Aus Äther geboren
Was bisher geschah: Die Erste Renegatin
Die Äthergeborenen Ghirapurs sind ein vergnügungssüchtiges Volk. Mit einer Lebenserwartung von nicht mehr als vier Jahren betrachten sie die Stadt als ihren natürlichen Lebensraum und festliche Anlässe aller Art als ihren persönlichen Tummelplatz. Trotz ihrer kurzen Lebensspanne besitzen sie empathische Fähigkeiten, mithilfe derer sie die Energien anderer Personen um sich herum wahrzunehmen vermögen.
Die Erfinderin, Philanthropin und Salonlöwin Yahenni weiß, dass sich ihr Leben dem Ende zuneigt. Als sie anlässlich der Erfindermesse eine ihrer berühmt-berüchtigten opulenten Feiern ausrichtet, erscheinen drei unerwartete Gäste auf der Suche nach gefährlichem Wissen.
I
Ich liebe es, mich am frühen Nachmittag zurechtzumachen. Es hat schon etwas für sich, sich mitten am Tag auf eine lange Nacht vorzubereiten – es ist eine Art von Voraussicht und Vorbereitung, die leicht einmal unter die Räder geraten kann, wenn man eine Feier in letzter Minute besucht. Ich kleide mich nicht für etwas an, was in zwei Stunden stattfindet – sondern für etwas in zwei Tagen.
Welcher Gastgeber gibt schon sechzehn Stunden nach Beginn seiner Feier ein jämmerliches Bild in zufällig zusammengesuchter Kleidung ab? Schlechte Gastgeber. Solche.
Der Nachmittag schimmert durch die Vorhänge meines Privatgemachs und erhellt den Frisiertisch aus purem Gold, der die längste Wand des Zimmers beherrscht. Das Licht bricht sich an den zahllosen Juwelen, Schmuckstücken und Schätzen, die aus jeder Schublade hervorquellen und auf sämtlichen Ablageflächen des gewaltigen Möbels glitzern. Ich bin äthergeboren: Ich weiß, dass ich sterben werde, und ich weiß genau, wie ich meine Zeit bis dahin verbringe – und zwar nicht mit irgendwelchen Trotteln, die nicht glauben wollen, dass ich es verdient hätte, gut auszusehen.
Während ich meine zweitliebsten Broschen anlege, kann ich das rege Treiben der Angestellten unten fast schon hören. Die Köche machen sich meine Küche klug zunutze – organische Lebewesen sind ja so wählerisch, was ihre Nahrung angeht. Glücklicherweise hat mich mein Koch Nived bislang noch nie enttäuscht. Im Augenblick schuftet er in der Küche für die Leute mit Mägen: ein Palmweinbrunnen, Tablett um Tablett mit Samosas, Pani Puri und Auberginencurry und ein gewaltiger Tisch voller Nachspeisen. Vor dem Shrikhand war stets eine lange Schlange – er musste also gut schmecken. Der Rest meiner Angestellten ist damit beschäftigt, den Baldachin auf dem Dach zu befestigen. Lange nachdem die müden, fleischigen Gäste sich zur Ruhe begeben haben, werden meine Äthergeschwister und ich durch diese und die nächste Nacht tanzen – verloren in der Ekstase der Feier.
Doch das kommt später. Nach zweieinviertel Sekunden des Abwägens und Durchwühlens meines Frisiertischs entscheide ich mich für das von Jasmin und Äther durchsetzte Duftwasser. Es ist mein persönlicher Favorit. Mein Blick fällt auf mein Spiegelbild. Ich wende mich hin und her. Ich sehe keinen Tag älter aus als drei!
Selbst von hier aus kann ich die fröhliche Aufregung und die vom Duft von Sandelholz durchzogene Erwartung der Angestellten auf dem Dach spüren. Ich habe begonnen, andere Spezies ob ihrer Unfähigkeit, das wahrzunehmen, was wir wahrnehmen können, zu bedauern. „Empathische Resonanz“ hatten sie das genannt, als meinesgleichen vor fünfzig Jahren erstmals aus frühen Ätherraffinerien herausgekrabbelt gekommen war. „Eine sonderbare Gabe, den emotionalen Zustand von Wesen in der näheren Umgebung zutreffend einzuschätzen.“ Sie ernteten großen Ruhm, uns erfunden zu haben, ohne auch nur einen Augenblick darüber nachzudenken, ob wir uns nicht womöglich selbst erfunden hatten. Ich stoße ein trauriges Lachen aus. Das Einzige, was wir seither erfunden haben, sind Wege, uns zu amüsieren.
Als ich einen Hauch des Duftes auf meinen Hals und meine Handgelenke auftrage, sehe ich dabei zu, wie sich ein winziger Teil meiner Dermis zu einem feinen, sanften Nebel auflöst. Je mehr von ihr verschwindet, desto näher bin ich dem Ende. Ich kann das Blau meines Äthers unter dem Riss hindurchströmen sehen. Seine Schönheit verschlägt mir den Atem. Er ist bezaubernd. Eine sachte Erinnerung, mich zu beeilen. Ich bedecke den Riss mit einem weiteren Armreif.
