Was bisher geschah: Stunde der Verheißung

Drei Götter sind gefallen, seit sich das Tor zum Jenseits geöffnet hat, um unvorstellbare Schrecken preiszugeben. Nur Hazoret die Inbrünstige und Bontu die Vielgepriesene sind noch übrig, um die Sterblichen auf Amonkhet zu behüten. Doch werden sie in der Lage sein, dem Ansturm standzuhalten, bis der Gott-Pharao erscheint, um sein Volk zu schützen?


Verzweiflung ließ die Göttin auf die Knie fallen.

Zum dritten Mal an diesem Tag durchfuhr sie ein Schmerz, der ihre Glieder sämtlicher Kraft beraubte und ihrem Herzen und ihrem Verstand gleichermaßen zusetzte.

Ein weiterer Gott ist tot.

Hazoret spähte zum Horizont, wo noch immer Heuschreckenschwärme das Licht der Sonne verdunkelten. Um sie herum zogen die Schrecken der Wüste durch die Straßen und brachten den Bewohnern Naktamuns Angst und Schrecken.

Solange sich Hazoret erinnern konnte, hatten sie und ihresgleichen ihr Volk vor dem Grauen der Wüste beschützt. Gemeinsam hatten sie die Finsternis zurückgedrängt, die Sterblichen vor den Flüchen der Welt bewahrt und Jagd auf die Schatten gemacht, die jenseits der Stadt lauerten.

Doch der Hüter des Hekma war tot.

Die goldene Bogenschützin – die Schwester, deren Pfeile all jene durchbohrten, die die Stadt zu bedrohen wagten – war tot.

Der unbezwingbare Wanderer – der Stärkste unter den Geschwistern und Wächter in der Wüste – war tot.

Nur Bontu und ich sind noch übrig.

Zahllose Gebete hallten in ihrem Verstand wider, eine Flut sterblicher Ängste, die auf sie einströmte und deren Ausmaß und Lautstärke stetig zunahmen, wann immer ein weiterer Gott fiel.

Hazoret biss die Zähne zusammen und zwang sich zum Aufstehen. Sie würde nicht wanken. Nicht jetzt – nicht, wenn ihre Kinder sie am dringendsten brauchten. Nicht, wenn all die Verheißungen des Gott-Pharaos sich in Nichts aufzulösen schienen und ihre Geschwister eines nach dem anderen einer dunklen Gottheit anheimfielen.

Ich muss meine Kinder beschützen. Ich muss Bontu beschützen.

Hazoret schloss die Augen und ließ los.

Sie ließ jede Beherrschung fahren. Sie ließ jegliche Zurückhaltung hinter sich. Hazoret ließ jeden Hauch von Zweifel und Unsicherheit von sich abfallen und stürzte sich kopfüber in etwas Neues – in Inbrunst, in Tatendrang, in Zorn und in Feuer und in den geschmeidigen Tanz ihrer Kampfeswut. Ihre zweigezackten Waffen durchstießen ganze Pulks aus Wüstenmumien, während sie voranstürmte, und ein goldenes Schimmern fuhr durch die Luft um sie herum. Das ferne Weinen eines Jungen ließ sie quer über eine große Promenade hechten, um das Kind vor einer einstürzenden Mauer zu schützen und es in die Arme seiner fliehenden Saatgeschwister zu schicken. Ein gewaltiges Untier brach aus dem Boden hervor, wälzte sich durch ein Gebäude hindurch und auf eine Gruppe von Bürgern Naktamuns zu. Mit einem Wort und einem Gedanken sandte Hazoret Flammenstöße durch die Luft, die das Ungeheuer in Asche verwandelten.

