Was bisher geschah: Der Himmel über Ghirapur

Nach dem katastrophalen Verlust des Ätherknotens entkamen die Wächter und einige ihrer Verbündeten unter den Renegaten mit Hilfe des gerade vom Stapel gelaufenen Luftschiffs Herz des Kiran. Jace trennte sich vom Rest der Gruppe, um der Piratin Kari Zev zu helfen, die Luftverteidigung des Konsulats zu stören. In der Zwischenzeit nähert sich die Mannschaft der Herz des Kiran Ghirapurs Ätherturm, wo sich Tezzerets Operation ihrem vorgesehenen Abschluss nähert.


Gideon hob ein Fernrohr an die Augen. Linsen drehten sich und die Himmelsfürst kam scharf in Sicht. Das Schiff des Konsulats hing in der Luft, die Nase gen Boden gerichtet, und zog eine Rauchwolke hinter sich her – es war, als würde sich das Augenlid eines Riesen schließen. Das Schiff sank in Zeitlupe vom Himmel und zog sanft an den Dächern Ghirapurs vorbei. Im Sinken zog es eine Handvoll kleinerer Luftschiffe des Konsulats an wie eine kranke Königin ihre Zofen.

„Sie ist fort“, sagte Gideon. „Und die Blockade mit ihr. Jace und Kapitänin Zev waren erfolgreich.“

Chandra lümmelte neben ihm am Bug der Herz des Kiran, den Rücken gegen die Reling gestützt. „Dann brauchen wir den Ätherknoten nicht mehr. Wir haben alles, was wir brauchen, gleich hier. Wir können Tezzeret direkt angreifen.“

„Unser Ziel ist die Weltenbrücke“, sagte Gideon. Zu sehen, wie Chandra müde an der Reling lehnte, ließ ihn zusammenzucken. Ihr Kampf mit Baral hatte ihr viel abverlangt. „Und du bist nicht in der Verfassung für irgendwelche Zweikämpfe.“

Chandra zog die Beine an die Brust. „Es geht mir gut.“

Gideon hob erneut das Fernglas und beobachtete den langsamen Absturz der Himmelsfürst. Er hoffte, ihr Aufprall würde so sanft wie ihr Absinken sein und dass es Warnsirenen und Evakuierungsmaßnahmen geben würde. Die Bewohner dieser Welt – selbst das Konsulat – waren nicht böse. Er wollte nicht, dass noch irgendwem ein Leid geschah – er wollte nur die Fertigstellung des Artefaktes verhindern.

„Das Mädchen hat recht.“ Liliana hatte es sich auf einem Liegestuhl bequem gemacht. Ein Sonnensegel spendete ihr Schatten. „Wir sollten keine weitere Gelegenheit verstreichen lassen, Tezzeret auszuschalten.“

„Wenn wir das Gerät abschalten, halten wir damit auch die Bedrohung auf“, meinte Gideon.

„Mach dir nichts vor“, sagte Liliana. „Das Gerät bedeutet letzten Endes rein gar nichts.“

„Wenn es verschwindet, verschwindet auch Tezzeret. Wir können aber so oder so noch nicht angreifen. Der Turm ist nach wie vor schwer bewacht. Wir machen erst weiter, wenn die Erfinder uns ein paar bessere Möglichkeiten eröffnet haben.“

Wie aufs Stichwort kam Pia Nalaar vom Unterdeck herauf. „Wir haben euch etwas zu zeigen.“

Gideon folgte den anderen die Stufen hinunter und warf noch einen letzten raschen Blick über die Schulter. Hinter dem herabsinkenden Wrack der Himmelsfürst erhob sich der leuchtende Ätherturm, wo gerade Stück für Stück die Weltenbrücke zusammengesetzt wurde.


Der Bauch der Herz des Kiran war eine kompakte Kammer, die von einem Netz aus mit Drahtgeflecht verzierten Trägern eingerahmt war. Gideon spürte, wie nahe seine Füße nichts als Luft waren, als der Wind durch die Schweißnähte der Luke im Metallboden pfiff. Er dachte darüber nach, wie lange ein Sturz ganz hinunter bis zum ach so festen Boden wohl dauern würde, während sein Körper dabei von nichts anderem umgeben war als endlos weitem, rauschendem Raum. Dann beschloss er, dass es unklug war, sich darüber Gedanken zu machen, und er hörte auf der Stelle damit auf.

Saheeli und Rashmi standen neben etwas, was mit einer Plane abgedeckt, lang wie ein Sarg und an einem Ende spitz zulaufend war.

Pia trat vor. „Mit dem Sieg über die Himmelsfürst wurde die Blockade ausgedünnt. In ein paar Stunden sollten wir in der Lage sein, die Herz des Kiran durch den Abwehrring zu fliegen und den Weg zum Turm des Konsulats frei zu machen. Sobald wir drin sind, ist das hier wohl die beste Möglichkeit, Tezzerets Pläne zu vereiteln.“

Sie zog die Plane zurück. Von der Decke hing ein glänzendes, schlankes Fluggerät mit spitzer Nase. Es war so lang, wie Gideon groß war, und hatte einen beachtlichen Propeller am Heck.