Meiner Art ist es gegeben, uns des Verstreichens der Zeit und wie viel von ihr uns noch bleibt, genauestens bewusst zu sein. Es ist, als würde man auf einen Zug warten. Bei jedem Geräusch hebt man den Kopf und jeder Windhauch lässt uns fast aufspringen, doch der Zug ist noch nicht ganz da.
Ich bin fertig angezogen, schimmernd und bereit. Ich habe noch vierundfünfzig Tage zu leben.
II
Angemessen zurechtgemacht steige ich die Stufen zum Dach hinauf und treffe auf eine Wand aus Klängen. Es gibt kein besseres Gefühl, als wenn einem aufpeitschende Feiermusik eine schallende Ohrfeige verpasst.
Der Baldachin wirft einen willkommenen Schatten auf den flauschigen Teppich, den meine Angestellten von unten heraufgeholt haben. Die Dekorateure haben Magnolien auf den Tischen platziert und von den Seiten des Gebäudes herabhängen lassen, und sie haben zarte Seide, die in der Spätnachmittagssonne schimmert, um die Brüstungen gewunden. Im Vorbeigehen fülle ich wie beiläufig leere Gläser auf und weiche zwei sich küssenden Menschen aus. Ich strahle sie an. Auf der letzten Feier habe ich sie zusammengebracht – es ist immer schön, meine Kräfte zum Guten zu nutzen. Ich zeige Zwergen das Badezimmer und passe die Lautstärke meines Panharmonikums für den Hausgebrauch an.
Vergesst Rauschmittel und Adrenalin – Feiern sind das erlesenste Laster. Ich labe mich an der Freude meiner Gäste. Ich habe keine Vorstellung davon, wie es ist, ein gebratenes Tier zu essen, doch ich kann mir vorstellen, dass es sich so ähnlich anfühlen muss. Ich gehe in meinen Pflichten als Gastgeberin auf, und meine Gäste sind voll des Lobes.
Meine gute Freundin und hervorragende Pilotin Depala (die Depala!) sitzt entspannt auf einem etwas intimer gelegenen Sofa. Ihre Hyäne döst an ihrer Seite und nagt glücklich an einem Knochen, während Depala an ihrer goldenen Leine herumspielt.
„Depala, Teuerste. Meine Feiern sind stets strahlender, wenn du hier bist.“ Ich umarme sie und beuge mich hinunter, um die Hyäne liebevoll hinter dem Ohr zu kraulen. Sie schnüffelt an meiner Hand.
„Sie hat dich gern, Yahenni“, sagt Depala mit einem vertrauensvollen Lächeln. „Hast du nun Zeit, dich zu entspannen, seit du im Ruhestand bist?“
„Da ist aber jemand ausgesprochen gut informiert“, schelte ich sie, während ich ihr Glas auffülle.
„Für gewöhnlich lese ich nur die Rennergebnisse, aber bisweilen auch den Wirtschaftsteil.“
Meine Familie hat mit Erfindungen ein Vermögen gemacht. Ich kündigte meinen Ruhestand an, sobald ich wusste, dass ich nur noch weniger als sechzig Tage übrig hatte. Kühne Investitionsstrategien fallen einem wesentlich leichter, wenn man ihren Ausgang nicht mehr miterlebt.
Ich lasse mich an Depalas Seite nieder. „Ich nehme doch an, dass du in einem Monat auch meine vorletzte Feier besuchen wirst? Ohne die beste Pilotin in Ghirapur wäre sie sterbenslangweilig.“
Depala lächelt. Ihre Hand krault abwesend die Hyäne. „Das würde ich um keinen Preis verpassen wollen. Die Gebräuche der Äthergeborenen sind die besten.“
„Da hast du vollkommen recht. Wir haben schlicht nicht die Zeit für irgendetwas anderes, Schätzchen.“
Depalas Mund wird schmal. Ihre Brauen kräuseln sich, während ihr Blick auf der Suche nach möglichen Lauschern umherhuscht. „Also ... du hast nicht vor, es aufzuschieben?“
Ich kann mich nicht dagegen wehren, eine gereizte Haltung einzunehmen.
„Ich weiß, wozu du in der Lage bist, Yahenni“, sagt sie mit einem bedeutungsschwangeren Ausdruck im Gesicht.
„Ich bin nicht bereit, so weit zu gehen, Depala.“ Ich zupfe an der zerfallenden Dermis an meinem Arm. Ich weiß seit einiger Zeit, dass ich in der Lage bin, anderen Essenz zu entziehen, doch ich will das nicht tun. Es ist eine seltene Gabe, die besser im Verborgenen bleibt. Ich könnte einem anderen vernunftbegabten Lebewesen nie die Kraft rauben, nur um mich über mein Verfallsdatum hinaus an meinem eigenen Dasein festzuklammern. Was sollten denn meine Freunde von mir denken?