Chaosmaul
Chaosmaul | Bild von Steve Argyle

Hazoret kämpfte mit der entfesselten Wut einer Göttin. Um sie herum versammelten sich Sterbliche und fanden neuen Eifer, sich zur Wehr zu setzen, als Hazorets Gegenwart ihre Leidenschaft und ihre Kraft anfachte. Nachdem Hazoret gerade einen Schrecken der Wüste mit ihrem Speer aufgespießt hatte, erregte ein blitzender Klingenwirbel ihre Aufmerksamkeit. Eine Sterbliche, die zwei Chepeschs schwang, hieb auf ein Rudel untoter Hyänen ein und bewegte sich dabei mit schier unfassbarer Geschwindigkeit. Die Bestien schnappten nach ihr und knurrten, doch die Sterbliche machte kurzen Prozess mit ihnen, indem sie mächtigen Kiefern auswich, Sehnen und Gliedmaßen durchtrennte und die Bestien bewegungsunfähig machte.

Als die Sterbliche ihre beiden Klingen in das letzte Untier des Rudels stieß, konnte Hazoret endlich ihr Gesicht sehen: Samut, die Abtrünnige. Samut, die Leugnerin des Gott-Pharaos. Samut, von der Hazoret gefragt worden war: „Ist dies das Paradies?“, als sich das Tor zum Jenseits geöffnet und nichts als Ödnis und diese Flut grauenhafter Geschöpfe preisgegeben hatte, von der sie nun verschlungen wurden.

Die Sterbliche blickte von ihrem grausigen Werk auf und geradewegs in Hazorets Augen. Der Auserwählte Djeru, der ebenfalls zu der Göttin hinaufschaute, rannte an ihre Seite.

„Hazoret! Was sollen wir nur tun?“, rief Samut.

Hazoret sah zurück auf das Chaos, das sich in ihrer geliebten Stadt ausbreitete.

Beschützt einander, meine Kinder. Nehmt jeden mit, den ihr findet, und verbergt euch im Sand der Wüste. Wir müssen überleben, bis der Gott-Pharao erscheint, um dieses Unheil zu beenden.

Samut schüttelte den Kopf. „Der Gott-Pharao wird dieses Unheil nicht –“

Wir haben keine Zeit für Worte oder Zweifel.“ Hazoret sprach mit der vollen Kraft ihres Willens. Samut und Djeru, von der Macht ihrer Göttin zum Schweigen gebracht, verbeugten sich ehrfürchtig vor ihr.

Hazoret seufzte und besänftigte sich. Sie kniete nieder und sah Samut durchdringend an.

Du bist stark Samut, und stark ist auch dein Wille. Nutze diese Stärke, um die deinen zu beschützen. Amonkhet braucht dich. Und auch dich, Djeru, mein letzter Auserwählter.

Das markerschütternde Brüllen eines Sandwurms in der Ferne zog Hazorets Aufmerksamkeit auf sich. Sie machte ihre Waffe bereit und stand auf.

„Wir werden gehorchen, Hazoret. Wir werden unsere Brüder und Schwestern beschützen“, sprach Djeru mit klarer, fester Stimme. Samut jedoch blickte Hazoret noch immer zweifelnd an.

„Wen wirst du beschützen, Hazoret?“, fragte Samut.

Ein leises Lächeln huschte über Hazorets Gesicht. „Geht jetzt. Kämpft. Ich werde ausharren.

Ein kurzes Stück von ihnen entfernt fiel ein weiteres Monument in sich zusammen, als die Würmer durch seine Mauern brachen und Wesire vor sich hertrieben, deren Zauber wirkungslos an der dicken Haut der Kreaturen abprallten. Hazoret wartete nicht auf Samuts und Djerus Antwort, sondern stürzte sich mit gezückter Waffe, Feuer und einem Kampfschrei auf den Lippen auf die angreifenden Bestien.


Es ist nicht genug.

