnte. Elspeth stolperte und fiel nur nicht von der Brücke, weil Koth ihre Schulter ergriff und sie zurückriss.

Kaya starrte nur ausdruckslos nach oben. „Wir sind zu spät“, sagte sie.

„Kaya –“, sagte Kaito.

Sie wirbelte herum und funkelte ihn an. „Es was alles umsonst“, blaffte sie. „Der Weltenbaum hat sich mit dem Multiversum verbunden. Elesh Norn hat Zugang zu den Blinden Ewigkeiten. Wir sind gescheitert.“

„Ich werde nicht zulassen, dass Kaldheims Herz zu der Waffe wird, die das Multiversum zerstört“, sagte Tyvar. „Wir können immer noch unser Bestes geben, um dies rückgängig zu machen.“

„Beeilung“, stieß Jace atemlos hervor. „Wir müssen uns beeilen.“ Er schaffte nur noch wenige taumelnde Schritte, bevor er zu Boden sackte.

„Tyvar“, sagte Koth.

Tyvar nickte, und seine Haut überzog sich mit Metall, nachdem er sein Stück Glimmerleere-Metall berührt hatte. Er näherte sich Jace, hob den anderen Mann hoch und trug ihn in seinen Armen. Zusammen ging die Gruppe weiter, in den Spalt und die Dunkelheit.


Der Eingang führte in einen Hohlraum im Baum, einen großen kuppelförmigen Raum aus verwobenen Wurzeln. Dunkle Gänge führten von der Kammer weg, wobei der größere direkt voraus den Hauptkanal darzustellen schien. Mitten im Raum auf einem niedrigen Podium lag Karn.

Illustration von: Kasia „Kafis“ Zielińska

Der große Silbergolem war aufgebrochen, lebend seziert und über die ganze Plattform verteilt worden. Am schrecklichsten war jedoch, dass er beim Geräusch ihrer Schritte seinen Kopf drehte und krächzte: „Ihr hättet nicht herkommen sollen. An diesem Ort habt ihr nichts verloren.“

„Karn!“ Koth und Elspeth eilten auf ihn zu, berührten ihn jedoch nicht. Stattdessen starrten sie auf den Schaden, den er erlitten hatte.

„Was haben sie getan?“, fragte Elspeth.

„Ist das nicht offensichtlich? Sie haben ihren Vater der Maschinen zurückgewiesen.“ Karn schüttelte seinen Kopf. Es schien die einzige Bewegung zu sein, zu der er noch imstande war. „Beeilt euch. Die Invasion ist noch jung. Noch könnt ihr vielleicht einige der Welten retten. Es sei denn … Nein. Der Sylex wurde zerstört. Alles ist verloren.“

„Wir haben einen weiteren hergestellt“, sagte Elspeth. „Wir können das hier noch immer beenden.“

Karn hielt inne, offenbar nachdenkend. „Ihr müsst zur Wurzelquelle und ihn dort zünden.“

„Aber –“, setzte Melira an, verstummte aber sofort, weil Koth ihr einen scharfen Blick zuwarf.

„Ich würde euch diese Last abnehmen, wenn ich könnte“, sagte Karn. „Es hätte von Anfang an meine Aufgabe sein sollen. Ihr solltet frei sein, auf eure Heimatwelten zurückzukehren und sie vor dem zu schützen, was ihnen bevorsteht.“

„Aber du kannst es nicht tun“, sagte Kaya. „Du kannst dich nicht einmal bewegen.“

„Für mich ist es zu spät“, sagte Karn.

„Nicht nur für dich“, sagte Jace und stemmte sich gegen Tyvars Brust. Der andere Mann setzte ihn ab, und er näherte sich Karn mit ausgestrecktem Arm, um ihm seine sich ausbreitende Wunde zu zeigen. „Auch für mich ist es zu spät. Lass mich ihnen das Multiversum vorenthalten.“

Er humpelte zum Durchgang auf der anderen Seite des Raumes. Nach einer unangenehmen Pause folgten Tyvar und Kaya ihm.

Melira kniete sich neben Karns Kopf, wischte die Spuren glitzernden Öls weg und versuchte, ihm in eine bequemere Position zu helfen. Koth und das Sprengteam schwärmten um ihn herum aus und brachten Sprengsätze an seinen Fesseln an, um ihn zu befreien. Elspeth hielt im Durchgang inne und folgte weder den anderen Planeswalkern, noch half sie Karn. Sie blickte nur zu ihm zurück.

