Vorbemerkung: Dies ist der erste Teil einer fortlaufenden Erzählung

Ein einsames Paar schwang sich mit Seilen und Haken durch die tiefe Schlucht des Umara-Flusses in Tazeem. Die beiden – eine kampfesmüde Kor und ein großer, schlanker Mann vom Meervolk – schienen nur in jenen Augenblicken zwischen zwei Schwüngen stillzustehen. In diesen schwerelosen Herzschlägen war es, als drehte sich die ganze Welt nur um sie. Auf Zendikar war dies kein Ding der Unmöglichkeit.

Das Paar war seit zwei Tagen nahezu ununterbrochen gereist, seit es an der Magosi-Furt zuletzt gerastet hatte. Die Furt selbst lag einige Tage flussaufwärts von den fernen Ufern des Halimar, jenseits dessen ihre Heimat Seetor dem tobenden Ozean trotzte. Das Paar jagte Gerüchten über einen vom Himmel herabgestürzten Polyeder nach – einem Artefakt einer längst vergangenen Welt.

Dieser Flug – jenes Schwingen und Springen, das den Gesetzen der Natur zuwiderzulaufen schien – nährte die eine Sorge und verbarg eine andere: Wo ein einziger Augenblick der Unachtsamkeit dazu führen konnte, dass man in das tosende Wasser stürzte, spielte fast verlorenes Wissen nur eine untergeordnete Rolle.


Klarwasser-Höhenweg | Bild von: Daarken

Akiris Führungshaken fand den abgewetzten Anker, die Leine straffte sich durch ihren Schwung und die Kor fiel mit der Zuversicht von jemandem in die Tiefe, der wusste, dass er niemals irgendwo aufkommen würde. Am tiefsten Punkt von Akiris Schwung war die Welt ein einziger Rausch aus Klang und Farben: der rauschende Fluss, weiß und smaragden unter ihr, die Schichten purpurnen und umberfarbenen Gesteins, die zu beiden Seiten der Schlucht als verwaschene Schemen vorüberzogen, das Surren ihres Kor-Seils, wie es die Luft durchschnitt. Fliegen war für Akiri lediglich eine Frage des Festhaltens.

Akiri und ihr Gefährte Zareth reisten die Schlucht des Umara-Flusses hinauf: ein langes, beständiges und zerklüftetes Tal, das sich der Umara über Jahrtausende hinweg gegraben hatte. An den Hunderten von Schritt hohen, nackten Felswänden der Schlucht wimmelte es schier von natürlichen und künstlichen Ankerpunkten, von denen die besten mit hellen Farben gekennzeichnet worden waren, damit Seilschleuderer mühelos vorankamen. Ein rauer Wind fegte von den Rändern der Schlucht herab, perfekt für die Navigation flussabwärts, wenn man die schnelle Route zur Halimar-Bucht nehmen wollte. Diese Schlucht war wie zum Fliegen gemacht und noch dazu einer der wenigen beständigen Orte auf Zendikar. Einer Meisterin wie Akiri fiel das Durchqueren dieses Tals ebenso leicht wie das Laufen.

Akiri nutzte ihren Schwung, um sich vorwärts und nach oben tragen zu lassen. Im Handumdrehen war sie frei und schwebte – ein schwereloser Augenblick zwischen Fliegen und Fallen. Entscheidend, um zur Ruhe zu kommen und Atem zu schöpfen. Akiri tat beides. Sie erspähte ihren nächsten Anker und warf im Fallen ihren Folgehaken aus.

Eine Leichtigkeit. Einen ungebetenen Augenblick lang spürte sie Angst. Wie eine alte Freundin, die ihr nie von der Seite wich. Würde der Haken sein Ziel verfehlen (unmöglich) oder der Fels zerbrechen (sehr gut möglich, doch angesichts des Gesteins, aus dem die Schlucht bestand, eher unwahrscheinlich), so würde Akiri nicht fliegen. Sie würde fallen, und das wäre ihr Ende. Eine weitere Kor, die der Umara verschlang. Eine weitere Kor, die vergessen hatte, was Zendikar nun von ihnen hielt. Selbst wer zum Laufen geboren war, geriet hin und wieder ins Straucheln.