Für jeden Sterblichen, den sie rettete, waren ein Dutzend verloren. Ihr Herz schmerzte ob ihrer Furcht und ihres Schreckens. Jeder sinnlose Tod bereitete ihr neue Gewissensbisse. So viele davon waren Kinder, noch zu jung, um an den Prüfungen teilzunehmen. Die Stunde des Ruhms sollte die verbleibenden Sterblichen prüfen – ihnen die Gelegenheit geben, sich als würdig zu erweisen –, doch stattdessen waren sie lediglich Beute: Opfer des nicht enden wollenden Hungers der Wüste. Jeder Tod eines Sterblichen bedeutete, dass ein weiterer Mensch vom grausamen Fluch des Umherirrens ereilt wurde – verdammt dazu, zurückzukehren und ebenjene Freunde zu jagen, die zu beschützen er gestorben war.

Hazoret sehnte sich nach ihrem Gott-Pharao. Was war nur geschehen, was seine Rückkehr so verzögerte? Konnten die drei Insektengottheiten sein großes Werk, allen den Weg ins Nachleben zu ebnen, zunichtegemacht haben?

Hazoret schüttelte den Kopf. Er würde uns nicht im Stich lassen.

Ihr Blick schweifte zum Herzen der Stadt, wo der leere Thron des Gott-Pharaos groß und majestätisch aufragte – eine weitere Erinnerung an seine versprochene Rückkehr.

Der Thron war von Heuschrecken bedeckt – ein schwarzer Fleck auf der blutroten Silhouette der Stadt.

Ein kehliges Brüllen entwich Hazorets Kehle, als sie die Luft um sich herum entzündete und eine Flammenwelle aussandte, um den Thron ihres Gott-Pharaos zu reinigen. Zahllose Heuschrecken wurden durch das Feuer ausgelöscht, doch der Rauch hatte sich kaum gelegt, als ein noch größerer Schwarm den Platz dessen einnahm, den Hazoret gerade vernichtet hatte.

Absage
Absage | Bild von Richard Wright

Um sie herum fiel Naktamun weiter.

Verzweiflung senkte sich in Hazorets Herz. In ihrem Kopf war das Schwirren der Gebete ohrenbetäubend geworden, ein Lärm, der nur vom Surren der Heuschrecken übertönt wurde.

Und so betete nun auch die Göttin.

Sie betete zum Gott-Pharao um eine baldige Rückkehr. Sie betete für die Erfüllung seiner Prophezeiung. Sie betete, dass er eintreffen und erneut Ordnung im Chaos schaffen mochte.

Während sie betete, kräuselte sich die Luft über dem Thron wie durch ein Trugbild. Und dann, mit einem lauten Grollen, riss die Luft auf. Ein Nadelstich aus schwarzem Nichts, ein winziges Loch im Gewebe der Wirklichkeit, hing reglos in der Wüstenluft.

Die Leere gewann an Größe hinzu, und der rote Himmel um sie herum wurde versengt und flog wie Fetzen verbrannten Papiers in sie hinein. Risse breiteten sich von dem Loch aus, und blaue Energie zuckte und wurde dann schwarz wie Brandspuren, die sich an der Luft selbst zeigten. Weitere Brocken der Wirklichkeit stürzten in das Loch und beschleunigten auf ihrem Weg ins Nichts hinein, während der immer breiter klaffende Spalt den Raum um den Thron herum verschlang, um zu einem gewaltigen Portal anzuwachsen.

Zuerst erschienen goldene Hörner, die glänzend und makellos aus dem dunklen Portal glitten. Die perfekte Gestalt des Drachen folgte. Er entschlüpfte der Leere, gewaltig und geschmeidig. Macht ballte sich hinter riesigen Schwingen und scharfen Klauen.

Der Gott-Pharao war eingetroffen.

Hazoret hob frohlockend die Arme, und Lobpreisungen tanzten ihr auf den Lippen. Er war wahrlich so grandios, wie sie ihn in Erinnerung hatte, seine gewaltige goldene Gestalt eine Ausgeburt an Perfektion. Die Stimmen in ihren Gedanken, die verzweifelte Gebete ausstießen, wurden deutlich leiser, als eine Kakophonie der Ehrfurcht von den Sterblichen um sie herum ausging. Die Stimmen Amonkhets riefen voller Erleichterung und Freude.