„Es ist eine Möglichkeit“, sagt sie schnippisch. „Ich weiß nicht, wie es funktioniert oder wie viel Zeit du von ... wem anders bekommst. Ich war mir nicht sicher, ob du es überhaupt auch nur in Erwägung ziehst.“
„Es kam mir durchaus in den Sinn, aber ich möchte auf die altmodische Art aus dem Leben scheiden“, zwinge ich mich zu sagen.
In diesem Augenblick bringt mein Koch Nived eine Flasche von Depalas Lieblingsgetränk vorbei. So umsichtig – er ist fast so gut wie ich.
„Du bist eine gute Seele, Yahenni“, sagt Depala, als wir wieder allein sind. „Ein paar Tage mehr sind die Schuldgefühle nicht wert, die mit dieser Tat verbunden wären.“
Ich bin mir nicht so sicher, ob sie damit recht hat.
III
Drei Frauen stehen vor dem Eingang zu meiner Wohnung. Frau Pashiri erkenne ich sofort, denn sie ist schließlich eine der berühmtesten Erfinderinnen der Welt und zudem eine der leidenschaftlichsten Brettspielerinnen, die mir je untergekommen sind. Zu ihrer Rechten steht eine rothaarige Frau in einem aus der Mode gekommenen Überwurf (dieser Stil ist Jahre alt – geht sie denn sonst je vor die Tür?).
Auf der anderen Seite steht das faszinierendste Geschöpf, das ich je gesehen habe.
Ihre Augen sind endlos, ein leuchtendes Grün vom Zentrum bis zum Lid. Eine lebendige Schönheit mit einer Haltung, die ein großes Unbehagen verrät. Es ist tragisch, dass jemand, der derart interessant aussieht, so angespannt ist. Ihre Kleidung ist mit hellen Blumen geschmückt (sind sie echt?) und auf eine Weise geschnitten, die nur ihr allein passen kann. Hegte ich ein Interesse an Romanzen, wäre ich versucht, doch für mich besteht ihre Verlockung einzig in dem gesellschaftlichen Zugewinn, den sie verheißt. Meine Aufgabe als Gastgeberin besteht darin, meine Gäste glücklich zu machen, doch es ist immer eine nette Dreingabe, dabei mit interessanten Leuten gesehen zu werden.
„Yahenni, meine Freundin“, sagt Frau Pashiri. „Das hier sind Chandra und Nissa. Chandra, Nissa – das hier ist Yahenni. Sie ist eine Investorin für junge, notleidende Erfinder und eine der großzügigsten Philanthropinnen, die mir bekannt sind. Dürfen wir uns zu den Feierlichkeiten gesellen?“
„Selbstverständlich, Frau Pashiri.“ Welch eine Vorstellung. Ich erröte innerlich.
Ich halte der Elfe die Tür auf. „Bezaubernde Augen, Teuerste“, sage ich, als Nissa eintritt. Sie lächelt angestrengt.
Die Rothaarige steht unentschlossen draußen. Ich blicke sie misstrauisch an und wende mich an Frau Pashiri.
„Das ist Pia Nalaars Tochter Chandra“, sagt sie.
Ich trete beiseite und lasse die Tochter der gefährlichsten Person in ganz Ghirapur eintreten. „Die Feier findet oben statt. Unterhalten wir uns also doch lieber an einem ruhigeren Ort“, sage ich.
Ich führe sie auf meine Veranda im Erdgeschoss. Frau Pashiri flüstert mir im Gehen zu:
„Pia Nalaar wurde gefangen genommen, wissen Sie.“ Das wusste ich noch nicht. Das ist ungewöhnlich für mich.
„Pia macht solche Fehler nicht. Sagen Sie mir, was Sie wissen.“
Wir gehen ein Stück und Frau Pashiri erläutert mir die Lage. Topfpflanzen und ein fröhlicher Springbrunnen rahmen die Sitzgruppe draußen ein, die aus vier verwitterten Sesseln besteht. Die Geräusche der Feier tröpfeln vom Dach herab und bieten unserer Unterhaltung zusätzlichen Schutz. Ich bitte sie, sich zu setzen, und schicke einen meiner Angestellten los, uns Getränke zu holen, während Frau Pashiri ihren Bericht beendet. Ich sinniere über Pia Nalaars Verhaftung.
„Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht helfen“, sage ich. „Denn ich weiß nicht, wohin das Konsulat Gefangene von Pias Ruf hinbringt.“
Frau Pashiri nickt. „Ich verstehe.“
„Sie müssen mir das bitte verzeihen. Ich bin sehr stolz auf meine Verbindungen, doch diese hier führt mich nur in eine Sackgasse.“
Ich spüre eine heiße Welle rauchigen Zorns zu meiner Rechten. „Würde es um Ihre Eltern gehen, würden Sie uns helfen“, schnappt Chandra.
„Ich habe keine Eltern“, sage ich mit einem leichten Schulterzucken. Chandras Miene verfinstert sich noch weiter. Sie fühlt sich dumm. Das wäre wirklich nicht nötig – mir macht das nichts aus.