„Rashmi und Saheeli haben einen speziell modifizierten Thopter gebaut“, sagte Pia. „Seine Ladung besteht aus einem Ätherdisruptor – einem Gerät, das in der Lage ist, die Brücke ein für alle Mal außer Betrieb zu setzen.“

Saheeli öffnete ein Panel oben an dem Gerät und legte sein kompliziertes Innenleben frei. „Wir haben alle Teile, die wir hatten, dafür aufgewendet, aber es sollte funktionieren. Der Disruptor wird einen einmaligen Energieschub erzeugen, der den inneren Ring der Brücke lahmlegen wird. Die Struktur der Weltenbrücke wird weitestgehend intakt wirken, aber sie wird nutzlos sein, weil ihr Kernmechanismus vollständig zerstört sein wird. Tezzeret wird mit nichts dastehen.“

Rashmi sah aus, als wäre sie bereit, den Thopter mit bloßen Händen auf Tezzeret zu schleudern. „Ich nenne ihn Hoffnung von Ghirapur“, sagte sie betont ruhig.

Gideon nickte. Rashmi musste angesichts dessen, was aus ihrer Arbeit auf der Messe geworden war, höchst bestürzt sein. Nun hatte sie all ihre Genialität in etwas fließen lassen, was die Monstrosität, zu der ihre frühere Arbeit geworden war, vernichten sollte – eine elegante, neue Erfindung, die eigens dazu gebaut worden war, ihre vorherige Arbeit ungeschehen zu machen. „Er sieht schnell aus“, sagte Gideon.

„Schnell genug, um an gewöhnlicher Luftverteidigung vorbeizukommen“, sagte Rashmi. „Vorausgesetzt wir können nahe genug an den Turm heran, um ihn loszuschicken.“

„Es gibt da immer noch ein Problem: das Geschütz“, sagte Pia. „Unsere Kontakte bei den Renegaten haben uns berichtet, dass die Handwerker des Konsulats eine gewaltige, äthergetriebene Kanone am Fuß des Turms aufgestellt haben, die über genug Zielgenauigkeit und Reichweite verfügt, um alles auszuschalten, was fliegt. Einschließlich der Hoffnung von Ghirapur. Oder der Herz des Kiran.“

„Können wir ihnen nicht die Versorgungslinien abschneiden?“, fragte Saheeli. „Ihnen noch einmal den Äther wegnehmen?“

„Damit werden sie rechnen“, sagte Pia. „Wir sehen Patrouillen überall entlang der wichtigsten Versorgungslinien.“

„Dieses Geschütz“, sagte Liliana und knibbelte an einem Fingernagel herum. „Wird es von lebenden Geschöpfen bedient?“

Gideon fuhr zu ihr herum, gereizt von der Art, wie sie das lebenden so besonders betont hatte. „Wir verletzen niemanden, den wir nicht verletzen müssen, Liliana“, sagte er. „Ich möchte, dass jede Möglichkeit ausgelotet wird.“

Liliana legte den Kopf schief und warf Gideon einen Blick zu, der verriet, wie unfassbar gelangweilt sie von seiner Naivität war.

„Wir sind nicht hier, um den Bewohnern dieser Stadt den Tod zu bringen“, sagte Gideon, nun an die Gruppe gewandt. „Wir sind hier, um Tezzeret aufzuhalten, und die Hoffnung von Ghirapur ist unsere beste Möglichkeit dazu. Doch bevor wir dieses Geschütz nicht ausgeschaltet haben, werden wir abgeschossen werden, bevor wir auch nur in seine Nähe kommen.“

„Ich habe vielleicht eine Möglichkeit, es auszuschalten“, sagte Pia. „Aber ich werde Unterstützung brauchen. Einen Bodentrupp.“

„Ich komme mit dir mit, Mutter“, sagte Chandra sofort.

Gideon dachte darüber nach, wer noch an Bord bleiben würde und welche Fähigkeiten sie hätten, falls Chandra wirklich ging. Er schüttelte den Kopf. „Wir brauchen dein Feuer hier auf dem Schiff, Chandra. Wir werden uns einem ganzen Schwarm von Angreifern aus der Luft gegenübersehen, wenn wir den Turm anfliegen. Wir müssen den Weg für die Hoffnung freihalten.“

„Ich dachte eigentlich an Nissa“, sagte Pia leise und tätschelte Chandras Hand. „Jemand, der mir helfen kann, die Ätherleitungen auszumachen.“

Chandra ballte die Hände zu Fäusten. Gideon konnte ihr beharrliches Wispern gerade so hören: „Ich muss dabei sein. Um mich zu vergewissern, dass du sicher bist.“

Du willst dabei sein, um mich zu beschützen?“, flüsterte Pia mit einem leisen Lächeln.

„Ich habe dich schon einmal enttäuscht“, sagte Chandra. „Dich und Vater. Ich werde das nicht wieder zulassen.“

„Ich begleite den Bodentrupp“, sagte Ajani. „Sei unbesorgt, kleine Kerze. Ich halte allen Schaden von ihm fern.“

Chandra stellte das Schmollen ein und schloss die Arme erst rasch, aber heftig um Ajanis Hüfte, um sie dann vor der Brust zu verschränken. Pia legte mütterlich eine Hand um Chandra.

Gideon nickte entschlossen. „Dann bleibt da noch das Problem Tezzeret selbst.“

Liliana blickte mit plötzlichem Interesse auf.

„Er wird den Angriff kommen sehen“, sagte Gideon. „Und er wird in der Lage sein, ein mechanisches Gerät wie die Hoffnung von Ghirapur im Nu zu deaktivieren.“

„Überlasst ihn mir“, sagte Liliana.