Der Gott-Pharao landete vor seinem Thron. Seine Krallen klackten gegen den polierten Stein. Er senkte den Blick und beäugte die Schneise der Zerstörung und des Todes, die durch Naktamun gezogen worden war.

Und er lächelte.

Drohender Untergang
Drohender Untergang | Bild von Daniel Ljunggren

Grauen übermannte Hazorets Körper. Rhonas’ letzte Worte hallten in ihren Gedanken wider, als sie zusah, wie eine Gruppe verzweifelter Sterblicher auf den Drachen zueilte und auf ihrem Weg Rufe der Erleichterung und des Jubels und der Freude ausstieß. Der Gott-Pharao sah auf sie herab und hob eine Klaue. Hazoret konnte das Knistern von Energie in der Luft hören.

Ein Funken violetten Lichts brach zwischen den Klauen hervor, und vom Himmel senkte sich eine Wand aus schwarzen Flammen herab, die alles in ihrem Weg verzehrten.

Plage des Hagelfeuers
Plage des Hagelfeuers | Bild von Grzegorz Rutkowski

Der Jubel der Sterblichen verwandelte sich in Schreie, als Vernichtung vom Himmel herabregnete.

Hazoret sprang vorwärts und stellte sich über die Sterblichen, die ihr am nächsten waren, um zu versuchen, sie mit ihrem Körper vor der alles versengenden Magie zu schützen. Mit einem Wirbeln ihres Speers beschwor sie einen Schild aus Sand und Feuer herauf. Sie knirschte mit den Zähnen, als der Zauber des Gott-Pharaos um sie herum herniederfuhr.

Während die Sterblichen zu ihren Füßen schluchzten, rasten Hazorets Gedanken, um die sich überschlagenden Ereignisse zu begreifen.

Der Gott-Pharao ist eingetroffen, aber er bringt nur Vernichtung. Die Stunden verstreichen, und die Prophezeiungen sind nichts weiter als ein dunkles, verzerrtes Abbild ihrer ursprünglichen Bedeutung.

Ein stechender Kopfschmerz quälte sie, als sie versuchte, an die Vergangenheit zu denken und sich daran zu erinnern, wie der Gott-Pharaos gewesen war, bevor er sie alle verlassen hatte. Ihr Schild brach in sich zusammen, als ihre Konzentration nachließ und ihr Denken zwischen Rhonas’ letzten Worten und Samuts Fragen hin und her irrte. Sowohl der Gott als auch die Sterbliche hatten sich gegen den Gott-Pharao ausgesprochen, doch als Hazoret versuchte, sich darauf zu konzentrieren, was genau sie gesagt hatten, dröhnte ihr vor Schmerz der Schädel. Die Unmöglichkeit dessen, dass der Gott-Pharao etwas anderes als gut und gerecht sein konnte, rang mit dem, was ihre Sinne ihr zeigten.

Er lässt Vernichtung auf sein Volk, auf seine Kinder herabregnen.

Hazoret spähte zum Gott-Pharao hinauf. Sein Zauber war endlich abgeklungen und sein Blick zu dem Tor in der Ferne geschweift. Hazoret folgte ihm und war überrascht, die dritte Gottheit – jene mit dem Kopf eines Skarabäus – noch immer vor dem Tor stehen zu sehen. Trotz des Aufruhrs um sie herum schien sie schaurig reglos geblieben zu sein – eine indigoblaue Statue inmitten des Pandämoniums. Der Gott-Pharao breitete die Schwingen aus und duckte sich, als wollte er sich in die Luft erheben.

Heil dir, Nicol Bolas, Gott-Pharao von Amonkhet!

