Was bisher geschah: Ruhige Momente

Tezzerets albtraumhafte Konfrontation mit Pia Nalaar war nur eine Ablenkung für etwas noch viel Ungeheuerlicheres. Während Ghirapur und die Wächter sich auf diese Weise täuschen ließen, konfiszierten die Vollstrecker des Konsulats die preisgekrönten Erfindungen und brachten sie gemeinsam mit ihren Erfindern in das Inquirium im Turm. Seither hat man nichts mehr von ihnen gehört. Unter ihnen befand sich auch die elfische Ätherseherin Rashmi, die von der Annahme ausging, sie hätte die Chance ihres Lebens erhalten: mit der Unterstützung des Konsulats ihren Materietransporter weiterzuentwickeln. Nun jedoch sollte sie die Wahrheit erfahren ...


„Ätherschweißer“, sagte Rashmi. Nach einem Surren und einem dreimaligen Klicken bewegte sich der Assistenzautomat der Werkstatt klappernd zu ihr herüber.

„Danke.“ Rashmis Finger steiften über die winzigen Metallklauen des Automaten, als sie das Werkzeug entgegennahm. „Das ist alles.“ Er zirpte zweimal und machte sich auf den Rückweg in seine Ecke im makellosen Inquirium im Turm. Rashmis Blick folgte ihm sehnsüchtig, doch da kam weder ein fragender Blick zurück noch ein zum Nachdenken anregender Kommentar, und da war auch niemand, dessen Gegenwart ihr Zuversicht geschenkt hätte.

Rashmi seufzte. Sie vermisste ihren Vedalken-Assistenten Mitul. Wenn er den Transporter jetzt nur hätte sehen können. Er wäre vor dem riesigen Bogen zurückgewichen, der um Längen größer war als jener Ring, den sie angefertigt hatten. Er hätte beim Begutachten des abnehmbaren Modulkerns mehrfach rasch geblinzelt, erst mit dem einen, dann mit dem anderen Auge. Er wäre zweifellos verärgert gewesen, dass er die Experimente verpasst hatte, doch sein Verdruss wäre wie eine Wolke über ihn hinwegzogen, ehe er damit begonnen hätte, wie wild einen neuen Eintrag in sein Tagebuch zu kritzeln. Mitul hatte nie zugelassen, dass seine Gefühle seine Arbeit beeinflussten. Rashmi hingegen musste diese Kunst erst noch erlernen.

Selbst als sie das letzte Teil des Äthermodulators verschweißte, wurde ihre Stimmung nicht besser. Da sie nun an ihn gedacht hatte, war Rashmi sich ziemlich sicher, dass nichts ihre Laune würde heben können, außer wenn ihr Freund in der Tür erschienen wäre. Es schien allerdings immer unwahrscheinlicher, dass das je passieren würde. Es war nun vier Wochen her, seit sie darum gebeten hatte, Mitul mit an Bord zu holen, und bei jeder Gelegenheit erinnerte sie die Funktionäre an ihre Bitte. Doch ihre Antwort war immer die gleiche: „Sie konzentrieren sich auf Ihre Erfindung, und wir kümmern uns um den Rest.“

Und genau das taten sie auch größtenteils. Seit Rashmis Ankunft im Inquirium war jeder Augenblick optimiert und genau festgehalten worden. Sie war von einer ganzen Schar eilfertiger Automaten und Funktionäre des Konsulats umgeben, die ihr auf Geheiß ihres Gastgebers Tezzeret jeden Wunsch von den Augen ablasen. Sie brachten ihr warme Mahlzeiten mit den Aromen von Fenchel, Kreuzkümmel und Safranwurz und auch saubere Kleidung, die nach Lilien duftete. Sie passten die Temperatur, den Ätherdruck und die Luftfeuchtigkeit an. Die blitzsauberen, goldenen Kistchen, die an der Wand der Werkstatt aufgereiht waren, wurden beständig neu aufgefüllt und die Qualität ihres Inhalts überprüft. Jeden Morgen fand sie einen glänzenden Satz neuer und perfekt angeordneter Werkzeuge vor, die nur darauf warteten, von Rashmis Händen zum allerersten Mal benutzt zu werden. All dies war mehr, als sie sich hätte wünschen können. Und dennoch ...

Während sie sich umblickte, fragte sich Rashmi, ob die anderen Erfinder die gleiche einsame Entzauberung empfanden wie sie selbst. Sie hätte sie gefragt, wenn sie denn gekonnt hätte, doch während der Arbeitszeit waren keine Unterhaltungen gestattet. Tezzeret verlangte eine Atmosphäre stiller, konzentrierter Produktivität. Wie er so oft wiederholte: „Albernes Geschwätz wird nicht geduldet. Jeder von euch, der kindischen Tratsch dem Vorzug vor seinem Erfindergeist gibt, wird nach draußen zu den geistlosen Massen außerhalb meines Inquiriums verbannt.֧“

Die einzigen Gespräche, die gestattet waren, waren die, die sich um die Erfindungen drehten. Doch das alles hatte sich nach Tezzerets erster Überprüfung ihrer Fortschritte in grünen Rauch aufgelöst. Der Anblick der leeren Werkbank der Luftfahrtingenieurin Sana machte jedes Quäntchen an Kameradschaft zunichte, das sich zwischen den Gewinnern des Wettbewerbs hätte bilden können. Dies war die Chance seines Lebens für jeden Einzelnen hier, doch nur für einen unter ihnen würden all seine Träume in Erfüllung gehen.

Rashmi beendete ihre Schweißarbeit und schloss das Zugangspanel des Bogens. Sie wischte sich die Hände an ihrem Rock ab und trat zurück, um den Transporter kritisch zu mustern – genau so, wie Tezzeret es tun würde. Sie war entschlossen, nicht der nächste vergessene Name an einer verlassenen Werkbank zu werden. Die Integrität der Struktur war zufriedenstellend, die Träger an Ort und Stelle und jede der Ätherleitungen verstärkt. Sie warf einen raschen Blick auf den Zeitplan auf ihrem Schreibtisch. Er würde jeden Augenblick hier sein. Sie sagte sich selbst, dass sie bereit war. Ich verdiene es, hier zu sein. Sie wollte daran glauben.

Die Tür des Inquiriums schwang auf und Rashmi hielt den Atem an.

Flankiert von einem Gefolge aus Funktionären in reich verzierten Konsulatsroben schritt Tezzeret herein.

Sein Eintreten hatte den gleichen Effekt, als hätte man ein gleißendes Licht auf eine Schar fressender Gremlins gerichtet. Sämtliche Bewegungen im Inquirium froren ein. Aller Augen richteten sich auf den Mann mit der Metallhand.

Ich verdiene es, hier zu sein.

„Fortschritte.“

Tezzerets Schritte hallten durch den Raum, als er forsch über den polierten Boden eilte. „Zeigt mir Fortschritte.“ Er wirbelte auf der Ferse zu einem Zwerg herum, dessen Name Bhavin war, wie Rashmi kürzlich erfahren hatte. Er war berühmt für seine gewaltigen Automaten, die geschickte Bauarbeiter waren und sogar auf nonverbale Kommandos hörten. Sein hoch aufragendes Konstrukt hatte ihm beim Wettstreit den vierten Platz eingebracht. „Nun?“ Tezzeret beugte sich vor. „Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.“

„Sicher.“ Bhavin deutete auf seine Erfindung. „Ich habe seit dem letzten Mal große Fortschritte gemacht. Ich habe die Funktionalität des Schraubschlüsselaufsatzes verbessert. Er ist nun in der Lage, Kräften von bis zu –“

„Verbessert?“ Tezzerets Tonfall ließ Rashmi zusammenzucken. „Es interessiert mich nicht, was du verbessert hast. Mich interessiert, was du Neues erschaffen hast.“

Bild von Karl Kopinski
Bild von Karl Kopinski

„Ah ...“ Bhavin trat von einem Fuß auf den anderen. „Die Gelenke sind neu angebracht worden. Wegen der Anforderungen, die Sie an die Maximalbelastung gestellt hatten, musste ich sicherstellen, dass die wirkenden Kräfte nicht die Kugellager beschädigen, während –“ Sein Mund stand sperrangelweit offen, als er nun auf seine Erfindung starrte.