Gideon war misstrauisch. „Wir müssen ihn nur ablenken.“

Liliana zupfte einen ihrer Seidenhandschuhe zurecht. „Ich glaube, es ist sehr ablenkend, wenn einem das Fleisch von den Knochen gezogen wird.“

Eine Ader pulsierte auf Gideons Schläfe. „Es tut mir leid“, sagte er zur Gruppe. „Könntet ihr Liliana und mir bitte einen Augenblick Zeit geben?“

Die anderen tauschten Blicke aus und gingen dann im Gänsemarsch die Stufen hinauf, um Liliana und Gideon allein im Laderaum zurückzulassen.

Als sie weg waren, ließ Liliana ihre beiläufige Belustigung fallen. „Ich bin hier deine beste Chance, und das weißt du auch. Du meintest, wir sind hier, um Tezzeret aufzuhalten. Halten wir ihn also auf.“

„Wir wollen nur, dass Tezzeret nicht in der Lage ist, Türen zwischen Welten zu öffnen.“

Liliana kicherte spöttisch. „Solange Tezzeret weiß, dass dieses Weltenbrücken-Artefakt möglich ist, wird er vor nichts haltmachen, um es erneut zu erschaffen. Er wird dieses Ding wieder und wieder bauen, jeden verletzen, der dazu nötig ist, und jede kleine Erfinderwelt plündern, bis er es hat.“

„Bist du dir da sicher?“

„So würde ich das an seiner Stelle auch machen.“

„Wir nehmen Kontakt zu Jace auf. Er könnte irgendetwas mit Tezzerets Verstand anstellen.“

Lilianas Erwiderung klang überraschend giftig. „Auf keinen Fall. Bei ihrem letzten Aufeinandertreffen hat Tezzeret ihn gefoltert–“ Sie unterbrach sich, glättete ihre Gesichtszüge und fuhr dann ruhiger fort. „Du willst nicht, dass der Erfolg deinen Plans von einer Situation auf Leben und Tod zwischen den beiden abhängt.“

Gideon runzelte die Stirn. Jace schien für Liliana immer ein heikles Thema zu sein.

„Ich gehe und lenke Tezzeret ab“, sagte Liliana, „und der Rest von euch feuert dieses Ding auf die Brücke ab. Das ist das beste Vorgehen. Das ist das einzig mögliche Vorgehen.“

Gideon richtete sich zu voller Größe auf. „Na schön. Aber ich komme mit dir.“

„Nein. Das wirst du ganz sicher nicht.“

„Es ist völlig ausgeschlossen, dass du dich allein und unbeaufsichtigt mit ihm anlegst.“

„Das ist die einzige Art und Weise, wie das läuft. Das Konsulat würde jeden einzelnen Schläger in der Nähe losschicken, sobald es dich sieht. Ich kann Tezzeret auf eine Weise in ein Duell zwingen, wie es sonst kein anderer kann.“

„Dann geben wir dir eine Waffe mit. Noch einen Disruptor oder irgendetwas anderes. Du schleichst dich mithilfe einer List rein und du hältst die Brücke auf.“

Liliana schüttelte den Kopf. „Die Erfinder sagten doch bereits, dass sie alle Vorräte aufgebraucht haben, um dieses Gerät zu bauen. Und wenn Tezzeret irgendeine Art von Falle oder Hinterhalt wittert, wird er sich nicht mit mir einlassen. Dann werde ich ihn nicht ablenken können. Ich muss allein und unbewaffnet gehen oder dein ganzer Plan fällt auseinander.“

Gideon holte tief Luft. So schmerzhaft es auch war, sah er dennoch die Wahrheit in ihren Worten. „Ich möchte, dass du jede andere Möglichkeit auslotest, bevor du ihn tötest.“

„Selbstredend“, sagte Liliana süßlich.

Die Wächter hatten sich zusammengefunden, um die gleichen Feinde zu bekämpfen, dachte er. Nicht um alles so zu machen, wie er es machen würde. „Ich fasse es nicht, dass ich mich damit einverstanden erkläre.“

Liliana klopfte ihm auf die fleischige Schulter. „Du hast alle Möglichkeiten ausgelotet.“


Fast zwei Stunden waren vergangen, seit die Herz des Kiran sie am Boden abgesetzt hatte. Pia kannte die Namen der Straßen in diesem Viertel, doch da es nun auf ihnen von Streitkräften des Konsulats nur so wimmelte, hatte sie größte Mühe, sie wiederzuerkennen. Nissas Augen nahmen die Ätherleitungen jedoch bestens war, und Ajanis Nase warnte sie, wenn sie den Soldaten zu nahe kamen. Ihre kleine Gruppe arbeitete sich durch Seitengassen voran, um den Truppen des Konsulats auszuweichen.

In der Ferne schoss ein Energiestrahl in die Höhe und ließ einen Wirbler der Renegaten zerbersten. Von ihrem Aussichtspunkt aus konnten sie das Geschütz selbst zwar nicht sehen, aber sie hatten sehr wohl gesehen, wie sein Strahl alles auflöste, was er anvisierte. Er hatte dafür gesorgt, dass Piloten der Renegaten sich aus ihren zerstörten Luftschiffen warfen und Thopter zu Wolken aus Äther und Rauch aufgelöst wurden.