Akiris Haken fand sein Ziel, verfing sich und hielt. Sie spürte den Aufprall durch das Seil, ihren Arm hinauf und bis in ihr Herz hinein laufen, und sie schwang sich furchtlos in die Höhe. Bei diesem Schwung würde sie nicht fallen – sie würde fliegen.

Ein Rufen hinter ihr erinnerte Akiri daran, dass nicht jeder so versunken in sein Handeln war.

Zareth, ihr alter Freund und Gefährte, jauchzte und brüllte jedes Mal, wenn er einen Scheitelpunkt erreichte, jubelte, wenn sein Haken einen Anker fand, und feuerte sie unablässig an.

„Akiri!“, rief Zareth hinter ihr. „Nimm die rote! Die rote Route!!“

Die rote Route war eine schwierige, schnelle Hakenroute das Umara-Flusstal hinauf. Akiri kannte sie gut: Sie selbst hatte die Route während des Kampfes um Zendikar für ihre Gruppe erfahrener Seilschleuderer ausgekundschaftet und angelegt. Damals hatte sie dazu gedient, hungrigen Bestien und der Brut der Eldrazi zu entwischen, die auf den hohen Felshängen der Schlucht auf der Lauer lagen. Nun nahmen Seilschleuderer die Rote, um Wetten zu gewinnen und ihr Können unter Beweis zu stellen. Ein Wandel zum Besseren.

Ein paar Schwünge, um an Tempo zu gewinnen, und sie war bereit. Auf dem Scheitelpunkt ihres nächsten Schwungs zögerte sie ihren Wurf hinaus und drehte sich in der Luft, um zu Zareth zurückzublicken. Ihr weißes Haar peitschte ihr ins Gesicht.

Zareth flog hinter ihr und sah noch immer aus wie jener schlaksige Meervolkdieb, der vor all diesen Jahren versucht hatte, ihre Haken zu stibitzen – nur dass er inzwischen etwas älter war und seine eigenen Haken hatte. Die Jugend, die so viele verließ, war nie ganz von ihm gewichen.

„Folge mir!“, rief Akiri ihrem alten Freund zu. Sie fiel, drehte sich und warf beide Haken vor sich aus: Es gab auf der Roten Route links wie rechts Anker, und sie würde die Kraft ihrer beiden Arme brauchen, um die nächsten Schwünge zu schaffen. Sie vertraute darauf, dass Zareth mit ihren Manövern, wenn auch nicht mit ihrer Geschwindigkeit mithalten konnte.

Die Angst war da, ja. Immer. Aber auch die Freiheit!

Akiris und Zareths Jauchzen hallte das Umara-Flusstal hinauf. Vor ihnen lag Gefahr – auf Zendikar etwas vollkommen Gewöhnliches und ganz besonders angesichts dessen, dass man sie von Seetor aus losgeschickt hatte, um Gerüchten über einen gefallenen Polyeder nachzugehen. Doch dies schien gerade unendlich weit entfernt.

Gemeinsam flogen Akiri und Zareth.


Akiri, Furchtlose Reisende Bild von: Ekaterina Burmak

Später an jenem Abend errichteten Akiri und Zareth ihr Lager auf einer der hohen Kanten der Schlucht. Die verwaschene, rotgelbe Sonne breitete sich wie ein Eidotter über dem Horizont aus, und unter ihnen rauschte der Umara sanft und stetig dahin. Von der Schlucht weg erstreckten sich weite Ebenen, nur durchbrochen von zerklüfteten, speerklingenartigen Felsen, die sich fern im Norden erhoben – dort wo das flache Land zunächst sanften Gebirgsausläufern und schließlich der zerschundenen Finsternis des Bollwerks wich. Bergspitzen schwebten über dem Horizont, als hätte jemand eine Handvoll Sand und Felsen genommen, sie in die Luft geworfen und mitten im Herabregnen eingefroren.

Das, dachte Akiri, ist wahrscheinlich gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt.

Akiri lehnte gegen den vom Wind gekrümmten Stamm eines kleinen Baumes und rieb sich Schleuderersalbe auf die müden Arme. Zareth stand ein Stückchen entfernt und betrachtete den Sonnenuntergang. Vor der herabsinkenden Kugel war er nur ein dunkler Umriss mit einem langen, scharfen Schatten.