Tezzeret hatte mit seiner eigenen Kralle nach der massiven Hand am Ende des linken Armes des Automaten gegriffen und bog den Arm gegen das Gelenk nach hinten. Das Metall wurde zerknüllt wie Papier, kreischend und schreiend wie ein waidwundes Tier. Rashmi hatte noch nie jemanden gesehen, der Metall auf diese Weise verbog – nicht ohne ein Werkzeug. Tezzerets Metallklaue glänzte im Licht, das durch die Fenster fiel, und ein Schauder fuhr Rashmis Rücken herab.

Tezzeret machte einen Schritt zurück und neigte den Kopf, als würde er ein Kunstwerk betrachten. „Die Kugellager sind beschädigt. Du meintest, du hättest sie verbessert, damit sie nicht beschädigt werden können.“

Bhavin erbleichte. „Ja, Tezzeret, aber das war unter normalen Bedingun–“

„Du hast versagt. Raus hier.“

An den anderen Werkbänken wurde entsetzt nach Luft geschnappt.

„Aber, Großer Konsul, bitte. Ich –“

„Raus. Hier.“ Tezzeret deutete mit einem langen Metallfinger zur Tür. „Abführen.“

Drei Funktionäre reagierten mit einer unvermittelten, gemeinsamen Bewegung, wie man sie auch an einer Gruppe gleichgeschalteter Automaten hätte beobachten können.

„Warten Sie.“ Bhavin wehrte sich gegen ihren Griff. „Meine Erfindung! Was ist mit meiner Erfindung?“

„Dieses Stück Schrott gehört nicht dir.“ Tezzeret trat gegen den Automaten. „Alles, was in diesem Inquirium gebaut wird, gehört dem Konsulat.“

„Nein!“ Bhavin griff nach dem Türrahmen, doch die Funktionäre bogen ihm den Arm auf den Rücken. „Bitte!“, rief er. „Das ist alles, was ich habe. Bitte lassen Sie es mich mitnehmen.“ Sein herzerweichendes Flehen hing in der stickigen, schmierölschwangeren Luft, während er in den Gang gezerrt wurde.

Rashmi griff nach dem großen Metallrahmen ihres Transporters. Sie klammerte sich daran fest, bis ihre Fingerknöchel weiß wurden, als könnte ihr Griff verhindern, dass sie von ihrer Schöpfung getrennt wurde.

„Enttäuschend“, murmelte Tezzeret. Und dann lauter: „Fortschritte! Ist das zu viel verlangt? Ihr seid alle Erfinder oder etwa nicht?“ Während er durch den Hauptgang des Inquiriums schritt, wandten sich Blicke so rasch von ihm ab, wie der Schweif eines Pferdes Fliegen verscheuchte. „Ihr wollt mir doch nicht erzählen, dass das das Beste ist, was diese Welt zu bieten hat? Ich habe die Sieger der wunderbaren Erfindermesse hier, und was machen sie? Haufen um Haufen aus Müll.“ Er umrundete Rashmis Werkbank. „Ihr seid angeblich Genies, doch ihr müsst mich erst noch überzeugen, dass ihr mehr seid als nur ein Raum voller Idioten.“ Seine Augen waren geweitet und von roten Äderchen durchzogen – und ihr Blick direkt auf Rashmi gerichtet. „Zeigt mir Fortschritte oder verschwindet!“

Rashmi starrte auf die bebende Gestalt ihres Mäzens – reglos und atemlos –, bis es ihr schließlich gelang, einen ausreichend klaren Gedanken zu fassen, um unhörbar zu flüstern: Ich verdiene es, hier zu sein. Sie holte Luft. Sie war auf so etwas vorbereitet. Auf seine Wutausbrüche. Die waren nichts Neues, und sie wusste, was sie zu tun hatte. Sie musste sich auf ihre Erfindung konzentrieren. Ihre Arbeit würde für sich selbst sprechen. Mit einiger Mühe wandte sie sich von Tezzeret ab. Jetzt sind es nur noch wir beide. Sie drückte den Transporterbogen ein letztes Mal mit der Hand. Zeigen wir ihm, was in uns steckt.

Rashmi räusperte sich. „Die Skalierung ist fertig. Sie sehen hier den neuen Rahmen, der wie verlangt dank seiner Größe in der Lage ist, etwas von den Ausmaßen eines Mechakolosses zu bewegen. Das Metall ist dreifach verstärkt, um der Reibung zu widerstehen, die beim nicht-linearen Transport fester Materie entsteht. Das strukturelle Äthergerüst wurde erweitert, um dem größeren Transportvolumen gerecht zu werden. Die ersten Testläufe waren erfolgreich.“ Als sie fertig war, holte sie tief Luft und hielt dann den Atem an.

„Hier scheint es etwas Fortschritt zu geben.“ Tezzerets Stimme war gepresst, aber frei von Wut. Rashmi erlaubte sich, auszuatmen. Doch es war ein trügerisches Gefühl von Sicherheit, dass sie da verspürte. So schnell Tezzerets Wutausbruch verraucht war, so schnell folgte der nächste. „Doch etwas Fortschritt ist nicht genug! Was macht ihr Leute denn hier den ganzen Tag? Ihr verschwendet meine Zeit. Wo ist der Modulkern?“

Rashmi wappnete sich. Sie wusste, dass ihre Antwort nicht zufriedenstellend sein würde. „Ich habe begonnen, daran zu arbeiten, aber –“

„Begonnen? Begonnen! Er sollte längst fertig sein!“

Rashmi wich zurück. „Es war keine Zeit. Diese letzten Wochen dienten der Skalierung, und der Modulkern erfordert –“

„Ausreden.“ Tezzeret wedelte mit seiner Hand aus Fleisch. „Und nicht einmal gute. Du benimmst dich, als wäre jede kleine Bitte, die ich äußere, eine gewaltige Unmöglichkeit. Aber ich bin dein Mäzen und du die Gewinnerin des Erfinderwettstreits. Die GEWINNERIN! Von dir erwarte ich am meisten. Und das zu Recht. Ich bin sicher, die anderen stimmen mir da zu.“ Niemand sagte etwas. „Der Modulkern muss fertigwerden. Er hat oberste Priorität. Ist das klar?“

„Ja“, brachte Rashmi hervor. „Es gibt noch ein paar kleinere Schwierigkeiten zu beseitigen, doch er sollte innerhalb des von Ihnen festgesetzten Zeitplans fertig sein.“

„Oh, nun ist das Erfüllen der Minimalanforderungen also schon etwas, womit man sich brüsten kann?“

„Das habe ich so nicht ... Nein. Er sollte schon vorher fertigwerden. Ich muss nur noch die Rückkopplung unter Kontrolle bringen, die auftritt, wenn ich den externen Fokuspunkt von der Haupteinheit des Transporters abkopple.“

„Die Rückkopplung?“ Tezzerets Stirn legte sich in Falten. „Und da dachte ich doch glatt für einen Moment, dass du eine fähige Erfinderin wärst. Aber dein Verstand ist derart unterentwickelt, dass er nahezu nutzlos ist.“ Er fuhr mit seiner Metallhand über das Drahtgeflecht des Transporters. Das Geräusch ließ Rashmis Zähne schmerzen. „Du arbeitest hier an einem nicht-linearen Transporter, doch du hast dabei die ganze Zeit in den Grenzen linearer Gesetze gedacht. Denke mal lieber hierüber nach: Was passiert mit der Reibung im mehrdimensionalen Raum?“

Selbst wenn sie versucht hätte, es zu verhindern, so hätte Rashmis Verstand sich dennoch mit der Frage beschäftigt. Sie konnte einem wissenschaftlichen Rätsel einfach nicht widerstehen. Zuerst verstand sie nicht, worauf er hinauswollte, doch dann traf es sie. Unwillkürlich schnappte sie nach Luft.