„Ich sollte – sie brauchen – aber willst du, dass ich bleibe?“, fragte sie.

„Aus Eigennutz möchte ich Ja sagen, aber das kann ich nicht“, krächzte Karn. „Ich hätte nie gedacht, dass du diese Welt jemals wiedersehen würdest. Es tut mir so leid. Ich wünschte, du müsstest nicht mit uns sterben.“

„Es war meine Entscheidung, Karn.“

„Du solltest mit deinen Freunden gehen und dann von dieser Welt verschwinden. Finde einen besseren Ort für dein letztes Gefecht.“

„Nein“, sagte Elspeth. „Ich habe es satt, davonzulaufen.“

Karn seufzte. Seine Stimme war offenbar erschöpft.

„Wir bleiben hier, um uns um die Sprengsätze zu kümmern und Karn zu helfen, sobald er frei ist“, sagte Koth. „Geht.“

„Ich wünschte, ich könnte bleiben.“

„Schon gut“, sagte Melira und brachte ein Lächeln zustande. „Wir haben es gemeinsam weiter gebracht, als ich erwartet hatte.“

„Wir werden uns bald wiedersehen“, sagte Elspeth und schritt durch den Durchgang in Richtung der Wurzelquelle.


Die letzte Brücke war lang und weiß mit roten Strängen.

So viele ihrer Freunde waren tot oder verloren. Ajani mit seinem verdorbenen Verstand und seinem Körper, der verdammt war, niemals zu sterben, nachdem er von Phyrexia absorbiert worden war. Karn, womöglich für immer zerstört. Ihr Zorn kannte keine Grenzen und schmerzte umso mehr, weil er so frisch war. Sie hatte mehr verloren, als sie je für möglich gehalten hätte. Sie fühlte sich, als wäre ihr ganzes Dasein eine alte Wunde, die aufgeschlitzt worden war, tiefer als je zuvor und unheilbar.

Elspeth begann zu rennen.

Sie holte die anderen auf halbem Weg über die Brücke ein, die auf ein schauderhaftes Abbild von Elesh Norns Altar zuführte. Dieses bestand aus den verwobenen Wurzeln des Weltenbrechers anstatt aus den verknöcherten Leibern von Phyrexianern, aber es erfüllte eindeutig denselben Zweck. Es schmerzte den Augen und betörte gleichzeitig das Herz und Elspeth verabscheute es mehr, als sie für möglich gehalten hätte.

Jace war wieder auf den Beinen; er blickte zu ihr, als sie sich der Gruppe wieder anschloss, und nickte ihr zur Begrüßung zu, sagte jedoch nichts. Dieser Ort war auf dieselbe Weise lebendig, wie die Basilika still gewesen war: Ein unheimlicher Chor misstönender Stimmen erfüllte die Luft; sie überlagerten einander und bildeten eine rudimentäre Harmonie statt des Missklangs, der eigentlich zu erwarten wäre.

„Phyrexianer können Harmonien erzeugen?“, flüsterte Kaya.

Ein statisches Schimmern lag in der Luft und schmeckte hell vor Äther. Die Wurzeldecke über ihnen öffnete sich, als sie sich dem Stamm näherten. Ein Geflecht aus feineren Wurzeln gab den Blick auf den gewaltigen Weltenbaum selbst frei. Er wand sich durch einen offenen Riss in die Blinden Ewigkeiten. Durch den Dunst blitzten hin und wieder andere Welten auf. Die oberen Äste knisterten von der Energie, die Tyvar „Omenpfade“ genannt hatte. Aus diesem Winkel konnten sie lange Landungsbrücken erkennen, die die länglichen weißen Kapseln der Invasionsschiffe mit dem Baum verbanden. Phyrexianer schlurften die Landungsbrücken entlang und bereiteten ihren Angriff auf das Multiversum vor.

Der Rauch, den die Schiffe ausspien, war rot. Rot wie Blut, rot wie die Seuche.

„Wie viele von ihnen gibt es?“, fragte Kaya. „Es müssen Millionen sein“, sagte Kaito mit leisem Entsetzen.