Ein weiteres Mal mit Zareth auf eine Mission zu gehen, hatte sie auf unerwartete Arten und Weisen erschüttert. Seine kürzliche Rückkehr nach Seetor war ihr zwar willkommen, brachte jedoch bedrückende Erinnerungen mit sich. Erinnerungen an das, was nicht nur Tazeem, sondern ganz Zendikar angetan worden war. Erinnerungen an jene, die diese Untat begangen hatten: Wesen, die zwischen den Welten tanzen konnten, diese einen Augenblick in ihr gleißendes Licht tauchten und dann im Fortgehen eine Schneise der Verwüstung hinter sich zurückließen.

Die Sonne ging unter, und es wurde kühler. Akiri erinnerte sich an die Kälte in Seetor unter Ulamog, im Schatten jener Bestie, die von ihren uralten Ketten befreit worden war.

Akiri schauderte. Wie lange war dieses Ding unter der Erde eingesperrt gewesen? Und was hatte seine Gefangenschaft der Welt angetan, die zu seinem Kerker gemacht worden war? Und wer hatte ihre Welt als Gefängnis der Weltenfresser auserkoren?

Ein kaum bezähmbares, überwältigendes Aufwallen von Zorn: Deshalb, dachte sie. Seetor und der Aufstieg nach Murasa. Deshalb tust du das – vergiss das nicht!

Ein Leben voller Erinnerungen erschöpfte einen nicht weniger wie die Rote Route den Umara entlang. Akiri atmete ihre Anspannung aus. Es war besser, weiter zu atmen. Sich bewusst zu machen, dass dies ein schöner, wenn auch schwüler Abend war. Der Himmel war klar, abgesehen von den Polyedersplittern von Emeria. Einer hing tief genug, dass sein Schleier aus herabfallenden Wassermassen deutlich zu erkennen war: ein endloser Strom, der sich in die Tiefe ergoss wie glitzernder Spitzenstoff. Ein Flecken Grün duckte sich darunter. Eine Oase im Gras. Vögel zogen in Schwärmen umher und stießen mit einem durchdringenden Kreischen hinab, das über das Tosen des Flusses hinweg gerade noch eben so zu hören war. Zendikar, der Kerker. Zendikar, die Ruine. Zendikar, die verwundete Welt, konnte noch immer schön sein.

„Akiri!“, rief Zareth ihr zu. „Das Ding, hinter dem wir her sind.“

„Der Polyeder?“

„Warum, glaubst du, ist er abgestürzt?“

„Wenn ich raten müsste …“ – Akiri blickte zum Himmel hinauf in Richtung Emeria – „… ist er einfach abgestürzt.“

Zareth knurrte. Er folgte Akiris Blick. „Nichts derart Geordnetes würde ohne Grund abstürzen.“

„Das ist wahr“, sagte Akiri.

Die Gelehrten in Seetor zankten sich über das Wesen der Polyeder und die Mechanismen, die sie in der Luft hielten. Diese Weisen hockten da mit ihren Teleskopen und zeichneten die kurzen Schwingungen und Bewegungen der Polyeder auf, heuerten Expeditionen an – Akiri hatte einige davon sogar geleitet –, um Routen auszukundschaften, über die man nach Emeria aufsteigen konnte, und stritten über die Namen von Ebenen und Himmelszeichen. Doch wussten sie, warum die Polyeder am Himmel blieben oder warum sie herabstürzten? Nein, genauso wenig wie diese Forscher wussten, was die Aufgabe der Polyeder gewesen war oder wer sie erschaffen hatte.

Akiri litt nicht unter solchen gelehrten Ängsten. Die Bibliotheken und Studierzimmer in Seetor waren ihr nur dahingehend nützlich, dass sie Nahrung und Getränke für die Waldläufer, Seilschleuderer und Abenteurer des Expeditionshauses bereithielten. Stellte sie sich diese Fragen? Ja, natürlich tat sie das. Hatte sie Angst? Nicht mehr, als man sie vor einem plötzlichen Tod hatte. Ja und nein.