Mein Angestellter kehrt zurück und ich reiche Frau Pashiri einen Becher Palmwein und der Elfe ein Glas eines Holzschnapses. Ich habe festgestellt, dass Elfen stärkere Getränke zu schätzen wissen – eine Eigenschaft, um die ich sie beneide und bewundere.
„Es könnten dennoch Leute hier sein, die für uns nützlich sind“, fügt Frau Pashiri hinzu und nimmt ihren Becher mit sanfter, wettergegerbter Hand entgegen.
Ich denke an die Gäste oben und gehe meine Verbindungen durch.
Plötzlich höre ich einen Tumult an der Vordertür. Nissa zuckt zusammen und Chandra blickt neugierig auf. Von unserem Platz auf der Veranda aus sehe ich eine Horde Äthergeborene durch die Vordertür preschen, die einen Stuhl mit einem sich schnell auflösenden Äthergeborenen tragen. Er leuchtet mit dem Gleißen des nahenden Todes. Seine Dermis zerfällt, und er ist inzwischen mehr Rauch als Form. Es ist peinlich. Ich wende den Blick ab.
„Das ist meine vorletzte Feier!“, ruft er begeistert. Die bunt zusammengewürfelte Gruppe hievt den Stuhl in die Höhe, und die lebende Totenwache bewegt sich die Treppe zum Dach hinauf.
Chandra blickt mich amüsiert an. „Wissen Sie, wer das ist?“
„Das möchte ich lieber gar nicht wissen“, sage ich und zupfe an der Stelle an meinem Handgelenk, die ich früher am heutigen Tag abgedeckt habe. Ein winziges Rauchwölkchen entweicht. Ich hasse es, mir dabei zuzusehen, auf diese Weise zu sterben.
Chandra legt entschlossen die Hände auf den Tisch und steht auf. „Unsinn. Ich werde herumfragen. Nissa –“
„Mir geht es hier bestens“, erwidert die Elfe leise. Ihre Energie ist kalt und bitter vor Unbehagen. Es geht ihr nicht bestens, weswegen ich beschließe, mich einzumischen.
„Nissa, richtig? Folgen Sie mir. Sie müssen mir erzählen, wo sie dieses Ensemble gefunden haben.“
IV
Wir steigen die Stufen hinauf, bis wir das Stockwerk gleich unter dem Dach erreicht haben. Ich führe Nissa auf den Balkon. Welche Art Gastgeber wäre ich wohl, wenn ich zuließe, dass ein Gast sich auf meiner Feier unbehaglich fühlt?
„Sie schienen mir an einer kleinen Flucht interessiert“, sage ich.
Die Elfe verschränkt die Arme vor der Brust. „Mir geht es bestens“, wiederholt sie. Es geht ihr nach wie vor nicht bestens, doch ihre Neugier siegt. „Was ist eine vorletzte Feier?“
„Das Letzte, was wir Äthergeborenen tun, ist sterben. Daher ist das Vorletzte, eine Feier auszurichten, bei der das Erscheinen Pflicht ist. Hat jemand nicht genug Freunde, lädt er sich kurzerhand auf die Feier von jemand anderem ein.“ Ich deute in Richtung Dach, zu dem Lärm der Feier und dem Jubel des sterbenden Äthergeborenen. „Diesem Versager ist es bedauerlicherweise erlaubt, hier zu bleiben.“
Die Elfe antwortet nicht. Sie spricht vielleicht nicht viel, aber ihre Energie ist unglaublich leicht zu lesen.
„Also schön. Auf einer Skala von eins bis ‚Ich wünschte, ich wäre tot‘ – wie sehr hassen Sie Feiern? Seien Sie ehrlich.“
„Acht. Neun. Welcher Zahl auch immer ein Baloth entspricht, der mir das Bein abnagt.“
Ich gebe ein unverbindliches Geräusch von mir. „So sehr, ja?“
Diese unglaublichen Augen richten sich in die Ferne. Sie erinnert sich an etwas, und die Aura um sie herum ist von bitterer Süße erfüllt.
„Wir hatten oft Feiern in meiner Heimat.“
Leise fülle ich ihr Glas wieder auf. „Und was haben Sie dort so gemacht?“
„Wir sprachen miteinander. Frischten alte Freundschaften auf. Manchmal gingen wir an einen besonderen Ort.“
„Gehen Sie noch häufig auf solche Feiern?“
Nissa schweigt. Ich spüre, dass es diese Orte nicht mehr gibt. „Also dann. Was kann ich tun, um Ihnen diese Feier hier etwas zu versüßen?“
„Können wir etwas abseits sitzen?“
„Teuerste, für Sie gehe ich bis an den Rand der Stadt. Platonisch. Und nur, wenn Sie mich nett darum bitten. Und wenn es nicht regnet oder so.“ Das amüsiert die Elfe. Ich spüre, wie sie sich ein klein wenig entspannt. Ihre Energie steigert sich, als droben ein neues Lied gespielt wird. Wie süß. Sie mag Musik. Ich schenke dem Rauchwölkchen, das aus meinem Nacken aufsteigt, keine Beachtung. „Gehen wir aufs Dach. Bleiben Sie einfach bei mir – es ist zu köstlich, die Leute zu beobachten.“
Ich spüre Nissas Anspannung und bahne uns sanft einen Weg durch die Menge. Auf dem Weg nach oben heiße ich rasch einen neuen Gast willkommen und reiche einem anderen mit Samosakrümeln im Gesicht ein Taschentuch. Die Feier hat eine natürliche Ruhephase erreicht und die Gäste plaudern höflich miteinander. Ich führe die Elfe zum Ende des Baldachins, das durch eine geschickt platzierte Barriere aus Topfpflanzen abgetrennt ist.