„Ah, da ist es. Sie hat es endlich begriffen“, sagte Tezzeret gedehnt.

Rashmi bemerkte seinen Spott kaum. Sie war zu tief in Gedanken versunken – an der Schwelle zu einem Durchbruch. „Wenn ich einen Dämpfer in die Ätherschleife einfüge, erlaubt es dieser dem externen Fokuspunkt, die Einspeisung zu steuern und Punkte anzuvisieren, ohne dass der Energiekompensator überlädt, und dann –“

„Dann wird es funktionieren“, sagte Tezzeret. „Natürlich wird es das.“

Berechnungen huschten durch Rashmis Verstand. „Wir werden mehr Äther brauchen. Mindestens doppelt so viel. Wegen der erhöhten räumlichen Dimensionalität.“

„Na schön.“ Tezzeret schaute eine scheinbar zufällig ausgewählte Gruppe von Funktionären an. „Verdreifacht die Ätherversorgung des Inquiriums.“

„Sofort, Großer Konsul.“ Der Tezzeret am nächsten stehende Funktionär nickte eifrig.

„Ähem.“ Eine zweite Funktionärin trat vor und räusperte sich. „Ich möchte anmerken, dass eine Erhöhung dieses Ausmaßes die Umleitung einer beachtlichen Menge Äther nötig macht, die derzeit anderen Zonen zugewiesen ist. Das könnte ein Problem werden, wenn –“

„Ich sehe da kein Problem“, herrschte Tezzeret sie an.

„Nun, es ist nur so, dass –“

„Keine AUSREDEN mehr!“ Die Adern an Tezzerets Schläfen pulsierten. Er holte tief Luft und senkte die Stimme. „Hör mir zu. Es gibt nichts Wichtigeres als die Arbeit, die hier in diesem Inquirium stattfindet. Das ist die oberste Priorität des Konsulats. Ist das klar?“

Die Funktionärin glättete ihre Robe. „Selbstverständlich, Großer Konsul, aber –“

„Geh.“ Tezzeret winkte in Richtung der Tür.

„Gehen?“ Die Funktionärin machte bestürzt einen Schritt nach hinten.

„Ja. Du bist entlassen.“ Sie blieb wie angewurzelt stehen. „Deine Dienste werden nicht länger gebraucht.“ Sie regte sich noch immer nicht. „Abführen.“ Tezzeret machte eine Geste und die Funktionäre am dichtesten bei ihr reagierten sofort darauf: Sie packten sie an den Armen und schafften sie nach draußen. „Und erhöht die Ätherversorgung.“

„Ja, Großer Konsul.“

Rashmi stand mit offenem Mund da, als Tezzeret sich zu ihr umdrehte. „Wenn die Zonen den Äther brauchen, dann kann ich –“

„Nein!“ Tezzeret schlug mit der Metallhand gegen den Bogen des Transporters. „Das ist alles, was zählt. Du wirst den Äther bekommen, den du brauchst, um nach einem beschleunigten Zeitplan zu arbeiten. Wenn ich das nächste Mal den Fortschritt hier überprüfe, wirst du diesen Haufen Schrott“, er deutete auf Bhavins gewaltigen Automaten, „durch das Inquirium bewegen.“

Rashmi schluckte und nickte zögerlich.

„Falls nicht, wird dein Projekt abgebrochen.“ Damit schritt Tezzeret zur Tür. Die verbleibenden Funktionäre folgten ihm hinaus.

Rashmi verlor sämtliche Kraft. Das Wort „abgebrochen“ hallte in ihrem Kopf wider. Ein Flüstern kroch ihr den Rücken hinauf und Blicke folgten ihr, als sie zu ihrem Schreibtisch ging und sich in den Stuhl sinken ließ. Sollte es so sein? Dort auf ihrem Schreibtisch lehnte der ursprüngliche Transporterring an der Wand. Sie strich mit den Fingern über den Draht.

Als sie ihn dort abgestellt hatte, hatte er ihr als Inspiration für ihre Arbeit dienen sollen. Sie war in diesem Augenblick so hoffnungsvoll und so stolz gewesen. Es hatte sich angefühlt, als würden ihre Träume wahr werden. Und nun? Rashmi atmete langsam und lange aus. Sie hatte es sich zum Ziel gemacht, die Welt zu verändern, und das wollte sie noch immer. Hier war ihre Gelegenheit. Sie würde sie nicht vergeuden.


Vier Wochen später

Wenn es auch sonst wenig Positives über ihren Mäzen zu sagen gab, dann doch dies: Rashmi war noch nie in ihrem Leben so gefordert worden.

Sie hatte sich im Laufe der letzten Wochen oft gefragt, wo sie – und ihr Transporter – wohl wären, wenn sie nicht unter dem Druck gestanden hätte, den Tezzeret so kunstfertig aufbaute. Hätte sie ihren Zeitplan nicht so umgestellt, dass sie drei von vier Nächten durcharbeitete, hätte sie nicht angefangen, ihre Nahrung in Form von festen Riegeln einzunehmen, die von Automaten verteilt wurden, die ihre Arbeit nur so lange unterbrachen, dass sie ein paar Bissen zu sich nehmen konnte, und hätte sie nicht gerade nur so oft geduscht, um geringfügig besser zu riechen als ein Banda – dann wäre sie jetzt nicht hier, um das letzte Bauteil in ihr Meisterwerk einzupassen.

Rashmi hing in einem Geschirr unweit der Spitze des Transporterbogens, ein Ätherschweißgerät in der einen und ein Sensormodul in der anderen Hand. Bis auf das Zischen erhitzten Äthers war es still im Inquirium. Einen Tag, nachdem Tezzeret zum letzten Mal aufgetaucht war, waren alle anderen Erfinder aus dem Turm entfernt worden. „An einen neuen Ort“, hatte einer der Funktionäre versprochen. Rashmi war davon nicht überzeugt.

Sie hätte gern gesagt, dass sie sie vermisste, doch in Wahrheit bemerkte sie ihre Abwesenheit kaum. Die Stille und die Abgeschiedenheit waren so wie immer. Der Einzige, den sie vermisste, war Mitul.

Ihre Schweißnähte trafen aufeinander, nachdem sie nun einmal um den Sensor herumliefen, und Rashmi legte den Schalter um, um den Ätherfluss zu stoppen. Während das heiße Metall abkühlte, lehnte sie sich in ihrem Geschirr zurück und begutachtete ihr Werk. Das war es. Sie war fertig.