Das Geschütz war ihr Ziel. Doch zunächst mussten sie einen Renegaten-Kontakt treffen.

Als sie zwischen zwei Gießereien des Konsulats entlangschlichen, lugte ein eichhörnchengroßer Automat einem Fenster über ihnen hervor. Er huschte über die Backsteine auf sie zu, hielt an und neigte den kupfernen, verschnörkelten Kopf. Dann eilte er an der Wand entlang davon und bog um eine Ecke.

„Gnädige Frau?“, bat Nissa.

Pia nickte und sie gingen dem Automaten nach.

Sie verfolgten ihn bis zum Hintereingang einer Anlage des Konsulats und hielten an einer Tür inne. „Hier drinnen“, flüsterte Pia.

„Gnädige Frau, dieses Gebäude ist mitten auf der Hauptätherleitung errichtet worden“, warnte Nissa.

Ajani schnüffelte an der Tür – erst einmal und dann gleich noch einmal, um sich richtig zu vergewissern – und wurde danach sichtlich ruhiger. „Großmutter.“

Pia klopfte. Oviya Pashiri öffnete und strahlte die drei an.

„Ist das Paket fertig?“, fragte Pia.

Frau Pashiri bat sie in das Gebäude, während der kleine Automat ihr auf die Schulter hüpfte. Von außen wirkte der Ort wie ein Lagerhaus des Konsulats, im Inneren jedoch befand sich eine Werkstatt und eine Ladebucht der Renegaten.

Die Biotronikerin führte sie zu einer Metallkiste, die beinahe so groß war wie die alte Frau selbst, und klopfte dagegen. „Alles zusammengebaut und fertig zur Auslieferung.“

Ajani schaute die Kiste an und kräuselte die Nase. „Sind wir uns bei dieser Sache sicher?“

„Ich denke, du wirst feststellen, dass es genau das Richtige ist“, sagte Frau Pashiri.

Ajani beugte sich zu der Kiste und machte sich bereit, sich die schwere Last auf den Rücken zu hieven. Doch Nissa hatte die Kiste bereits an sich genommen. Sie hatte sich ganz einfach anheben lassen. „Ich habe sie“, sagte Nissa.

Ajani blinzelte. Und nickte. „Was genau ist da drin, Großmutter?“

„Eine Waffe gegen das Konsulat“, sagte Frau Pashiri. „Die erst angewandt werden soll, sobald ihr nahe genug an diesem garstigen Geschütz seid.“

Pia umarmte Frau Pashiri. „Danke, meine Liebe.“

„Pass auf dich auf.“

Sie gingen wieder zur Tür hinaus, nur um festzustellen, dass die Straße inzwischen voller erfinderischer Renegaten war, allesamt bis an die Zähne mit ätherbetriebenen Gerätschaften bewaffnet. Sie standen in Formation da und schauten befehlsbereit auf Pia.

„Oh, und ich habe ein paar Freunde benachrichtigt.“


Chandra sandte vom Bug aus Feuerstöße los. Eine Schwadron Thopter mit nadelspitzen Schnäbeln, die bereit waren, die Herz des Kiran aufzuspießen, wurden von Chandras Schüssen getroffen und explodierten. Brennende Trümmer flogen umher. Chandra stellte sich siegessicher auf die Fersen, doch sie spürte die Knie unter sich nachgeben und geriet ins Stolpern.

Saheeli, die neben ihr am Bug stand, stützte sie. „Geht es dir gut?“

„Es geht schon“, sagte Chandra. Es klang wie ein Fluch, wenn auch mehr gegen ihren eigenen Körper als gegen Saheeli gerichtet. Sie spähte nach oben. „Da kommen noch mehr –“

Eine weitere Schwadron surrte auf sie zu, doch Saheeli wirkte einen Zauber und verwandelte ihre edlen Metalle in schwerfälliges Blei. Die Thopter taumelten, trudelten und plumpsten harmlos, weich und stumpf gegen die Hülle der Herz des Kiran.

„Du bist gut“, sagte Chandra, als der Weg für das Luftschiff frei war. „Hast du je darüber nachgedacht, diese Talente auch außerhalb Kaladeshs anzuwenden? Wir könnten dich gut gebrauchen.“ Sie schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. „Mist! Ich klinge ja schon wie Gideon!“

Saheeli lächelte. Sie schaute zu dem Turm in der Ferne, der nun deutlich zu erkennen war. „Ich weiß es nicht. Im Augenblick mache ich mir hauptsächlich Gedanken um diesen Kampf hier auf unserer Welt.“

„Wir werden Tezzeret schon aufhalten. Und dann wird all das hier vorbei sein. Ganz sicher. Ich bin zwar nicht gut darin, Reden zu halten, aber das glaube ich wirklich.“

„Du bist besser darin, Leute zu motivieren, als du vielleicht denkst.“ Saheeli zog ein Fernrohr hervor, doch anstatt hindurchzusehen, drehte sie es in den Händen, während die Maschinen der Herz des Kiran unter ihren Sohlen summten. „Aber es sind so viele Leute diesem Tyrannen gefolgt. Ohne ihn zu hinterfragen. Er ist aufgetaucht und die Leute haben ihm einfach die Kontrolle über alles überlassen, was er wollte. Hast du je das Gefühl gehabt, die ganze Welt gegen dich zu haben?“