Ein Angestellter nähert sich uns, als wir uns setzen. Ich nehme den Flakon mit Duftwasser entgegen und flüstere ihm zu: „Lassen Sie meinem Gast hier zuliebe jemanden die Lautstärke des Panharmonikums herunterdrehen und spielen Sie nur langsame Stücke.“ Es gibt keinen größeren Schatz als eilfertige Dienstboten.
„Dies mag anmaßend klingen, doch Sie wirken auf mich nicht wie eine Städterin“, sage ich sanft. Die Elfe zeigt ein leises Lächeln. Ich lehne mich auf dem Sofa zurück. „Sie sind noch nie Äthergeborenen begegnet, nicht wahr?“
„Nein. Erzählen Sie mir von Ihresgleichen“, sagt Nissa sanft und voller Ernst. Sie ist die aufmerksamste Zuhörerin, die ich je bewusst beim Zuhören beobachtet habe. Ihr unbeirrter Blick ist nur ein ganz klein wenig verstörend.
„Wir sind das lebende Nebenprodukt des Ätherkreislaufs. Unsere Familien erheben Anspruch auf bestimmte Gebiete, in denen Junge von uns auftauchen, und adoptieren dann jeden, der dort herauspurzelt. Vom ersten Tag an sind unsere Körper vollständig entwickelt und haben eine Lebenserwartung von vier Wochen bis zu vier Jahren.“
„Das, was Sie beschreiben, erinnert mich an Elementarwesen, denen ich begegnet bin“, sagt Nissa mit gerunzelter Stirn.
„Dann sind Sie mehr von ihnen begegnet als ich. Ich weiß nur, was ich bin.“
„Ich verstehe das nicht.“
„Was verstehen Sie nicht?“
Sie macht eine Geste, deren Bedeutung sich mir nicht erschließt.
Ich fühle mich ein bisschen peinlich berührt. „Stimmt etwas nicht?“
Sie versucht es mit einer weiteren Geste. Dann hält sie inne und sucht nach Worten. Endlich sagt sie einen Satz. „Ich verstehe nicht, wie etwas, was der Natur entspringt, in einer Stadt heimisch sein kann.“
„Wir sind die Stadt. Ich bestehe aus Äther, und eines Tages werde ich in ihn zurückkehren. Die Natur ist überall um uns herum. Sie mag nur etwas anders aussehen, als Sie es gewohnt sind.“
Nissa gibt ein leises Geräusch von sich. So hatte sie das zweifellos noch nie betrachtet.
Während der Gesprächspause zeige ich einem anderen Gast stumm den Weg zu den Badezimmern.
Die Stille dauert an und ich sehe dabei zu, wie Nissa die Augen schließt. Was tut sie da? Ihre Miene wirkt verwirrt. Ihre Ohren zucken, als lauschte sie nach etwas. Hört sie etwas, was ich nicht höre? Einer ihrer Mundwinkel hebt sich zu einem Lächeln.
„Ich spüre es. Diese Welt besitzt eine Struktur. Zyklisch.“
Irgendwie kann die Elfe das Wesen meiner Heimat erspüren.
Ich lehne mich entspannt zurück. „Die Große Verbindung ist allgegenwärtig. Sogar hier in Ghirapur. Mein Volk ist der Beweis dafür. Unsere Wildnis kümmert es nicht, ob diese Stadt dicht bevölkert ist. Ihr Rhythmus besteht einfach fort.“
Nun schleicht sich ein richtiges Lächeln in Nissas Gesicht.
Ich nehme eine elfische Karaffe, die in der Nähe steht. „Mehr?“
„Ja bitte“, erwidert Nissa automatisch. Ich fülle ihr Glas wieder auf. Sie mag nicht gewillt sein, viel von sich preiszugeben, doch ich spüre ihr reges Erstaunen. Ich muss heute Nacht voller Offenbarungen sein.
V
Ich höre ein Geräusch von unten und stehe auf. Nissa stellt ihr Glas ab und blickt mich aus ihren endlosen Augen fragend an. Das Alter hat meine Sinne geschärft, und ich weiß sofort, wo etwas vorgefallen ist und worum es sich handelt.
Ich halte mich davon ab, die Treppe hinunterzurennen (Anstrengung sorgt dafür, dass ich schneller verwelke), und mache mich stattdessen zielstrebig auf den Weg zu dem Badezimmer auf dem Stockwerk unter mir. Gäste machen den Weg frei und ich bemerke, dass Nissa und nun auch Chandra mir folgen.