„Mit dieser Annahme befindest du dich in rühmlicher Gesellschaft, Zareth“, sagte Akiri. Sie stand auf und warf Zareth ihren Beutel mit Schleuderersalbe zu. Er fing ihn auf. „Wenn du zum Tor zurückkehrst, kann ich dich einigen Gelehrten vorstellen, die die Polyeder studieren“, sagte Akiri. „Sie haben sicherlich einige gute Bücher über derlei Dinge. Mit hohem Wiederverkaufswert.“ Akiri sprach mit sanfter Heiterkeit.

Zareth lachte. „Sachte“, sagte er. „Angeblich.“

Akiri glaubte ihm. Dass Zareth vor Jahren geflohen war und dass derjenige, der nun nach Seetor und in dessen Expeditionshaus zurückgekehrt war, ein anderer in einer anderen Zeit war.

Zumindest hoffte sie das.

Bei ihrem Nachtmahl für Reisende – einem dicken Eintopf aus Wildzwiebeln, zerhackten Knollen, geräuchertem Fleisch und Kräutern, die sie in der Nähe gefunden hatten – erholten sich Akiri und Zareth von den Strapazen des Tages.

„Du hast dich auf der Roten Route gut geschlagen“, sagte Akiri zu Zareth, der in dem köchelnden Eintopf rührte. „Aber du musst noch am Lösen deines Folgehakens arbeiten. Wir nehmen morgen die Grüne Route, damit du üben kannst.“

Zareth nickte. Er probierte den Eintopf und streute dann etwas mehr Salz in die Brühe. „Es liegt an meiner Schulter. Die habe ich mir bei einem Sturz gebrochen, als ich das Schleudern lernte.“ Er ließ seine Schulter kreisen, eine Bewegung, von der Akiri erkannte, dass sie deutlich eingeschränkt war, wenngleich er etwas übertrieb. „Ansonsten könnte ich mir den Titel ‚Schnellster auf der Roten‘ holen“, sagte Zareth mit einem Lächeln.

Das glaubte Akiri zwar nicht, doch sie schwieg. Stattdessen deutete sie auf die Haken, die an seinem Gurtzeug befestigt waren. „Die sehen nicht wie gewöhnliche Haken aus. Wo hast du sie her?“

„Sie kommen von einer Himmelsfeste. Von den Kor, die durch die Gräben in Ondu laufen“, sagte Zareth. Er griff nach dem Gurtzeug und löste einen der Haken von seinem Seil. „Mutige Seilschleuderer finden sie in den Ruinen“, sagte er und warf Akiri den Haken zu. „Das ist der einzige Ort, an dem man sie finden kann. Man muss mutig sein oder jemandem wichtig sein, der es ist.“

Akiri musterte den Haken von allen Seiten. Er war von feinen, regelmäßigen Ziselierungen bedeckt, einem geometrischen Muster, das Akiri an ein sich spiralförmig windendes Labyrinth erinnerte. Winkel und Ecken, Rauten und perfekte Quadrate. Nicht natürlich entstanden, aber auch keine Handwerkskunst, die sie erkannt hätte – außer es handelte sich um die eine, die es nicht sein konnte.

„Hast du den gefunden?“, fragte Akiri.

„Nein“, sagte Zareth. „Ich war jemandem wichtig, der mutig war.“ Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. „Wie auch immer. Die lassen einen nie im Stich“, sagte Zareth.

„Und trotzdem“, sagte Akiri und hob eine Augenbraue.

„Meine Schulter, ich weiß. Man soll ja nicht immer alles glauben, was einem so erzählt wird, richtig?“

Zareths schlaues Lächeln. Akiri kannte es gut. Heiterkeit lauerte hinter jeder Ecke. Wahrscheinlich war dies auch der Grund für seinen Sturz gewesen.