„Üblicherweise glaube ich, dass jede Welt gegen mich ist. Aber ich weiß, was du meinst.“

„Selbst wenn es uns gelingt, ihn aufzuhalten ... Ich weiß nicht. Es gibt Bedrohungen da draußen, jenseits von Kaladesh. Tezzeret ist der Beweis dafür. Aber es wird auch hier noch genug zu tun geben.“

Chandra zuckte die Schultern. „Falls du je deine Meinung ändern solltest ...“ Sie erinnerte sich daran, wie Jace und Gideon nach Regatha gereist waren, um sie um Hilfe beim Kampf gegen die Eldrazi zu bitten. Es fühlte sich an, als wäre das schon eine Ewigkeit her. Auch sie hatte ihr Angebot zunächst abgelehnt. Es war nie leicht, sein Zuhause – was auch immer man als solches betrachtete – zu verlassen.

„Es tut mir leid wegen deines Vaters“, sagte Saheeli unvermittelt. „Ich erinnere mich, davon gehört zu haben, als es ... Als er starb. Ich war jung damals – wie du.“ Sie schaute durch das Fernrohr in Richtung des Turms. „Seine Stimme wäre jetzt sehr hilfreich gewesen.“

„Danke“, sagte Chandra. „Er hätte dich sicher auch ziemlich toll gefunden.“

Gideon kam über eine Leiter von unten herauf. „Die Verteidigung des Konsulats fällt in sich zusammen“, sagte er. „Liliana hat mit ihrer Infiltration begonnen und der Bodentrupp ist auf dem Weg. Ist die Hoffnung von Ghirapur bereit?“

„Ich habe sie dreimal überprüft“, antwortete Saheeli. „Und der Ätherturm ist geradewegs vor uns. Unser Ziel ist in Sicht.“

Chandra knuffte Gideon die Schulter. „Werden wir das wirklich durchziehen?“

„Solange unsere Freunde am Boden in der Lage sind, rechtzeitig das Geschütz auszuschalten.“

Chandra nickte ernst. „Das werden sie schon.“

Die Herz des Kiran erbebte durch einen harten Stoß am Heck.

Saheeli und Gideon schauten einander an. „Was war das denn?“

„Wahrscheinlich bloß eine ... Turbulenz“, sagte Chandra.

Gideon quittierte diese Theorie mit einer erhobenen Augenbraue.

„Verirrte Zugvögel?“ Sie zuckte die Schultern.

Saheeli blinzelte, sprachlos ob dieser noch kühneren Theorie.

„Der Schädel eines wirklich gigantischen Riesen – na schön, ich gehe nachsehen.“


Das Geschütz war umstellt. Von Wachautomaten. Bewaffnete Friedensschreiter zum Schutz der Ätherleitungen. Konsulatsfahrzeuge, unter deren Ketten das Mosaik der Straße knirschte.

Pia rief Befehle. Nissa stellte den riesigen Metallbehälter auf der Straße ab und Pia errichtete eine Verteidigung darum herum. Ajani stürmte mit seiner Doppelaxt vor, stieß einen Automaten aus dem Weg und hieb einen anderen in zwei Teile. Nissa hob ihren Stab und die Straße bäumte sich auf, als sich die Erde darunter erhob und zu einem Netz aus Schlingpflanzen erblühte. Während einer der Automaten nach unten gezogen wurde, kletterten Renegaten auf ihn, um Fehlfunktionshämmer und Bindefallen gegen ihn einzusetzen.

Bild von John Stanko
Bild von John Stanko

Das Geschütz richtete sich gegen den Boden aus. Es leuchtete mit einer blauen Hitze und feuerte auf die Geste eines Offiziers hin. Der Strahl versengte die Straße und hinterließ einen Krater in den Pflastersteinen. Pias Renegaten hatten sich vor dem Schuss in Sicherheit bringen können, aber nur knapp.

Vor ihnen ragte nun ein gewaltiger, herbeirollender Friedensschreiter auf, dessen Chassis mit den roten Bannern des Konsulats geschmückt war, die ihm von den Schultern bis zu den Ketten reichten. Er stand zwischen ihnen und dem Fuß des Geschützes und drehte sich in der Hüfte, um nach Feinden Ausschau zu halten. Von jener Plattform aus, wo der Kopf des Dings hätte sein sollen, legten Soldaten des Konsulats Werfer an und feuerten mit Stacheln versehene Pfeile in die Menge. Pia rief und deutete.

Eine junge Elfe stürmte vorwärts und rannte unter den Rumpf des Friedensschreiters. Mit einem raschen Dolchhieb und einem triumphierenden Lachen durchtrennte sie eine freiliegende Treibstoffleitung unter dem Chassis. Als die Elfe sich zum Zurücklaufen umwandte, verfingen sich die Dornen an den Ketten des Schreiters jedoch an einem Fetzen ihrer Tunika und zerrten an ihr. Sie verlor den Halt und fiel zur Seite, um nun auf die Stacheln zugezogen zu werden, während sie versuchte, sich zu befreien.

Pia hörte Ajani rufen: „Schattenklynge!“


Tausende winzige Fluchtinstinkte fuhren Chandras Wirbelsäule hinauf, während sie Wolken rohen Äthers in den Laderaum des Schiffes folgte. Nebel hüllte den Fuß der Treppe ein und sie hörte ein pfeifendes Zischen – die Art von Geräusch, die man niemals hören wollte, während man sich an Bord eines äthergetriebenen Fahrzeugs Hunderte von Fuß über dem Boden befand.