Die Stimme zog die Aufmerksamkeit des Drachen auf sich und ließ Hazoret überrascht zusammenfahren. Bontu schritt vorwärts und kniete wie eine Bittstellerin vor dem Gott-Pharao nieder. Hazoret griff sich an den Kopf und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Der Name, den Bontu ausgesprochen hatte – Nicol Bolas – hatte weitere gleißende Schmerzen durch ihren Schädel gejagt, und nun war sie sich sicher: Irgendein Zauber unterdrückte ihre Erinnerungen.

Ich habe Euch während Eurer Abwesenheit treu gedient, o Gott-Pharao“, übertönte Bontus krächzende Stimme den Lärm. „Ich habe nur die Ehrgeizigsten und Mächtigsten auserwählt, Eure würdigen Toten zu sein. Ich habe Abtrünnige aus allen Saaten entfernt und Naktamun von jenen befreit, die Euer Werk zunichtezumachen suchten. Und ich habe die Fäden bewahrt, die Ihr in das Sein meiner Brüder und Schwestern gewoben habt.“ Bontu neigte den Kopf. „Ich bin Euer, Nicol Bolas. Ich lebe, um zu dienen. Sprecht und ich werde gehorchen.

Im Verlauf von Bontus Rede umklammerten Hazorets Hände ihren Speer immer fester. Schließlich ertrug sie es nicht mehr.

Schwester!“, rief sie. „Wovon sprichst du da?

Der Drache und die Göttin wandten sich ihr zu, und zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte Hazoret sich klein.

Der Gott-Pharao richtete seinen Blick wieder auf Bontu und sprach:

„Töte deine Schwester.“

Ohne Zögern hob Bontu die Hand und sandte einen dunklen Energiestoß nach Hazoret aus.

Hazoret schrie auf, als der Zauber sie mit voller Wucht traf. Sie spürte, wie ihr Geist sich aufzulösen drohte: Die Ränder des großen Vergessens zersetzten ihren klaren Verstand und zerrten an Gedanken und Erinnerungen gleichermaßen. Hazoret beschwor aus ihrem innersten Wesenskern ein heilendes Feuer herauf und hielt die sich ausbreitenden Schatten mit einem brennenden Gleißen auf.

Vergessenheit
Vergessenheit | Bild von Sidharth Chaturvedi

Hazoret tauchte aus ihrem mentalen Ringen gerade rechtzeitig wieder auf, um einem weiteren Energiestoß auszuweichen. Mit der feurigen Klinge ihres Speers schnitt sie durch Bontus nächste Salve. Der dritte nekrotische Strahl streifte jedoch Hazorets Arm, da ihre Bewegungen langsamer wurden und ihr Verstand unter seiner Ablenkung litt.

Bontus erster Zauber hatte nicht nur Hazorets Geist angegriffen: Er hatte das ausgelöscht, was ihre Erinnerungen blockiert hatte.

Und plötzlich erinnerte sie sich an alles.

Die gesamte Tragweite von Bolas’ Täuschung und Bontus Verrat brach über sie herein, verlangsamte ihre Reaktionen und lenkte sie von dem laufenden Kampf ab. Die Schuld, Tod über ihre Kinder gebracht zu haben, lastete schwer auf ihren Gliedern, und die nutzlose Wut auf die Pervertierung ihres Daseinszwecks dämpfte ihre Reaktionsschnelle. Ganz so, wie Bontu es will, erkannte sie. Dieser Angriff war nicht nur ein mentaler Ansturm. Er war darauf ausgelegt, Hazoret abzulenken und zu verlangsamen, denn sie war schon immer schneller gewesen als ihre Schwester – schnell genug sogar, um ihren Angriffen und Zaubern auszuweichen.

Bontu hatte sich auf diesen Kampf vorbereitet.

Die Schwere von Bontus Verrat ließ Hazorets Verstand zwischen Wut und Verzweiflung hin und her taumeln.