Es erschien unmöglich, doch es war die Wahrheit. „Ich bin fertig.“ Die Worte waren weniger als ein Hauch, doch sie erfüllten das gesamte Inquirium. Urplötzlich röteten sich Rashmis Wangen und Aufregung machte sich in ihrer Brust breit. „Ich bin fertig!“ Sie ließ den Kopf zurückfallen und breitete die Arme aus, um sich ganz in ihr Geschirr zu hängen. Das federnde Kabel, das sie trug, hüpfte unter ihrem übermütigen Lachen, während sie im Schatten ihrer Schöpfung baumelte.

Sie stieß einen Jubelschrei aus. Dieses Gerät, das sie gebaut hatte, war wunderschön. In ihrer Eile, es fertigzustellen, hatte sie nie innegehalten, um es sich zu betrachten – nicht so. Der Schwung des Metalls, die verschlungenen Drähte als Träger der blau leuchtenden Ätherleitungen, die gewaltige Größe ... Es war bezaubernd, es war überwältigend, es war alles.

Ein Sonnenstrahl tanzte über die letzte perfekte Schweißnaht, und Rashmi erlaubte sich ein Lächeln. Als ihre Lippen sich nach oben zogen, erkannte sie, dass sie das schon seit einer ganzen Weile nicht mehr getan hatte. Doch jetzt war die Zeit, um zu lächeln, die Zeit, um zu atmen. Es war die Zeit, um zu – mit einem Mal spannte sich ihr gesamter Körper an. „Die Sonne!“ Es war Morgen. Der Morgen der Fortschrittskontrolle. Tezzeret war auf dem Weg.

Mit ungeduldigen Händen seilte Rashmi sich ab. Ihre Füße scharrten ungeduldig, noch ehe sie den Boden erreicht hatte.

„Äthergreifer!“, rief sie. Der Assistenzautomat sprang auf und huschte auf ihren Befehl hin zu den Regalen hinüber. Der Transporter war vielleicht fertig, aber noch nicht bereit für eine Vorführung. Sie musste noch immer das Ziel für den Transport einstellen. Bei ihren Tests hatte sie kleine Gegenstände wie Pinzetten und Schraubenschlüssel in eine Kiste auf ihrem Schreibtisch geschickt, doch wenn sie Bhavins Automaten dorthin sandte, würde er die Kiste und ihren Schreibtisch zermalmen und wahrscheinlich durch das Fenster dahinter krachen. Es wäre eine Katastrophe – eine, die sie um jeden Preis vermeiden wollte.

Der kleine Automat wackelte zu ihr herüber, streckte sich und hielt ihr den Äthergreifer hin. Rashmi machte sich nicht die Mühe, ihr Geschirr abzulegen. Sie griff nach dem Werkzeug, kniete sich neben den Modulkern und tauchte mit den Händen in das innere Ätherwerk ein.

Das Grundprinzip, mit dem sie Materie bewegen würde, war das gleiche, das sie bei ihrem ursprünglichen Transporter angewandt hatte: Der Einspeisungspunkt war der hoch aufragende Transporterbogen, ganz so, wie es vorher der Ring gewesen war, und der Zielpunkt war, was auch immer sie im dreidimensionalen Raum auswählte. Der Unterschied zwischen dem Bogen und dem Ring bestand darin, dass der Bogen auf die Auren mehrerer anderer Phantomdimensionen angewiesen war, die ihm die Pfade für die Beförderung vom Einspeisungspunkt zum Ziel vorgaben. Dies sorgte für einen schnelleren Transport exponentiell größerer Objekte.

Mit ausgestreckten Fingern griff Rashmi in die mehrdimensionale Ätherprojektionseinheit im Innern des Modulkerns und ertastete deren Ummantelung – eine Eins-zu-Eins-Repräsentation der Ätherflüsse der Großen Verbindung. Der Teil, den sie spüren konnte, war jener Bereich der Verbindung, der sie unmittelbar im Inquirium umgab. Alles jenseits dessen war unscharf und verschwommen. Das war fürs Erste in Ordnung. Sie musste nur noch den Zielpunkt im Kern auf das andere Ende des Inquiriums einstellen. Und zwar schleunigst.

„Komm schon, komm schon.“ Sie tastete nach der Essenz des Ätherankers, den sie brauchte – eine Aufgabe, für die sie sowohl ihren Tastsinn als auch ihr tieferes Verständnis der Verbindung einsetzen musste. Als sie die Lider schloss, konnte sie durch ihr inneres Auge sehen. Es war, als schaute sie auf ein blassblaues, ätherisches Abbild des Inquiriums. Sie stellte die Projektion so lange auf ihren Fokuspunkt hin schärfer, bis – „Ja!“ Als ihre Finger darüberstrichen, war es, als wäre sie dort: Einen halben Herzschlag lang fühlte sie sich, als stünde sie auf der anderen Seite des Inquiriums.

„Nun musst du nur noch da durch.“

Sie steuerte die körperlose Projektion auf einem gewundenen Pfad durch das Gerüst der Phantomdimensionen im Modulkern und zog sie in Richtung des Ankers, der den Einspeisungspunkt bildete. Sobald sie den Einspeisungspunkt mit diesem Zielpunkt verbunden hatte, würde der Transporter in der Lage sein, Bhavins Automaten durch das Inquirium zu befördern. In Wahrheit ging es jedoch viel weniger darum, tatsächlich etwas zu bewegen, als vielmehr die räumlichen Dimensionen so zu krümmen, dass beide Punkte gleichzeitig am selben Ort existierten. Was für eine aufregende Aussicht!

Auf halbem Weg durch das innere Ätherwerk stieß die Projektion gegen etwas. Um ein Haar wäre sie Rashmi entglitten. „Nein, nein, nicht jetzt.“ Sie drehte die Projektion und drängte sie mit einem sanften Ziehen. Sie hing an einer der Phantomdimensionen fest. „Wir haben keine Zeit für so was.“ Sie zog stärker, stärker, stär– ihre Hand rutschte ab. Plötzlich fühlte sich alles falsch an. Ein starker Schwindel packte sie. Sie versuchte, sich zurückzuziehen, doch was auch immer sie festhielt, war zu stark.

Es war, als würde sie in eine Wanne voll Eiswasser geworfen.

Sie hätte geschrien, wenn sie ihre Stimme gefunden hätte – wenn sie die Stelle an sich hätte ausmachen können, von der aus eine Stimme unter gewöhnlichen Umständen hätte kommen sollen. Doch sie konnte weder ihre Lippen noch ihre Lungen noch irgendeinen anderen Teil ihres Körpers finden. Alles, was sie noch kannte, waren die unzähligen Dimensionen. Sie waren nicht länger Phantome oder Variablen in einer Gleichung. Sie waren echt. Und es gab so viele von ihnen.

Rashmi fühlte sich so klein und dennoch fühlte sich ihre Essenz gleichzeitig unfassbar gewaltig an.

Sie musste lange dort gehangen haben – gelähmt, überwältigt von Staunen und Verzücken – , doch wie lange, das wusste sie nicht. Zeit existierte nicht.