Am Ende des Flurs vor dem Badezimmer steht ein imposanter Angehöriger der Sicherheitskräfte des Konsulats. Die Tür zum Badezimmer ist offensichtlich abgeschlossen, und er versucht, gewaltsam hineinzugelangen. Dieser Mann ist groß – fast so groß wie der Zimmerbaum neben der Tür. Seine Kleidung ist alt, doch die Nähte sind neu. Körperliche Auseinandersetzungen sind ihm nicht fremd. Die Waffe an seiner Seite ist für den Kampf in den Straßen nicht geeignet, doch das Klirren von Schlüsseln an seiner Rüstung verrät seine Position. Er muss in den Gefängnissen arbeiten.
Ich gebe Nissa und Chandra einen Wink, sich hinter einer Ecke zu verstecken, während ich mich dem Mann allein nähere.
„Kann ich Ihnen helfen, mein Herr?“
Der Mann lässt vom Türknauf ab und mustert mich von oben bis unten. „Ein gesuchter Verbrecher hat sich hinter dieser Tür verschanzt. Er wird mich begleiten – ungeachtet dessen, was Sie davon halten.“
„Sie sind also uneingeladen auf meine Feier – in mein Haus – gekommen?“
Der Mann macht einen halben Schritt auf mich zu und baut sich vor mir auf.
„Möchten Sie, dass Ihre Feier gegen die Lärmschutzbestimmungen verstößt?“
„... Nein ...“
„Dann mischen Sie sich nicht in die offiziellen Angelegenheiten des Konsulats ein.“
Ich habe keinen Zweifel daran, dass dieser Mann meine Feier beenden wird, um denjenigen zu bekommen, der sich hinter der Tür versteckt. Das Konsulat ist engstirnig genug dafür. Ich verachte Engstirnigkeit.
Ich wende dem Bullen von einem Mann den Rücken zu und suche nach Nissa und Chandra. Hierfür gibt es eine einfache Lösung. Diese beiden sind kräftig gebaut – sie können kämpfen –, und für diesen Gefallen kann ich ihnen eine Gegenleistung anbieten. „Ich gebe Ihnen die Information, die Sie brauchen, wenn Sie mir helfen.“
„Worum geht es denn?“, fragt Nissa leise.
„Nissa, ich möchte, dass Sie diesen ungebetenen Gast nach draußen geleiten.“
Die Elfe lächelt. „Mit Vergnügen“, sagt sie mit ruhiger Überzeugung. Sie hebt eine Hand und ein weiches Licht leuchtet in diesen endlosen Augen auf.
Etwas in meiner Brust singt, doch das Lied ist nicht für mich bestimmt. Mein wacher Geist rät mir, das sonderbare Summen nicht zu beachten, das ich aus der Ferne spüren kann. Ich wende mich an Chandra.
„Chandra, ich möchte Sie bitten, mir dabei zu helfen, diese Tür aufzubrechen, sobald er fort ist.“
Pia Nalaars Tochter blickt mich mit offenkundiger Überraschung an. Mit einer seltsam dünnen Stimme sagt sie: „Wirklich?“
„Ja, wirklich. Mein Körper wird schwächer und ich schaffe das nicht allein. Glauben Sie, dass Sie das schaffen, Teuerste?“
Chandras einzige Reaktion ist ein leicht beunruhigendes, unterdrücktes Glucksen. Es ist sehr befremdlich, ein solches Geräusch von einer so jungen Menschenfrau zu hören.
Ein Poltern um die Ecke. Ich luge um sie herum und kann einen leisen, erschreckten Aufschrei nicht unterdrücken. Der Zimmerbaum hat sich auf unerfindliche Weise um das Bein des Mannes gewunden und ihn zu Boden geworfen, wo er nun benommen daliegt. Es ist wohl das Beste, wenn ich nicht allzu genau darüber nachdenke, wie das alles geschehen ist. Ich habe auch gar nicht die Zeit dazu. Ich biege um die Ecke und beuge mich zu dem Gesicht des Mannes herunter.
„Also schön“, flüstere ich. „Pia Nalaar. In welchem Gefängnis hält man sie fest?“
Der Mann stöhnt. Ich glaube, er hat sich im Fallen einen Zahn abgebrochen. Das spielt keine Rolle – er muss nicht reden, um mir zu sagen, wo sie ist. Ich öffne meine Sinne und spreche schnell.
„Kohali-Gefängnis?“
Der Mann stöhnt, und seine Energie stinkt nach Gereiztheit.
„Gupha-Besserungsanstalt?“
Ungeduld.
„Dhund-Gefängnis?“
Ein entferntes Aufblitzen von Gewürzen und Salz, das zu Panik wird, als er mich ansieht. Hätte ich nicht die Gabe, seine Energie zu lesen, wäre ich nie in der Lage gewesen, die Antwort in seinem Gesicht zu erkennen. Er ist gut. Ich tätschle dem Mann den Kopf. „Danke für Ihre freundliche Mithilfe.“
Ich wende mich an die Elfe. „Nissa, wären Sie so lieb?“
Sie kommt herüber und wirft sich den Mann über die Schultern, um ihn hinauszutragen. Zum Teufel.