Warum, Bontu?“, rief sie.

Bontu lachte – ein krächzendes, nagendes Geräusch. Für die Sterblichen, die es gehört hatten, klang es grausam und selbstsicher, doch Hazoret hörte mit Traurigkeit versetzte Verzweiflung heraus. „Hast du vergessen, wer ich bin, Schwester? Ich bin der leibhaftige Ehrgeiz. Bolas hat jeden vernichtet, der Widerstand leistete. Ich hingegen beschloss, mich mit seiner Macht zu verbünden. Ich habe mich fürs Überleben entschieden.

Du hast dich entschieden, deine Welt zu verraten.“ Hazoret schleuderte einen Flammenstoß auf Bontu, doch diese absorbierte den Zauber mit ihrem Stab.

Diese Welt ist Bolas.“ Bontu richtete ihren Stab auf Hazoret, und das Feuer schoss zu ihr zurück, schwarz von Bontus nekrotischer Energie. „Und du bist nicht würdig.

Hazoret sprang zurück, wich den dunklen Flammen aus und duckte sich hinter die Überreste eines zerstörten Gebäudes. Ihr Herz wurde hart vor Entschlossenheit.

Binnen eines Wimpernschlags sprang sie in einer Wolke aus Sand aus ihrer Deckung und hinter Bontu, den zweigezackten Speer zum Stoß auf ihre Schwester bereit. Ihre Waffe schien Fleisch zu durchbohren, doch dann zerbarst Bontu in Fäden aus Rauch. Hazoret taumelte zurück und hustete, als sie die giftige Wolke einatmete, während sie nach Bontus Versteck Ausschau hielt. Der Sand zu ihren Füßen stob auf, als Bontu unter ihr auftauchte und die Zähne in Hazorets Arm grub. Hazoret schrie auf, und der Biss zwang sie, ihren Speer fallen zu lassen.

Hazoret beharkte Bontu mit Schlägen und Tritten, doch diese hielt dem wahren Hagel aus Angriffen stand, während magische Energie über ihre Schuppen wogte und sie so schützte. Einer Eingebung folgend ließ Hazoret ihren Arm, der noch immer in Bontus Maul steckte, in Flammen aufgehen. Mit einem Schrei öffnete Bontu die Kiefer um die zerbissene Gliedmaße, und die beiden Göttinnen wankten auseinander.

Hazoret griff nach ihrem Speer. Ihr Arm hing nutzlos an ihrer Seite. Bontu atmete schwer. Ihr Maul und ihr Gesicht waren von Hazorets Angriff versengt worden. Hazoret sah zu, wie Bontu ihren Stab hob, und bereitete sich auf eine neue Salve aus Zaubern vor. Zu ihrer Überraschung glühte Bontus Stab zwar auf, doch es folgte kein Angriff.

Ein neuerlicher Chor aus Schreien schwoll an, und Hazoret drehte sich um. Ihr stockte der Atem, als Schrecken aus den Ritzen und Schatten gekrochen kamen und sich auf die Sterblichen warfen, um sie in Stücke zu reißen. Bontus Zauber rief die dunklen Bestien herbei, und diese machten sich ans Werk, alles in ihrem Weg grausam zu töten.

Wieder stürzte sich Hazoret ins Getümmel, um auf die Schrecken einzuschlagen und verzweifelte Hiebe auszuteilen, um ihre Kinder zu beschützen. Als ihr Speer den ersten Schrecken durchbohrte, zerplatzte dieser zu klebrigem Teer, der sich um ihre Waffe legte. Die anderen Schrecken sprangen auf sie zu. Ihre schattenhaften Gestalten verdichteten sich zu einem zähen Schlamm, der sie festhielt. Hazoret schrie wütend auf und versuchte, Hitze und Feuer heraufzubeschwören, doch der Teer wurde nur härter und unnachgiebiger.