„Er ist hübsch“, sagte sie und gab Zareth den Haken zurück. „Das Muster, das darin eingelassen ist?“

„Sieht genauso aus wie die auf den Polyedern.“ Zareth nickte. „Ich habe viele davon in Ondu gesehen – sogar in Richtung Land.“ Er drehte den Haken um und ein leises Lächeln huschte ihm über das Gesicht. „Hier“, sagte er und hielt Akiri den Haken hin. „Nimm du ihn. Ich habe noch andere.“

„Danke, Zareth“, sagte Akiri und nahm den Haken. Sie griff nach ihrem Bündel, zog ihr Hauptseil heraus und befestigte den Himmelsfesten-Haken daran. Sie musste Zareth nicht fragen, woher er seinen Vorrat hatte – tatsächlich, dachte sie, ist es besser, wenn ich es nicht weiß. Sie verstaute den Haken in ihrem Bündel und kehrte mit einem Behälter aus Wachstuch zurück, aus dem sie eine Karte zog. Akiri breitete die Karte auf dem trockenen Boden aus und beschwerte die Ecken mit einigen Steinen aus der Nähe.

Zareth schöpfte ihr Abendessen in Schüsseln und setzte sich gegenüber der Karte. „Morgen oder übermorgen?“, fragte er.

„Morgen“, sagte Akiri. „Es sind nur sechs Meilen bis zu diesem Wasserfall“, sagte sie und deutete auf einen markierten, aber namenlosen Wasserfall auf der Karte. „Der Polyeder sollte an seinem Ursprung sein.“

„Müssen wir uns ihretwegen Sorgen machen?“, fragte Zareth.

Einen Augenblick lang war Akiri verwirrt, doch dann –

Der hautlose Titan, der die Sonne verdunkelt. Wasserfälle aus Meerwasser, die sich von seiner drohend aufragenden Gestalt ergießen. Er breitet die Arme so weit aus wie der Horizont, und Seetor erbebt und schimmert vor Hitze.

– wusste sie es.

„Nein“, sagte Akiri. „Sie haben diese Welt verlassen. Wir haben gewonnen.“ Ihre Kehle war staubtrocken, selbst jetzt noch, da sie nur an sie dachte.

Zareth aß und betrachtete die Karte – aber er sah sie nicht wirklich an, wie Akiri auffiel. Er sah durch sie hindurch. Sie kannte diesen Blick, das Starren in die Ferne jener, die Dinge gesehen hatten, die niemand je sehen sollte …

Die von gelbroten Flammen besudelte Dunkelheit der Nacht, der Gestank rasch verwesender Toter und die Schreie der Lebenden. Ihr Schwert schwer und glänzend von dampfendem Blut. Die Eldrazi töteten mit einer Berührung – einige durch ihre bloße Anwesenheit. Kameraden zerfielen zu weißer Asche, die dick in der Luft hing, um die man rang. Der erste Ansturm der Brut-Ungeheuer hatte sie beinahe überwältigt, doch irgendwie hielten sie stand, und die Luft knisterte vor Energie, und die nächste Welle prallte auf sie.

– sie erinnerte sich, wie unerfahren Zareth während des Kampfes um Zendikar gewesen war. Er war zur Befreiung von Seetor eingezogen worden, weil er einen Speer halten konnte, und er wurde ihrer Einheit zugeteilt, weil so viele getötet worden waren. Er war schon damals groß für sein Alter gewesen, und die anderen Rekruten hatten ihn für älter und erfahrener gehalten.

Sie war nur eine Handvoll Jahre älter als Zareth gewesen, als die Eldrazi über die Welt gekommen waren: eine Kor, die sich für unverwundbar hielt, weil sie zu fliegen gelernt hatte, wie schon ihre Vorfahren es getan hatten. Mit Haken und Seilen und Zendikar als ihrem grenzenlosen Spielplatz. Sie war flink mit dem Schwert, eine fähige Kämpferin in einer Gruppe aus Auserwählten. Selbst damals schon hatten ihr ihr Können und ihre Anmut Anerkennung in ganz Zendikar eingebracht und ihr das Gefühl vermittelt, über sich hinauszuwachsen. Mit ihrer Familie und ihren Lieben an ihrer Seite hatte sie sich nicht gefürchtet, als sie die erste Kunde über die Titanen erreichte, die aus der Erde hervorbrachen. Was waren sie schon anderes als eine erneute Gelegenheit, sich in Ruhm zu sonnen? Sie und ihre Gruppe würden sich den Streitkräften der Lebenden anschließen, sich triumphierend diesen Wesen, die andere „Götter“ nannten, entgegenschwingen und die Welt retten.

Das hatte sie gedacht.