Und dann bewegte sie sich. Oder zumindest ihre Umgebung begann, sich zu verlagern. Das Gefühl einer Bewegung mochte fehlen, aber die Hinweise darauf, dass sie stattfand, waren dennoch absolut überzeugend. Sie schaute auf eine Stadt, doch keines der Gebäude wirkte vertraut. Die Formen, die Farben, die Architektur: Alles war so eigentümlich. Und dann war sie in einem Wald oder vielleicht einem Dschungel voller Ranken und dickblättriger Pflanzen, die miteinander um die Vorherrschaft zu ringen schienen. Sie erhaschte einen Blick auf einen gewaltigen Felsen, der in die Form eines Diamanten geschlagen war. Er hing in der Luft, als gäbe es keine Schwerkraft. Dann ein weiter, offener Himmel voller tiefvioletter Wolken und ein Bergmassiv, das von Schnee bedeckt war, durch den gelbe Blumen hindurchwuchsen. Die Bilder – oder vielmehr Eindrücke – kamen nun schneller. Einer ging in den nächsten über: stille Herdfeuer, unermessliche Wüsten, geschäftige Marktplätze voller fremdartiger Menschen und Waren, das Maul einer Bestie, ein sternenbesetztes Firmament. Mehr, als sie zählen konnte. Mehr, als sie je kennen würde.

Rashmi war gerührt. Dieser Ort, diese Orte: Sie hatte immer gewusst, dass sie dort draußen waren. In all ihren Jahren der Experimente zum Materietransport hatte sie sie gespürt, gerade außerhalb ihrer Reichweite. Sie hatte an sie geglaubt, obgleich sie keinerlei Beweise für ihre Theorien gehabt hatte. Und nun war sie hier. Etwas schwoll tief in ihrem Inneren an. Etwas, wodurch sie sich lebendiger und verletzlicher fühlte als je zuvor. Es brachte die Empfindung von Tränen mit sich, obwohl sie nicht in der Lage war, welche zu vergießen.

Sie hätte für immer an diesem wundersamen Ort – an diesen atemberaubenden Orten – bleiben können.

Von irgendwoher hörte sie ein Geräusch. Es wiederholte sich. Regelmäßig. Es war ein Rhythmus. Jeder Ton hallte im Kern ihrer Essenz wider. Als sie kristallisierten, erkannte sie, dass die Töne scharf waren. Wütend. Schmerzhaft. Sie waren all das, was dieser Ort nicht war. Sie zerrten an ihr und verlangten nach Ohren, sie zu hören, und nach einem Rücken, um ein Schaudern zu empfinden, und nach Haaren, die sich aufrichten konnten. Jeder Schlag im Takt zog sie weiter von jenem Ort weg, an dem sie sich befand, und tiefer in den Körper hinein, den sie beinahe vergessen hatte. Weiter weg.

Und dann war sie Rashmi – die Elfe, die tränenüberströmt am Boden des Inquiriums kniete, die Hände tief im Ätherwerk des Modulkerns. Das Geräusch wurde klarer. Es waren Schritte. Stakkatohaft und bösartig. Tezzeret. Sämtliches Blut wich aus Rashmis Wangen. Er kam.

Mit einem Ruck zog sie die Hände aus dem Kern und taumelte zurück, als ein tiefes Kreischen aus seinem Inneren ertönte. Die Äthersicherung des Kerns sprühte Funken. Sie schützte sich die Augen, um einen Schwall Äther abzuschirmen, der ihr ins Gesicht spritzte.

„Das ist eines der letzten Dinge, die ich heute Morgen hier sehen wollte.“ Tezzeret baute sich über Rashmi auf. Eine Handvoll Funktionäre flankierten ihn zu beiden Seiten. „Wie meine Erfinderin faul und mit Äther verdreckt auf dem Boden herumliegt.“

„Großer Konsul.“ Rashmi konnte ihre Aufregung über das, was sie gerade gesehen hatte, kaum verbergen. „Ich hatte einen Durchbruch.“ Zusammenhanglose Wortfetzen strömten aus ihrem Mund, während sie sich aufrappelte. „Das, was da draußen ist ... Die Phantomdimensionen. Das sind weitere Realitäten. Die Gebäude. Sie waren nicht – Ich habe noch nie so etwas wie diese Pflanzen gesehen. Sie können nicht von hier sein. Da draußen ist irgendetwas. Ich habe es vorher schon gespürt. Und Mitul auch. Mitul! Wir müssen ihn hierherbringen. Er wird das verstehen. Er hatte Theorien. Brillante Theorien. Die Möglichkeiten ... Hier geht es nicht mehr nur um Materietransport. Hier geht es darum, unser Wissen über ... über ... die Existenz selbst zu vertiefen.“

Von irgendwoher tief aus den Eingeweiden des Mannes, der vor ihr stand, kam ein dumpfes und dröhnendes Grollen. Es begann leise und wurde zu etwas Finsterem, das sich anfühlte, als kröche es in Rashmis Gedärm hin und her. Dann erkannte sie, dass Tezzeret lachte. Er lachte sie aus. Aber warum? „Oh, es ist ein so amüsanter Anblick, wie kleine Geister sich abmühen, wenn sie mit Dingen konfrontiert werden, die so viel größer sind als das, was sie verstehen können.“ Tezzeret schüttelte fröhlich den Kopf, ehe sich auf einen Schlag sein gesamtes Verhalten änderte und seine Augen sich zu schmalen Schlitzen verengten. „Ist der Transporter fertig?“

„Ja“, stieß Rashmi verwirrt hervor.

„Gut. Endlich hast du mal etwas richtig gemacht.“

„Aber es geht nicht mehr um den Transporter. Verstehen Sie denn nicht –?“

„Verstehst du denn nicht?“ Tezzeret beugte sich vor. „Nein, natürlich nicht. Wie denn auch. Dein Blickwinkel ist so entsetzlich begrenzt.“ Tezzeret winkte seinen Funktionären. „Bringt diesen Schrotthaufen von einem Konstrukt hier herüber. Es ist Zeit, dass wir sehen, was das Gerät hier kann.“

„Jawohl.“ Die Funktionäre bewegten sich rasch auf Bhavins Werkbank zu.

„Warten Sie.“ Rashmi konnte nicht glauben, was Tezzeret tat. „Es ist zu gefährlich. Wir verstehen noch nicht vollständig, welchem Druck wir die Phantom–“

„Du kannst gehen.“ Tezzeret winkte mit seiner Hand aus Fleisch.

„Was?“ Schrecken packte Rashmi.

„Du hast deine Aufgabe erfüllt.“ Tezzeret streichelte die Drähte des Transporters mit seiner Metallklaue. „Diese großartige Schöpfung gehört nun mir. Und daher bin ich mit dir fertig.“

Rashmis Instinkte schrien sie an. Sie durfte diesem Mann nicht ihren Transporter überlassen. Da war etwas in seinen Augen – etwas, was die Glut ihrer zunehmenden Beklemmung weiter und weiter anfachte. Sie musste das, was sie erschaffen hatte, beschützen. Mehr noch: Sie musste alles, was sie gerade gesehen hatte, beschützen – all diese Orte, all dieses Leben ...

„Das Konstrukt, Großer Konsul.“ Die Funktionäre rollten Bhavins massives Konstrukt unter den Bogen.

„Gut. Bringt nun die Elfe nach draußen.“

„Jawohl.“ Die Funktionäre begannen, Rashmi zu umzingeln.