Sie sah den Eindringling erst, als sie in jenen Teil des Laderaums kam, der die Hoffnung von Ghirapur beherbergte. Dort stand Dovin Baan. Beinahe alles andere war von Ätherdampf verborgen.

„Als ich das erste Mal zu Ihnen und Ihren Kameraden kam, Mönchin Nalaar“, sagte Dovin, „hatte ich vorgehabt, Sie um Hilfe zu bitten. Ich sehe nun, dass mein Plan von einem schlimmen Fehler behaftet war.“

Durch den Dampf konnte Chandra die Zugangsluke sehen. Irgendeine Art von mechanischem Greifer hatte ein kleines Loch in den Bauch des Luftschiffs geschnitten und so einer einzelnen Person Zugang in den Laderaum gewährt. Anschließend hatten die Greifer den Rumpf dann wieder versiegelt, aber bei diesem ganzen Prozedere war eine Treibstoffleitung durchtrennt worden. Das defekte Rohr versprühte nun Äther in sämtliche Richtungen.

Chandra zog sich die Handschuhe stramm und trat auf Dovin zu. „Runter vom Schiff meines Vaters.“

Dovin hielt eine Zange hoch. Sachte von ihren Backen gehalten war ein Stück zerfetztes Metall – ein winziger Drahtkäfig, der ein kompaktes, energiereiches Modul in sich barg. Er stammte aus dem Ätherdisruptor – und damit aus dem entscheidenden Bauteil der Hoffnung von Ghirapur. Und gerade als Chandra erkannte, worum es sich dabei handelte, zerquetschte Dovin es.

„Nein!“, rief Chandra.

„Mein Fehler ist nun ausgemerzt“, meinte Dovin. „Und ich habe den Fehler in eurem Plan gefunden: ein einziger, leicht zerstörbarer Mechanismus, der den Schlüssel zu eurer gesamten Operation bildet.“

Es war nicht nur der Kern des Disruptors. Durch den Ätherdampf hindurch konnte sie sehen, dass das Innere der Hoffnung von Ghirapur überall verteilt war.

Chandra hüllte sich in Feuer und stürmte auf Dovin zu.


Der Friedensschreiter rumpelte weiter in einer geraden Linie auf die Renegaten zu. Schattenklynge musste ein Lenkkabel anstatt der Energieversorgung durchtrennt haben. Während sie mitgeschleift wurde, versuchte Schattenklynge, sich aus ihrer Tunika zu befreien, doch die Ketten fraßen sich in den Ärmel und zerrten ihren Arm gefährlich nahe an sich heran.

Ajani brüllte auf und rannte mit der Axt voran auf die Elfe zu. Er schlug eine Salve von Projektilen mit dem Axtblatt zur Seite und hackte in einer fließenden Bewegung auf die Ketten des Friedensschreiters ein, um Schattenklynge zu befreien.

„Weiße Katze!“, rief Schattenklynge. „Dank-aaargh!

Ihre Tunika war frei, doch die knirschenden Mechanismen am Unterbauch des Fahrzeugs rollten dennoch nach wie vor über sie beide hinweg. Zahnräder drohten, wie stumpfe Messer durch ihr Fleisch zu schneiden. Ajani warf sich schützend über sie. Sie spannten sich beide an und warteten auf das gewaltige Gewicht, das sie zermalmen würde, als eine tiefe Dunkelheit sich über sie legte ...

... und dann war da Licht. Metall kreischte, als der Friedensschreiter ächzte und sich zur Seite neigte. Eine Kette schleifte funkensprühend über die Straße, während die andere sich frei in der Luft drehte. Nissa stand unter dem Chassis. Sie hielt mit den Armen die riesige mechanische Bestie in die Höhe gestemmt, ein Wirrwarr aus sehnenartigen Ranken um den Leib geschlungen, die ihren Kraftakt ermöglichten.

Ajani und Schattenklynge rollten sich weg und sprangen in Sicherheit. Als sie davonhasteten, ließ Nissa den Friedensschreiter krachend fallen. Mechanismen ächzten, Zahnräder schlugen Funken und der Friedensschreiter machte einen unbeholfenen Schwenk nach links, wo er in ein Gebäude krachte.

„Bringt das Paket!“, rief Pia.

Da der Friedensschreiter nun aus dem Weg war, hatten sie eine kurze, freie Sichtlinie auf den Fuß des Geschützes – doch Letzteres konnte sie nun seinerseits ebenfalls leicht ins Visier nehmen. Während die Kanone sich drehte, eilten Erfinder mit der Kiste vorwärts und stellten sie unmittelbar vor dem Geschütz ab, dessen gefährliches Ende bereits vor angestautem Äther glühte.

„Freilassen!“, rief Pia.

Die Erfinder zerrten an den Verschlussklammern der Kiste. Schlösser klickten und Nähte platzten auf, um zunächst nur einen absonderlichen Chor aus Schnauben, Schnüffeln und dem Kratzen winziger Klauen freizugeben.

Die Lademechanismen des Geschützes drehten auf und sangen vor Energie. Das Ende des Geschützlaufs knisterte vor sengender Hitze. Renegaten stoben auseinander, als der Strahl feuerbereit war.