„Akiri“, sagte Zareth und unterbrach ihren Tagtraum. „Es tut mir leid, wie ich weggegangen bin.“ Er sprach leise. Ein Flüstern, von dem Akiri nicht gewusst hatte, dass er es hervorzubringen vermochte. „Ich hielt die Stille nicht aus. Ich dachte, ich würde frei von all dem sein, wenn ich weit weggehe. Weit weg von Seetor und Kaza und Orah. Weit weg von allem.“ Die kleinen Muskeln in seinem Kinn zuckten, als er durch einen alten Schmerz hindurch hervorstieß: „Weit weg von dir.“

Der Klang eines nie ruhenden Meeres. Die groben Grabenkämpfe von Mensch, Kor und Meervolk gegen stauberschaffende Eldrazi-Drohnen und niedere Ausgeburten. Über ihnen das Krachen und Blitzen der Magie der Wanderer, die noch furchterregendere Bestien zersprengten.

Sie hätte ihm böse sein können. Akiri hätte zornig auf ihn sein können wegen der Art, wie er fortgegangen war, und wegen der Dinge, die er gestohlen hatte. Dafür, wie sehr Kaza um ihn geweint hatte. Orah hatte Zareth gewiss für sein Davonlaufen verflucht und gedroht, den Jungen zu töten, wenn er denn je zurückkehrte, doch das war nur Orah, der Orah war, und Akiri wusste, dass er in seiner Wut zur Dramatik geneigt hatte – weil das seine Liebe und seine Angst hatte verbergen sollen. Sie hätte ihm böse sein können. In ihrem eigenen jungen Leben hatte Akiri auf die harte Art gelernt, welchen Preis es hatte, ohne Abschied fortzugehen, doch sie hatte auch erkannt, welch ein Geschenk es war, vergeben zu können. Auf Zendikar – ihrer kleinen, verwundeten Welt – geschah Heilung nicht von selbst. Man musste sie bewusst herbeiführen. Ob nun beim Wiederaufbau der Welt oder dem Zusammenflicken des eigenen Selbst: Heilung war Arbeit. Genau wie Vergebung.

„Zareth“, sagte sie. „Ich bin froh, dich zurückzuhaben.“

Zareth blickte auf. Zum ersten Mal, seit er vor Tagen zurück nach Seetor gestolpert war, sah sie den Zareth, den sie kannte.

„Ich hatte nie einen Ort, an den ich zurückkommen konnte“, sagte er. „Das ist schön. Es fühlt sich an, als würden die Dinge besser werden. Zurück in Seetor zu sein, hat mir gezeigt, dass wir mehr getan haben, als zu überleben.“

„Wir tun mehr, als zu überleben“, sagte Akiri. „Wir haben die Welt gerettet. Jetzt verleihen wir ihren Bewohnern Macht, und danach leben wir.“

Zareth lächelte ein kleines Lächeln. Einige Zeit verstrich in Schweigen, bevor die beiden sich wieder ihrem Essen zuwandten. Gemeinsam saßen sie unter ihrem Baum an den Hängen des Umara-Flusstals, und das schwindende Licht der Sonne verkroch sich hinter den fernen Horizont, während sie über keinerlei wichtige Dinge sprachen.


Am nächsten Tag erreichten sie den herabgefallenen Polyeder. Der Wasserfall – von dem es geheißen hatte, er sei ausgetrocknet – sprudelte stetig.

„Nun“, sagte Zareth zwischen zwei Atemzügen und beugte sich nach vorn. „Hier ist nichts.“ Er richtete sich auf und blickte sich auf der schmalen Spitze des Turmes um, den sie erklommen hatten. Das schalenförmige Amphitheater hier oben umfasste einen Teich, der keiner sichtbaren Quelle entsprang und einen flachen Bach speiste, welcher in das Tal unter ihnen strömte. Die Spitze war in einen feinen Nebel gehüllt, auch wenn das Tageslicht in dieser gewaltigen Höhe überwältigend war. Außer Flecken verzwirbelten Grases wuchsen kaum andere Pflanzen. Es war weniger eine Oase als eher ein sonderbarer Ausschnitt, ein Flecken Land, der für das, was er war, vollkommen fehl am Platz wirkte.