„Warten Sie.“ Rashmis Herz raste. Sie musste etwas tun. „Er ist nicht fertig.“ Während sie sprach, fasste sie einen Plan. Wenn sie ihn hinhalten und den Kern von den Phantomdimensionen lösen konnte, würde er ihnen nichts tun können. „Eine Äthersicherung ist durchgebrannt.“ Sie streckte die ätherverschmierten Arme aus. „Genau bevor Sie reinkamen.“

Tezzeret straffte den Rücken. „Du meintest, er wäre fertig.“

„Das war er. Das ist er. Ich muss nur noch ein Ersatzteil einbauen.“

„Du hast mich belogen.“ Das war keine Frage. „Niemand belügt mich.“

Das hämmernde Pochen in Rashmis Brust breitete sich auf ihren Bauch aus, doch sie hielt sich tapfer. „Ich habe nicht gelogen. Er ist fertig. Ich muss nur eine kleine Anpassung vornehmen.“

„Ich glaube, du hast da etwas missverstanden.“ Ein Muskel in Tezzerets Wange zuckte. „Niemand belügt mich, denn ich setze dem Leben all derer, die es tun, ein Ende.“

Mit einem Mal konnte Rashmi nicht mehr atmen. Es war, als hätte sich ihr ein Ätherschraubstock um die Eingeweide gelegt.

„Ich war mehr als geduldig mit dir. Doch meine Geduld ist zu Ende. Und das heißt, dass es dein Leben auch ist.“

Rashmi wich in Richtung des Bogens zurück und überlegte, wie lange es wohl dauern würde, die Projektion der Verbindung aus dem Modulkern zu reißen, doch ehe sie handeln konnte, hob Tezzeret einen Finger und der feste Griff zweier Funktionäre legte sich um ihre Arme. Tezzeret schritt vorwärts, den Blick fest auf Rashmi gerichtet. „Repariere es. Sofort. Wenn du das schaffst, denke ich vielleicht darüber nach, dich dein beschränktes kleines Leben weiterführen zu lassen.“

Seine Worte versetzen sie in Panik, stärkten jedoch gleichzeitig ihre Entschlossenheit. Es ließ sich unmöglich länger leugnen, welche Art von Mann Tezzeret war. Sie war solch eine Närrin gewesen. Die ganze Zeit über waren alle Anzeichen dafür da gewesen. Sie hatte gesehen, auf welche Weise er die anderen behandelt hatte – und auch sie selbst. Doch sie hatte versucht, sich einzureden, dass alles gut war. Sie hatte dies so verzweifelt als ihre Chance sehen wollen, die Welt zu verändern, dass sie seine Wutausbrüche ignoriert und so getan hatte, als hätte sie die Gewalt nicht gesehen. Sie hatte sich selbst eingeredet, dass er sie nur antrieb, weil er ihr Bestes wollte. Sie hatte sich eingeredet, dass er ein guter Mäzen war. Doch in Wahrheit war er ein Monster.

Nun war es an ihr, diese Orte da draußen vor diesem Monster zu beschützen – selbst wenn es sie das Leben kostete. Rashmi holte tief Luft. Sie würde den Transporter nicht reparieren. Sie würde ihn zerstören. „Ich brauche mein Werkzeug.“ Sie versuchte, sich aus dem Griff der Funktionäre zu befreien.

„Hältst du mich für einen Dummkopf?“, spie Tezzeret aus. Rashmi erstarrte. „Ich kann sehen, wie dein kleiner Verstand arbeitet. Ich kann den Gestank deiner Absichten riechen. Du willst ihn zerstören.“ Rashmi versuchte, ihr Entsetzen über die Zielsicherheit seiner Aussagen zu verbergen. „Ich weiß, dass du das tun willst. Nur zu. Tu es. Doch wenn du es tust, dann sei dir gewiss, dass ich erst dich umbringe und dann deinen kleinen Freund – Mitul war sein Name, richtig? – herschaffen lasse, um den Transporter zu vollenden. Er sollte ja ausreichend mit deiner Arbeit vertraut sein. Und anschließend werde ich ihn auch umbringen.“

„Nein!“ Rashmi sträubte sich gegen den Griff der Funktionäre. Nicht Mitul. Nicht der sanftmütige, aufrichtige, mitfühlende Mitul. „Das können Sie nicht tun!“

„Endlich scheine ich zu dir durchzudringen“, höhnte Tezzeret. „Dann passen wir mal besser auf, dass du auch so schön motiviert bleibst.“ Er rief mit dem Wink eines Fingers aus Fleisch zwei Funktionäre herbei. „Ihr beide da holt den Vedalken Mitul her. Sofort.“

„Ja, Großer Konsul.“ Die Funktionäre eilten aus dem Inquirium.

„Nein!“ Rashmi geriet in Panik. Ihr Atem kam in schnellen Stößen. Der Raum neigte sich erst nach rechts, dann nach links. Hätten die Funktionäre sie nicht an den Armen festgehalten, hätte sie sich nicht auf den Beinen halten können.

„Wenn du nicht fertig bist, sobald sie mit deinem Freund zurückkommen, werdet ihr beide sterben.“ Tezzeret nickte den Funktionären zu, die Rashmi festhielten. „Lasst sie los.“

Das Glänzen des polierten Bodens. Das Gelenk eines Automaten. Die Drähte des Transporters. Als Rashmi nach vorn stolperte, sah sie jeden Aspekt des Inquiriums als separat und isoliert an. Ihr Verstand weigerte sich, die Teile zusammenzusetzen. Es war zu brutal, es als Ganzes zu sehen.

„Nun?“ Tezzeret baute sich vor ihr auf. „Worauf wartest du?“

Sie wartete nicht. Sie war gelähmt. Sie konnte nur noch an Mitul denken. Er würde an diesem Morgen an seinem Tisch im Käferinquirium sitzen. Er kam immer sehr früh. Sie fragte sich, an welchem brillanten Gerät er wohl gerade arbeitete. Hitze wallte in ihrer sich zuschnürenden Kehle auf. Er konnte nicht einmal ahnen, dass die Streitkräfte des Konsulats auf dem Weg zu ihm waren. Keine Warnung. Keine Erklärung. Sie würden gewalttätig und laut sein. Sie würden ihm wehtun. Das war ungerecht. Mitul hatte nie einer Fliege etwas zuleide getan. Und nun würde er ihretwegen leiden.

Nein, das würde er nicht. Das musste er nicht. Beweg dich, sagte Rashmi zu sich selbst. Für Mitul. Beweg dich. Ihre Gedanken rasten, während sie auf die Werkzeugkammer zustolperte. Es musste eine Möglichkeit geben. Es musste irgendetwas geben, was sie tun konnte, um sie beide zu retten: die Dimensionen, die sie gesehen hatte, und ihren lieben Freund. Sie zwang ihren Verstand, die Lage zu analysieren und das Problem, vor das Tezzeret sie gestellt hatte, als eng umrissenes Logikrätsel zu betrachten. Doch wie sie es auch anstellte, kam sie immer zum gleichen Ergebnis: Es gab keine Möglichkeit, beides zu retten. Sie würde eine Wahl treffen müssen.

Und sie würde Mitul wählen.

Es tut mir so leid. Diese Worte waren für all das Leben an all jenen Orten bestimmt, die sie gesehen hatte. Vielleicht hätten diejenigen da draußen es verstanden. Vielleicht hätten sie das Gleiche für einen Freund getan.

Während sie sich an der Tür zur Werkzeugkammer festhielt, suchte Rashmi in den glänzenden goldenen Kästchen nach einer neuen Äthersicherung. Mechanisch nahm sie die Sicherung an sich, die sie benötigte, trug sie zu ihrem Schreibtisch, öffnete das Logbuch und schrieb die Seriennummer auf. Eine Träne rollte ihr die Wange herab. Sie wischte sie fort, doch die zweite und die dritte tropften leise auf den Metallring ihres ursprünglichen Transporters, der noch immer an der Wand hinter ihrem Schreibtisch lehnte. Der Anblick des Ringes sorgte für weitere Tränen. Wie konnte es nur so weit kommen? Das alles hätte niemals so geschehen sollen. Nichts davon. Wenn irgendjemand ihr damals in ihrem Käferinquirium gesagt hätte, dass sie hier landen würde – mit einem Mal wurde Rashmis Mund trocken und ihre Hände feucht. Das Käferinquirium ... Sie hatte das Rätsel gelöst.