Die Schlösser öffneten sich und die Seiten des Behältnisses klappten auf. Dutzende von Gremlins strömten aus der Kiste heraus.

Sofort ergossen sie sich über die Straße und richteten die Schnauzen auf das Geschütz.

„FEUER!“, brüllte der Geschützoffizier.

Doch es war zu spät. Gremlins schwärmten die Träger des Geschützturms hinauf und versengten das Metall mit ihrem säurehaltigen Geifer. Die Kanone feuerte und riss ein rauchendes Loch in die Straße, doch währenddessen hieben Gremlins mit ihren Krallen Rohre und Äthertanks auf und labten sich an den reichen Äthervorräten im Bauch des Geschützes.

Soldaten versuchten, sie mit Pfeilwerfern und blankgezogenen Waffen abzuwehren, aber ihre Strategie fiel rasch in sich zusammen und sie begannen, alle vorhandenen Ausgänge aus dem Geschützturm zu nutzen.

Die gesamte Operation wurde zu einem Festmahl für Gremlins. Das aufgerissene und leer gefressene Geschütz wurde dunkel und der Kanonenlauf sackte ohne Äther nutzlos nach unten.

Die Renegaten jubelten.

Pia grinste und nickte ihrer Bodentruppe zu. „Das war unser Teil“, sagte sie. Sie blickte zum Himmel. „Nun hängt alles von der Hoffnung von Ghirapur ab.“


Es war hoffnungslos. Die äußere Hülle des modifizierten Thopters war intakt, doch das spielte keine Rolle – seine kostbare, komplizierte Ladung war zerstört.

Chandra schleuderte Feuerstöße an der Hoffnung vorbei, um den Eindringling Dovin dazu zu bringen, sich dichter an die Wand zurückzuziehen, doch sie konnte in dem nebligen Raum kaum etwas erkennen. Sie feuerte wild und erhellte so kurzzeitig ihren Vorstoß gegen Dovin, aber es war ihr bislang anscheinend nur gelungen, Teile der Herz des Kiran in Brand zu stecken. Dovin war jedem ihrer Zauber ausgewichen.

„Das Luftschiff hat beachtliche Mengen an Treibstoff verloren“, sagte Dovin ruhig. „Zu Ihrer eigenen Sicherheit schlage ich vor, es bald zu landen.“

Chandra konnte nichts treffen, was sie nicht sehen konnte. Wütend zog sie sich die Schutzbrille über die Augen, nur um gerade noch mitzubekommen, wie Dovin sich leicht verneigte.

„Zu diesem Zeitpunkt sollte die Mannschaft besser die erforderlichen Evakuierungsprotokolle einleiten“, sagte er. „Leben Sie wohl.“

Und dann begann er zu flimmern und zu verblassen. Er verließ diese Welt.

„Nein!“ Chandra schleuderte einen letzten Feuerstoß, der jedoch einfach durch die verschwindende Gestalt des Vedalken hindurchflog. Er war fort.

Hinter sich hörte sie, wie Saheeli die Stufen zum Laderaum hinuntereilte. „Die Mannschaft meint, wir verlieren Treibstoff. Was ist denn hier unten –“ Sie musste den ausgeweideten Thopter gesehen haben, denn sie unterbrach sich. „O nein! O nein, o nein ...“

Chandra öffnete den Mund und gab ein Geräusch von sich, das mehr Lautstärke als Vokabular enthielt.


Gideon folgte den anderen in den Laderaum hinunter. Er verschaffte sich einen raschen Überblick: Das Chassis der Hoffnung von Ghirapur war wie eine Karkasse aufgeschlitzt. Teile des Disruptors lagen im Laderaum verstreut wie herausgepickte innere Organe. Saheeli hatte hastig die Ätherleitung der Herz des Kiran zusammengeschweißt, doch die Rohre zischten an den Verbindungsstücken noch immer. Das ganze Luftschiff grollte und stampfte, und Höhenwarnglocken läuteten schrill.

Chandra klopfte mit den Knöcheln gegen den Thopter. „Also“, sagte sie durch zusammengebissene Zähne. „Können wir ihn immer noch starten?“

„Er wird wahrscheinlich fliegen“, sagte Saheeli. „Aber wozu? Ohne den Disruptor ist er nur eine leere Hülle.“

Chandra blickte finster drein. „Vielleicht sollten wir die Brücke einfach rammen.“

Gideon setzte zu einem Einwand an, doch Saheeli war schneller. „Das klappt nicht“, sagte sie. „Dovin hat das Treibstoffsystem zerstört. Die Herz des Kiran wird schnell schwächer. Wir können zwar in Reichweite gelangen, aber keine hohe Geschwindigkeit aufnehmen. Außer dem Thopter haben wir nichts.“

„Aber jetzt kann man ihn nicht mehr zünden“, sagte Chandra.

Alle Blicke wandten sich zu Gideon. Er holte Luft und versuchte, irgendeine Möglichkeit zu finden, all diese Leute vor der traurigen Wahrheit zu schützen. „Wir müssen die Sache abblasen“, sagte er. „Wir müssen uns irgendetwas anderes einfallen lassen.“

Rashmi ergriff das Wort. „Liliana ist immer noch dort unten.“

„Meine Mutter auch!ׅ, sagte Chandra. „Und Nissa und Ajani! Der Rest der Renegaten! Unsere Freunde und unsere Familien zählen auf uns!“

„Wir werden keine andere Chance mehr kriegen“, murmelte Saheeli.