Dein Eifer und dein Mitgefühl machen dich berechenbar, Schwester“, flüsterte Bontus Stimme in ihrem Ohr. Sie hörte, wie Bontus Stab gegen den Teer klopfte, und schnappte nach Luft, als Wärme und Macht aus ihrem Körper wichen. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Bontu in den Teer griff, zupackte und Hazoret zu dem Thron und dem drachischen Täuscher zerrte. Hazoret wehrte sich schwach, doch Bontus Magie beraubte sie langsam und unbarmherzig ihrer Lebenskraft.

Mit einem letzten Zerren schleuderte Bontu Hazoret Nicol Bolas vor die Füße, ehe sie erneut vor ihm niederkniete.

Ich habe getan, wie mir geheißen, Gott-Pharao. Ich lebe, um zu dienen.

Der große Drache blickte zu der unterwürfigen Göttin hinunter. Langsam hob er eine Klaue – und schoss einen Stoß dunkler Energie auf Bontu ab. Die Göttin fiel zu Boden und wand sich vor Qualen.

„Deine Nützlichkeit endet hier“, schnaubte der Drache verächtlich. „Diene mir im Tod, kleine Göttin.“

Nicol Bolas schritt vorwärts und ließ die beiden sterbenden Unsterblichen Amonkhets hinter sich zurück.

Ein urtümlicher Schrei entfuhr Bontu, als sie auf ihn zukroch, während ihr Körper noch immer vor Schmerzen zuckte. Nicol Bolas drehte sich um und beobachtete sie mit einem Ausdruck höhnischer Belustigung. Langsame, taumelnde Schritte wurden zu einem Ansturm, als Bontu auf den Drachen zurannte.

Ein Monument stürzte in Bontus Weg ein, als eine Woge aus Untoten sich auf es ergoss – eine Mischung aus Mumien aus der Wüste und aus Bewohnern Amonkhets, die vom Fluch des Umherirrens ereilt worden waren. Die Göttin stolperte über die Trümmer hinweg, und die Untoten schwärmten zum Angriff aus. Bontu schlug nach ihnen, doch in ihrem geschwächten Zustand war das, was sonst nur ein lästiges Ärgernis gewesen wäre, mehr als genug, um sie zu Fall zu bringen.

Als Nicol Bolas zusah, wie Bontu unter den untoten Massen begraben wurde, hallte sein kaltes, grausames Gelächter durch die Ruinen Naktamuns. Mit einem Flügelschlag schwang er sich in die Luft und flog zu dem Tor und der dort wartenden Skarabäus-Gottheit.

Hazoret schaute zu, wie der Drache sich zurückzog, hörte, wie die Untoten an ihrer Beute nagten und zerrten, und spürte, wie ihr eigener Griff um das Leben sich löste.

Ein plötzliches Aufwallen von Macht breitete sich vor ihr aus, und Hazoret blickte gerade rechtzeitig auf, um zu sehen, wie sich eine Wolke aus schattenhaftem Verfall aus dem Haufen Untoter löste. Bontu brach aus ihnen hervor, schnappte nach Luft und warf die reglosen Leiber der Monstren in den Himmel, während ihr Zauber alles Lebendige und alles Untote in ihrer Nähe auslöschte.

Bontus letztes Gefecht
Bontus letztes Gefecht | Bild von Victor Adame Minguez

Bontus Blick traf den Hazorets, und die Schakalgöttin spürte, wie der Teer um sie herum weicher wurde und schmolz.

Und zum vierten Mal an diesem Tag durchbohrte ein stechender Schmerz Hazorets Eingeweide, als Bontu fiel und der nekrotische Zauber des Drachen die letzten Leylinien durchtrennte, die die Göttin an diese Welt banden.

Und nur Hazoret blieb übrig – die letzte Säule Amonkhets.


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Planeswalker-Profil: Nicol Bolas
Weltenbeschreibung: Amonkhet