Ihre Hände bewegten sich bereits und rissen von einer Seite des Logbuchs eine Ecke ab. Sie wusste, dass Tezzeret sie aus der Ferne beobachten musste, doch sie wagte es nicht, sich umzudrehen und nachzusehen. Wenn er erkannte, was sie vorhatte, würde er sie töten. Das stand außer Frage. Doch wenn sie diese Sache durchzog, ohne seine Aufmerksamkeit zu wecken, konnte sie Mituls Leben womöglich retten. Das war genug, um alles zu riskieren.

Sie kritzelte eine kaum lesbare Nachricht: Du bist in Gefahr. Lauf. Lass dich nicht von ihnen in den Turm bringen.

Sie knüllte den Zettel zu einem Ball.

„Was machst du da?“ Tezzerets Stimme ließ ihren Herzschlag stocken.

„Ich nehme eine Berechnung vor.“ Die Festigkeit ihrer Stimme überraschte sie ebenso wie ihre Lautstärke.

„Du meintest, du würdest nur ein Ersatzteil einbauen wollen.“ Tezzerets Ungeduld war offensichtlich. Seine Schritte hallten über den Boden. Sie kamen näher. Rashmi legte einen Schalter um und stellte den Transporter an. „Du hast nichts von Berechnungen gesagt. Hast du mich angelogen? Schon wieder?“

„Ich muss sicherstellen, dass die Sicherung nicht ein zweites Mal zerstört wird.“ Rashmis Stimme war kräftig. Dank ihres Drangs, Mitul zu beschützen, hatte sie ihren Mut zurückgefunden. „Ich kann es mir nicht leisten, dass dieser Test fehlschlägt. Das haben Sie mir deutlich gemacht.“ Sie wusste, dass ihre Erwiderung ihn ärgern würde, doch genau das sollte sie auch. Sie sollte ihn vom Transporterring ablenken.

„Ich beginne, an deinem Selbsterhaltungstrieb zu zweifeln.“ Er ging um Bhavins ehemaligen Schreibtisch herum, wie sie am Klang seiner Schritte erkennen konnte.

Während sie mit einer Hand in ihr Logbuch schrieb, um den Schein aufrechtzuerhalten, öffnete sie mit der anderen das Kontrollpanel des Transporters und griff hinein. Es waren nur ein Dutzend Zielpunkte abgespeichert, weswegen es leicht war, den Ätherfaden zu finden, der sich an den Weg zurück ins Käferinquirium erinnerte. Das war das Ziel ihres ersten erfolgreichen Materietransports gewesen. Sie würde es nie vergessen – und ebenso wenig der Ring. Sie befestigte den Faden und klappte das Panel zu. Bitte sei da, flehte sie Mitul schweigend an. Bitte finde das hier.

„Genug gerechnet.“ Tezzerets Metallfaust knallte zu ihrer Rechten auf den Tisch. „Es wird Zeit für die Demonstration.“ Sein Atem war heiß auf ihrem Nacken.

Ihre Hand befand sich über dem Ring, doch wenn sie das Papier jetzt fallen ließ, würde Tezzeret es sehen. Sie würde ihn erneut ablenken müssen. Sie holte Luft und wappnete sich. „Es ist Zeit, wenn ich sage, dass es Zeit ist. Ich bin die Erfinderin.“

„WAS HAST DU GESAGT?“ Tezzerets Stimme klang, als käme sie durch einen Verstärker. Sie hatte erreicht, was sie wollte. Er war abgelenkt. Er knallte den Deckel des Logbuchs zu und verfehlte nur knapp ihre Fingerspitzen. Rashmi tat, als würde sie nach Luft schnappen, und ließ gleichzeitig den kleinen Ball aus Papier durch den Ring fallen. Er verschwand.

Tezzeret packte sie an dem Geschirr, das noch immer um ihre Hüfte lag, und drehte sie grob zu sich herum. „Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt. Du bist ein Nichts. NICHTS.“ Speichel sprühte aus seinem Mund und bedeckte ihr die Wangen wie heißer Tau. „Du bist nur hier, weil ICH will, dass du hier bist. Du bist am Leben, weil ICH es so will. Du wirst tun, was ich dir sage, oder ich werde dich UMBRINGEN.“ Er wartete nicht auf eine Antwort. Er zerrte sie am Geschirr durch das Inquirium zum Transporter, wo Bhavins Automat unter dem Bogen stand, bereit für die Demonstration.

Rashmi wehrte sich nicht. Es gab keinen Grund, es noch länger hinauszuzögern. Sie hatte alles getan, was sie konnte. Sie hatte Mitul eine Gelegenheit zur Flucht verschafft. Was auch immer als Nächstes geschehen würde, war zwischen ihr und diesem Monster.

„Bau das Teil ein!“ Tezzeret warf Rashmi zu Boden.

Ihre Knie prallten hart auf. Tränen schossen ihr in die Augen, doch sie blinzelte sie fort. Er sollte sie nicht weinen sehen. Nein. Nicht dieser Mann. Nicht dieser Mann, der ihr gesagt hatte, sie wäre ein Nichts. Der ihre Genialität beleidigt hatte. Er war es, der ein Nichts war. Er hatte vielleicht Macht und Kontrolle, doch sie dienten nur dazu, das zu verbergen, was er in Wahrheit war – oder vielmehr das, was er nicht war. Ihm fehlte alles, was zählte. Er war gar nicht zu jenem wissenschaftlichen Arbeiten fähig, das ihr so leicht fiel. Er hätte diesen Transporter nie bauen können. Deshalb hatte er sie hierhergebracht. Er brauchte sie. Er war ein nutzloser Egomane, der ohne sie völlig versagen würde. Und sie würde nicht zulassen, dass dieser nutzlose Mann sie tötete.

Das, was sie tun musste, dauerte nur ein paar Augenblicke. Sie setzte die Äthersicherung ein und nahm die notwendigen Einstellungen am Modulkern vor, indem sie den Einspeisungspunkt mit einem gespeicherten Zielpunkt verband. Dann lockerte sie die Verbindung gerade so sehr, dass sie in Reaktion auf den Sog des Transports zurückschnellen würde. „Fertig.“ Sie stand auf und prüfte die Klammer an ihrem Geschirr. Sie war fest.

„Weg da.“ Tezzeret stieß sie mit der Schulter beiseite. „Ich werde den Transporter bedienen.“

Rashmi biss sich auf die Zunge, um sich davon abzuhalten, ihm für seine vorhersehbare Arroganz zu danken. Das war genau das, worauf sie gehofft hatte, damit dieser Plan überhaupt aufgehen konnte. Sie machte einen Schritt zu den langen Fenstern hin, den Blick auf den Flaschenzug in der Nähe gerichtet.

Tezzeret klopfte stolz mit seiner Metallklaue auf Bhavins Automaten, der unter dem Bogen des Transporters stand. „Es ist Zeit.“ Er trat an die Seite und griff nach dem Hebel am Bedienpanel. „Dieser Moment bedeutet etwas, was du unmöglich begreifen kannst. Dies ist mein Moment.“

Er hatte keine Vorstellung, wie sehr er sich irrte.