Gideon verschränkte die Arme und schaute zur Decke. Er wünschte, er könnte jeden auf dieser Welt auf dieses Schiff befördern und dann alles mit den Armen umfangen. Um all diese weichen, anfälligen Leute in eine undurchdringliche Umarmung schließen. Jeder in seinem Leben schien stets in Situationen zu geraten, die nur zeigten, wie verwundbar sie alle waren.

Chandra strich mit der Hand über das glatte Chassis des Thopters. „Ich habe eine ganz, ganz schlechte Idee.“ Sie warf Gideon einen Blick zu und steckte dann den Kopf in die Luke des Thopters.

„Was hast du –?“, setzte Gideon an. Als er ihrem Gedankengang zu folgen begann, hob er die Hände. „Nein. Was? Nein. Chandra. Auf gar keinen Fall.“

„Es könnte klappen“, sagte Chandra. Ihre Stimme hallte aus dem Inneren der Kabine wider. Sie zog den Kopf wieder heraus. Sie hatte dieses halbe Chandra-Grinsen im Gesicht, doch sie zitterte. „Aus nächster Nähe könnte ich der Disruptor sein. Als ich gegen Baral gekämpft habe – bevor Nissa mich rausgezogen hat –, war ich gerade dabei, einen Zauber zu vollenden ...“ Sie hielt inne. Ihr Atem kam scharf und schnell. „Kleine Sache. Großer Knall.“

Gideon schüttelte den Kopf und versuchte, die Idee fortzuwischen wie Kerzenrauch. „Das wird so nicht stattfinden. Leute. Ich brauche andere Optionen. Jetzt sofort.“

Doch Chandra kletterte bereits in die ausgehölte Hoffnung von Ghirapur und faltete ihre Gliedmaßen zusammen wie eine Spinne.

„Bei allen Göttern! Komm verdammt noch mal da raus!“, brüllte Gideon. „Auf keinen Fall. Das kann nicht ... Das kann nicht klappen.“ Er hasste, wie wenig überzeugt er davon war.

Saheeli warf Rashmi einen schiefen Blick zu. „Wir müssten einige Umbauten vornehmen, um die neue Belastung auszugleichen ...“ Rashmi nickte. „Und wir müssten die Nase auspolstern, um so viel vom Aufprall abzufedern wie möglich ... Ein Drahtgestell vielleicht?“

Chandras Stimme erklang aus dem Inneren des Thopters. „Kein Auspolstern.“ Es gab ein Scheppern, als sie von innen gegen die kupferne Spitze des Thopters trat. SCHEPPER. Ihr Fuß brach durch die Front des Thopters. SCHEPPER.

Gideons Lachen klang ungläubig. „Chandra! Du würdest als Blutfleck an der Wand enden! Der Aufprall allein würde dich umbringen!“

Chandras Gesicht tauchte aus dem Inneren des Thopters auf. Sie lachte nicht. „Sie haben uns einen Weg frei gemacht. Sie zählen auf uns. Jetzt oder nie.“ Sie zuckte die Schultern. „Ich entscheide mich für jetzt.“

Diese Strategie war mehr als lächerlich. Wie groß die Explosion auch sein mochte, die Chandra erzeugten konnte: Das hier war nicht einmal ein schlauer Notbehelf. Das war sinnloser Selbstmord. Warum sollte sie diese Tat überhaupt auch nur in Betracht ziehen

Gideons Herz zog sich zusammen. Natürlich. Die Welt, auf der sie sich befanden ... Der Name des Schiffes, auf dem sie waren ... Natürlich fühlte sie sich verantwortlich. „Chandra“, sagte er so sanft wie möglich. „Nichts davon wird deinen Vater zurückbringen.“

Es gab kein Feuerwerk. Nur eine Reihe von Worten, die zurückgeschossen wurden. „Halt dein verfluchtes Maul, was meinen Vater angeht.“ Und sie setzte sich mit schnalzendem Riemen die Schutzbrille auf.

Gideon trat einen Schritt zurück. Saheeli und Rashmi sahen einander mit einem stillen, geteilten Hui an.

„Es tut mir leid“, sagte Gideon. „Es ist nur ... Das ist nicht die Zeit für dich, dich beweisen zu müssen. Du bist müde. Du hast bereits so viel Zorn verbraucht.“

Chandra schaute ihn einfach nur durch die Gläser der Schutzbrille an. „Mein Zorn ist eine erneuerbare Energiequelle.“

„Wir finden eine andere Möglichkeit.“

„Lass mich wissen, wenn dir eine einfällt. Ich gehe.“

Saheeli und Rashmi hielten bereits Schweißgeräte und Metall bereit, um den Thopter umzubauen.

Gideon betrachtete die Szene einen langen Augenblick und versuchte, diese entsetzliche Situation einzufrieren, damit sie nicht noch weiter aus dem Ruder laufen konnte. Er stapfte durch den Laderaum und schritt um den Thopter herum. Er steckte den Kopf in die Kabine und nahm Maß, wobei er den von Chandra beanspruchten Platz einberechnete. Er seufzte und suchte nach irgendeiner anderen Antwort.

Schließlich nahm er seinen Sural vom Gürtel und hängte ihn an die Wand. Er blickte Chandra an.

„Du gehst nicht allein.“


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