„Wie viel von dem Haus hier soll denn stehen bleiben?“, unterbricht mich Chandra und zieht sich die Schutzbrille über die Augen.
„Idealerweise alles außer dieser Tür?“
Chandra nickt, grinst bis über beide Ohren und schmilzt rasch das Schloss mit einem weißglühenden Finger. Ich schüttle den Kopf. Menschen und ihre Taschenspielertricks.
Ich spüre, wie Nissa hinter mir auftaucht, als Chandra fertig ist. Der Gestank von zu viel Duftwasser dringt aus der Lücke zwischen der Tür und der Wand.
„Jeder mit Lungen geht besser zurück auf die Feier“, verkünde ich dem Rest der Schaulustigen und wende meine Aufmerksamkeit den Gästen zu. Frau Pashiri hat sich zu ihnen gesellt. Sie wirkt besorgt. Ich bewege mich in ihre Nähe.
„Sie finden Pia im Dhund-Gefängnis“, flüstere ich.
Frau Pashiri schnappt nach Luft. „Nicht dort“, sagt sie. „Bitte sagen Sie mir, dass er gelogen hat.“
Ich schüttle den Kopf. Frau Pashiri wendet sich an Chandra. „Dort ist Baral stationiert.“
Die Luft um mich herum wird heißer. „Wir müssen fort“, sagt Chandra gepresst. Frau Pashiri nickt und die beiden gehen die Treppe hinunter. Nissa bleibt zurück und schaut mich an.
„Danke für die Unterhaltung, Yahenni.“
Ich nicke. „Gern, Teuerste. Wenn Sie in einem Monat Zeit haben, sollten Sie zurückkommen. Dann gebe ich die größte Feier meines Lebens. Selbst Sie würden das nicht verpassen wollen.“
Sie lächelt, und dann ist sie fort.
VI
Ich öffne die Tür und werde von einer Parfümwolke übermannt. Die Tür schließt sich hinter mir und ich drehe mich um, um zu sehen, wer sich hier eingeschlossen hat. Ich hatte schon zuvor ein nervöses Eingesperrtsein wahrgenommen, und hier sitzt nun offensichtlich die Quelle dieses Gefühls. Am Ende des Badezimmer sitzt der sterbende Äthergeborene mit dem Rücken zur Wand auf dem Boden. Seine Dermis ist beinahe vollständig verschwunden und das blaue Leuchten seiner Essenz vermischt sich in ungewöhnlicher Weise mit dem Licht der untergehenden Sonne, das gefiltert durch das Fernster hereinfällt. Leere Parfümflaschen sind zu seinen Füßen verstreut.
„Da haben Sie ja das gute Zeug für sich behalten“, sage ich beschwingt. Ich bin mir mehr als bewusst, dass mein Scherz nur ein Stück Seide auf einer klaffenden, blutigen Wunde ist.
„Ich habe noch ungefähr eine Minute“, keucht er. „Ich wurde vom Konsulat verfolgt und wollte nicht vor aller Augen sterben.“
„Sind Sie aus einem Gefängnis geflohen?“, frage ich, als mein Blick auf eine aufgebrochene Fußfessel fällt. Der Äthergeborene stöhnt nur.
Ich setze mich neben ihn. Ich weiß, dass ich Gesellschaft hätte haben wollen, wenn ich an seiner Stelle gewesen wäre. „Kennt irgendjemand oben Ihren Namen?“, frage ich.
„Nein. Sie sind nur wegen der Feier hier.“
„Das ist der einzige Grund, aus dem überhaupt irgendwer hier ist, Schatz.“
Ich atme die Duftwolken ein, die in der Luft hängen. Während der andere Äthergeborene weiter zerfällt, vermischt sich seine Essenz mit dem Parfüm. Ich habe viele meiner Art in ihren letzten Augenblicken gesehen, und in ihnen liegt beinahe immer ein Hauch von Triumph. Sie haben im Glanz des Lebens gekämpft, sich an ihm ergötzt und um sich gebissen und getreten – und nun sind sie endlich am Ziel angekommen.
Ich ergreife das, was von seiner Hand übrig ist.
Ich spüre seine Energie, die in meiner Handfläche pulsiert.
„Hatten Sie ein gutes Leben?“
Der andere Äthergeborene dreht mir den Kopf zu und blickt mich an. Er hat Mühe mit dem Sprechen, doch es gelingt ihm, eine Bestätigung hervorzustoßen: „Darauf können Sie Ihren Hintern verwetten.“
In diesem Augenblick erfüllt mich Neid. Mir bleibt so wenig Zeit. Mein Leben, das Leben dieses Äthergeborenen, alle Leben meiner Art werden damit zugebracht, so viele Erfahrungen wie nur möglich in unsere erbärmlich kurze Lebensdauer hineinzustopfen. Es ist nicht gerecht, dass wir so schnell ausbrennen.
Es ist nicht gerecht, dass es mich als Nächstes ereilt.