Tezzeret zog den Hebel. Rashmi atmete ein. Der Automat verschwand.

Rashmi atmete aus. Die Sicherung im Inneren des Modulkerns brannte durch, schloss den Kern kurz und gleichzeitig tauchte der Automat wieder auf – über der Metallkiste, die sie so viele Male als Zielpunkt verwendet hatte. Bhavins Meisterwerk, das viel zu groß war, um in die Kiste hineinzupassen, zerquetschte diese unter sich, krachte durch den Rahmen von Rashmis Schreibtisch und zersplitterte das riesige Glasfenster dahinter. Die Druckveränderung und die peitschenden Ätherwinde saugten Papiere und Werkzeuge hinaus in den Himmel über Ghirapur.

„WAS HAST DU GETAN?!“ Tezzeret war außer sich vor Wut. Er stürmte auf sie zu, von Äther aus der geplatzten Leitung bedeckt. Doch Rashmi war vorbereitet. Sie befestigte das Geschirr am Kabel des Flaschenzugs. Ehe sein starrsinniger Verstand herausfinden konnte, was sie vorhatte, sprintete sie zu dem klaffenden Loch und sprang in den sprudelnden Äther darunter.

Bild von Jonas De Ro
Bild von Jonas De Ro

Alles, was als Nächstes geschah, beruhte auf schierem Instinkt. Sie purzelte durch die Luft. Wind peitschte ihr in den offenen Mund und raubte ihr den Atem und brannte ihr in den Lungen. Sie schloss den Mund. Durch die eiskalten Tränen, die ihr aus den Augen rannen, wurde die Straße unter ihr erkennbar. Sie schloss die Augen. Das federnde Kabel über ihr straffte sich und sie spürte das elastische Ziehen. Ihr Körper wurde nach oben geschleudert und wieder nach unten gerissen. Und dann noch einmal. Noch einmal. Sie öffnete die Augen, als die Bewegung aufhörte. Sie hing geradewegs über dem Dach eines Konsulatskreuzers. Sie griff nach der Klammer an ihrem Geschirr und zwang ihre zitternden Finger, sie zu lösen.

Ihre Beine reagierten nicht schnell genug, als dass sie auf ihnen hätte landen können. Sie fiel flach auf das glänzende Metalldach. Steh auf! Halb kroch sie, halb rollte sie sich von dem Fahrzeug herunter. Ihre Schulter traf zuerst auf die Pflastersteine.

Überall um sie herum herrschte Aufruhr. Menschen schrien. Funken flogen. Thopter surrten. Und von oben zeterte Tezzeret. Rashmi rappelte sich auf und rannte los. Sie wusste nicht, wohin sie gehen sollte, aber sie wusste, dass sie in Bewegung bleiben musste. Sie musste von hier verschwinden. So weit weg wie möglich. Fort von ihm.

Ihre Beine brannten und ihre Lungen schrien, doch sie würde nie anhalten. Nie.

Jäh schoss eine Wand aus Metall vor ihr hoch. Sie wich aus und drehte sich nach links. Noch eine Wand. Dieses Mal prallte sie dagegen, ehe sie erneut einen Haken schlagen und in eine andere Richtung rennen konnte – in eine dritte Wand hinein. Sie fuhr herum. Sie war umzingelt. „NEIN!“ Sie drosch mit den Fäusten auf das Metall ein. „Nein!“ Sie würde ihn nicht gewinnen lassen.

Hände griffen nach ihren Schultern und drehten sie herum. Rashmi hob die Fäuste. Bereit zum Kampf. Bereit zum Töten, falls es denn nötig werden sollte.

„Es ist schon gut, Rashmi. Ich bin es. Du bist in Sicherheit.“

Rashmi blinzelte. Nichts ergab einen Sinn. Wie? Wo? „Saheeli?“

„Wir sind in meinem Konstrukt. Es bringt uns an einen Ort, wo niemand uns findet.“ Rashmi konnte die Bewegung unter ihren Sohlen spüren, die nicht länger auf der Straße, sondern auf einem Metallboden ruhten. „Es ist vorbei, Rashmi. Du bist in Sicherheit. Du bist in Sicherheit.“ Saheeli wiederholte die Worte, bis Rashmis Atem sich so weit verlangsamt hatte, dass sie sprechen konnte.

„Mitul?“ Krächzend stieß sie den Namen ihres Freundes hervor.

„Er ist in Sicherheit“, sagte Saheeli.

Rashmi fiel in Saheelis Umarmung, als die Anspannung sich endlich löste.

„Das war ein ziemlich dramatischer Abgang.“ Rashmi blickte auf und sah eine fremde, in Schwarz gekleidete Frau.

„Es war großartig“, sagte Saheeli.

„Ich persönlich bin etwas enttäuscht“, sagte die Frau in Schwarz. „Mir war versprochen worden, dass ich ein bisschen Spaß mit Tezzeret haben würde.“

Bei der Erwähnung seines Namens zog sich alles in Rashmi zusammen. „Saheeli“, sagte sie und griff nach dem Arm ihrer Freundin. „Er hat den Transporter. Aber es ist nicht nur ein Transporter. Du hattest recht. Ich wusste nicht, was das, was ich da baute, für Auswirkungen haben würde. Aber ich glaube, er wusste es. Er muss es gewusst haben. Genau wie ...“ Rashmi brachte ihren Satz nicht zu Ende und sah Saheeli an. „Du wusstest es.“ Sie machte einen Schritt zurück und fühlte sich wie völlig aus dem Gleichgewicht geraten. Ihre Gedanken rasten, und sie wagte es kaum, die einzelnen Teile dieses Puzzles zusammenzusetzen.

Sie schaute von ihrer Freundin zu dem Metall, das um sie herum in die Höhe geschossen war. Sie musterte seinen einzigartigen, farbenfrohen Glanz. Dann wanderte ihr Blick zu der Frau in Schwarz. Sie nahm ihren fließenden dunklen Rock in sich auf, der aus einem Material war, wie sie es noch nie gesehen hatte, und die Linien auf ihrer Haut – blass, aber nicht zufällig, in einer Sprache, die Rashmi nicht kannte.

Ihr Herz schlug schnell. Sie blickte zurück zu Saheeli, doch dieses Mal sah sie wirklich hin und ließ ihre Wahrnehmung tief in den Äther sinken. Es war mehr ein Gefühl als irgendetwas anderes, und kaum hatte sie es verspürt, wusste sie auch schon, dass sie es kannte und woher. Wenn er zugegen war. Plötzlich fühlte Rashmi sich sehr unwohl, sehr klein und sehr verängstigt. „Saheeli. Du hast es gewusst.“

Saheeli sprach kein Wort.

Das Konstrukt hielt ruckartig an. „Endlich.“ Die Frau in Schwarz stand auf. „Hier drin ist es so gemütlich wie in einer der Besprechungen des Fleischklopses.“ Sie sah zu Saheeli. „Nun, willst du mich nicht rauslassen?“

Mit einer simplen Geste teilte Saheeli das feste Metall, und die Frau in Schwarz trat hinaus in die Tiefe dessen, was wie ein dunkles Lagerhaus aussah.

Saheeli räusperte sich und wandte sich zu Rashmi. „Sie alle warten auf uns.“

„Wer?“ Rashmis Stimme hallte in der Stiller wider, so unsicher wie sie selbst. „Was geht hier vor, Saheeli? Wo sind wir?“

„Willkommen bei den Renegaten, meine Freundin. Ich habe dir viel zu erzählen.“


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