„Sie haben uns nur so viele in den Weg gestellt, wie wir in ihren Augen wert waren“, sagte Jace. Die weißen Schiffe reichten bis zu den höchsten Ästen, furchtbare Früchte, bereit für die Ernte. „Sie waren die ganze Zeit hier unten, um sich auf den echten Kampf vorzubereiten.“

Hinter ihnen auf der Brücke hörten sie gleichmäßige und selbstbewusste Schritte. Alle drehten sich als Gruppe um, mit den Händen an ihren Waffen, bis auf Jace, der den Sylex umklammerte und einen halben Schritt zurück machte, weg von dem bevorstehenden Konflikt.

So ruhig, als wären sie an einem angenehmen Nachmittag im Park, kamen dort Ajani und Thibalt auf sie zu, jedoch sahen sie ganz anders aus, als sie sie kannten. Ajani trug eine rote und weiße Rüstung aus Metall, die anscheinend aus seinem Körper gewachsen war. Sie erinnerte an die Bleiche Basilika und kennzeichnete ihn als Geschöpf Elesh Norns. Er trug eine gewaltige Doppelaxt, deren Klingen ihr zu Ehren umgekehrt waren.

Beim Anblick ihres Mentors im Gewand ihrer ärgsten Feindin kam Elspeth die Galle hoch, was sich nur noch verschlimmerte, als er sie erkannte und ein Lächeln über sein Gesicht zog. „Willkommen“, rief er und seine Stimme klang, wie sie immer geklungen hatte. „Elspeth, meine Liebe, es ist wundervoll, dich wiederzusehen. Ich bin so froh, dass du überlebt hast, um dich mir anzuschließen.“

„Ich bin nicht hier, um mich dir anzuschließen“, keifte sie und hielt ihr Schwert vor sich, wobei sie den Griff fest umklammerte. „Ich bin hier, um dich aufzuhalten.“

„Warum würdest du das wollen?“, fragte er mit aufrichtiger Neugier. „Jetzt können wir für immer zusammen sein, in Perfektion und Harmonie. Keine Differenzen mehr, keine Konflikte mehr, kein Schmerz mehr. Du wirst ein Zuhause finden. Wir bekommen den Frieden, nach dem wir immer gestrebt haben. Alles wird eins.“

„Niemals“, sagte Elspeth.

Neben ihm stand Thibalt, ein Albtraum aus knöchernen Platten und Auswüchsen, verbunden durch rohe, geflochtene Sehnen. Nur an dem höhnischen Grinsen auf dem verbleibenden fleischigen Teil seines Gesichts war er noch zu erkennen. Sein Schwanz, der schon immer an der Spitze zweigeteilt gewesen war, hatte sich nun bis zum Ansatz gespalten und endete in zwei üblen Stacheln, von denen glitzerndes Öl auf den Wurzelpfad hinter ihm tropfte.

„Du warst schon in Kaldheim ein Monster, und jetzt siehst du endlich auch so aus“, sagte Tyvar erstaunlich ruhig.

„Der kleine Prinzling ist zu dumm, um zu wissen, wann er sich fürchten sollte“, spottete Thibalt. „Es stand schon immer fest, dass du durch meine Hand enden würdest.“

„Kaito, bring die anderen an ihr Ziel“, sagte Tyvar, ohne Thibalt aus den Augen zu lassen. „Elspeth und ich kümmern uns um dieses Ungeziefer.“

„Tyvar –“

Geht“, blaffte der Elf, ohne sich umzudrehen. „Es ist unsere vorherbestimmte Aufgabe, diese Kämpfe zu gewinnen. Die Skalden werden von der Schlacht singen, die wir heute schlagen, aber nur wenn jemand überlebt, um die Geschichte zu erzählen. Geht."

„Also gut“, sagte Kaito und winkte ihnen traurig ein erzwungenes Lebewohl zu, während er sich abwandte und dem humpelnden Jace seinen Arm anbot, um ihn zum Durchgang am Ende des Raumes zu führen. Kaya folgte ihnen mit einem letzten bedauernden Blick, und die drei verschwanden, sodass Tyvar und Elspeth alleine mit ihren transformierten Feinden zurückblieben.

„Nun gut“, sagte Tyvar fast schon förmlich. „Sollen wir anfangen?“

Illustration von: Filipe Pagliuso

Ajani brüllte, als Elspeth auf ihn zusprang, und Thibalt stürzte sich auf Tyvar, über dessen Haut sich Glimmerleere-Metall zog. Der Kampf hatte begonnen.

Und die Schreie ließen nicht lange auf sich warten.