Der andere Äthergeborene krampft sich zusammen und stößt schwarzen Rauch aus. Seine Dermis zerbröselt, der gebundene Äther entweicht aus ihr und steigt als feiner Nebel zur Decke auf.
Ich sitze schweigend unter dem Dunst aus Äther über mir. Er ist ganz hinreißend.
Nach einem Augenblick stehe ich auf und öffne das Fenster. Der Geruch und die Energie entschwinden in die Luft, in die Welt, in die Große Verbindung. Ich wende mich dem Kleiderhaufen zu, der am Boden zurückgeblieben ist, und sammle ihn zusammen mit dem Schmuck und den Accessoires auf. Eine Geldbörse, eine Uhr, ein Bündel Dokumente des Konsulats. Ich blättere sie rasch durch – eine kleinere Ordnungswidrigkeit und Bagatelldiebstähle. Dafür hätte er gar nicht erst ins Gefängnis wandern dürfen.
Wütend zerknülle ich die Dokumente. Diese Bastarde vom Konsulat töten uns nur umso schneller.
Als ich die Schmuckstücke des Fremden durchsehe und mir eines seiner Armbänder überstreife, trifft mich ein plötzlicher Gedanke.
Was, wenn ich die Feier verlassen und nach draußen gehen würde? Was, wenn ich den Abschaum vom Konsulat, der diesen Äthergeborenen verhaftet hat, aufspüre und es ihm heimzahle? Ich habe bereits zuvor einmal (versehentlich) jemand anderem Essenz entzogen – und es hat sich wundervoll angefühlt. Das könnte ich erneut tun. Das könnte ich Hunderte von Malen tun, wenn jemand es verdient hätte.
Ich sehe zu, wie ein winziges Rauchwölkchen aus meiner Haut zum offen stehenden Fenster aufsteigt.
Ich denke an den bewusstlosen Konsulatsvollstrecker, der auf der Straße vor meinem Haus liegt.
Er wird noch einige Stunden dort liegen bleiben.
Ich könnte mich für ein paar Minuten davonstehlen.
Niemand würde es bemerken.
Nein. Die Zeit dafür wird kommen. Sobald ich es bin, der von nichts weiter als leeren Parfümflaschen umgeben auf dem Fußboden eines Badezimmers hockt und sich langsam auflöst ... Vielleicht tue ich es dann.
Mit der Zeit, die mir noch bleibt, habe ich anderes vor.
Ich greife nach einer der halb leeren Flaschen ätherdurchsetzten Duftwassers und sprühe mich damit ein. Lebendige, unverwechselbare Zeder. Der Energiestoß durchfährt mich, das Glänzen frisch geborgten Goldes schimmert an meinem Hals und das Grollen der Feier hallt vom Dach herunter.
Ich stürme nach oben und trete in das Licht der gerade untergegangenen Sonne und in das Leuchten von Laternen an filigranen Haltern. Die Menge teilt sich aus Respekt vor meiner mächtigen Stellung in meinem selbst erschaffenen Ökosystem und das Panharmonikum verstummt. Energisch schreite ich zum Hauptbaldachin und hebe die Arme. Meine Gäste verstummen und wenden mir ihre Aufmerksamkeit zu.
Ich rufe: „Streicht euch den Tag in genau einem Monat in euren Kalendern an, geschätzte Gäste und weniger geschätztes Gesindel!“
Meine Freunde und Gäste jubeln. Sie sind wie ich. Sie ergötzen sich an ihrem hohen Stand und an ihren niedrigen Ansprüchen.
„Ich werde nach dem Ende der Erfindermesse hier die Feier meines Lebens geben. Ich erwarte, dass jeder von Ihnen dabei ist – und sagen Sie allen, die Sie kennen, dass sie Narren wären, wenn sie das verpassen.“
Sie jubeln. Ich fühle mich, als könnte ich noch zehn Jahre leben.
„Doch genug davon. Sie möchten doch sicherlich nicht noch mehr über mich hören, nicht wahr?“
„Natürlich wollen wir das!“, rufen die Gäste wie aus einem Mund.
„Nun, wie bedauerlich! Ich habe nämlich keine Lust mehr zu reden! Gehen Sie auf die Tanzfläche, lassen Sie die Musik laut erklingen und öffnen Sie noch ein Fass für alle hier, die eine Leber haben!“
Die Menge tobt. Die kollektive Begeisterung über die Opulenz durchströmt mich und reißt mich mit. Ich rausche in den Sturm der Tanzenden und werde vom Nebel eines Ätherduftwassers umhüllt, das jemand in die Luft gesprüht hat. Die Musik wird lauter und der Takt des Liedes treibt die Bewegungen der Leiber um mich herum an und alles fühlt sich an, als wäre es lebendig. Das Leuchten der Äthergeborenen wird schwach vom Schweiß der Tänzer zurückgeworfen, ein sanfter Ätherschweif entfliegt in den Himmel über uns und ich bin am Leben, ich bin am Leben, ich bin am Leben – und in diesem einen Augenblick ertrinke ich im Reichtum des Daseins.
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