„He, Akiri!“, rief er. „Wo ist der große Stein?“

Akiri stand etwas abseits am Rand des Teiches, der jenen Wasserfall speiste, den zu erklimmen sie einen Großteil des Tages gebraucht hatten. Außer dem weißen Staub auf ihren Händen und Unterarmen kündete nichts davon, wie lange sie gerade geklettert war. Sie legte die Stirn in tiefe Falten. Mit in die Hüften gestemmten Händen blickte sie sich um – nur um sicherzugehen. Vielleicht ein Zauber? Oder das Nachklingen jener Turbulenz, die den Polyeder vor ihren Blicken verborgen hatte?

Der Teich, der den Wasserfall speiste, bot eine wahre Farbenpracht, und er war das einzig Bemerkenswerte auf dieser Spitze. Das kristallklare, von Mineralien in leuchtenden Rot-, Blau-, Grün- und Gelbtönen durchzogene Wasser lag so still da wie angehaltener Atem. Es bedurfte keiner ausgiebigen Untersuchung, um zu erkennen, dass Zareth recht hatte.

„Es ist kein Stein. Es ist ein Artefakt“, rief Akiri zurück. Drei Tage beschwerlicher Reise, Seilschleudern und dieser letzte Aufstieg, nur um nichts zu finden. Nicht einmal einen großen Stein.

„Immerhin ist das ein hübscher Teich“, sagte Zareth.

Akiri knurrte. Es war ein hübscher Teich. „Trink nicht daraus“, sagte sie.

„Vergiftet?“

„Gut möglich.“ Akiri schubste einen kleinen Stein vom Rand in den Teich. Er hüpfte ins Wasser und verschwand dann. „Eher eine Art Magie“, sagte sie.

„Vielleicht ist es das, was mit dem Polyeder geschehen ist?“

„Sehr gut möglich.“

Sie standen da und ließen den Wind die Stille ausfüllen. Er pfiff einsam.

„Was nun?“, fragte Zareth.

Akiri schaute zu Zareth zurück und dann an ihm vorbei. Ganz Tazeem breitete sich unter ihnen aus, diesig durch den Nebel des windgepeitschten Wasserfalls. Ihre Antwort war vor ihrem Blick verborgen.

„Wir kehren nach Seetor zurück“, sagte Akiri.

So weit draußen war zwar kein Leuchtfeuer zu sehen, doch man konnte es sich und die Stadt darunter vorstellen. Strahlend und in weiter Ferne, doch voller Verheißungen. Eine glitzernde Stadt an der Mündung der Halimar-Bucht.

„Wir haben noch immer etwas zu erledigen“, sagte Akiri. „Dort. Dort oben."

Zareth hielt mit ihr Ausschau nach dem östlichen Horizont. „In der Zwischenzeit ist das ein netter Ausblick“, sagte er. „Nicht übel, auch wenn die Arbeit nicht getan ist.“

Akiri schenkte ihm ein sanftes Lächeln. „Na komm, Zareth, gehen wir“, sagte sie. „Gehen wir nach Hause.“


Umara-Himmelsfälle | Bild von: Jesper Ejsing

Obgleich sie weit von Seetor entfernt war und aus kaum mehr als einer langen Halle und einigen Nebengebäuden bestand, war die Magosi-Furt so weit im Landesinneren ein Leuchtfeuer der Zivilisation. Die oben auf dem mächtigen Magosi-Wasserfall gelegene Furt war ein wichtiger Rastplatz für Reisende und Händler, die den sicheren Weg den Umara hinauf oder herunter nehmen wollten, und ein bekanntes Basislager und ein beliebter Wegpunkt für Entdecker.

An der Furt war das unablässige tiefe Grollen des Magosi selbst zu hören. Der Magosi-Wasserfall, der höchste entlang der gesamten Schlucht, bildete sich dort, wo der Umara dreihundert Fuß in die Tiefe stürzte. Irgendein geologisches Trauma hatte die Welt hier entzweigerissen, den einen Teil von ihr angehoben und den anderen in die Tiefe gezerrt. Nachdem diese Stelle jahrhundertelang unpassierbar gewesen war, hatten Forscher aus Seetor nach der Befreiung der Stadt eine Reihe schwindelerregender Spitzkehren in die Felswand geschlagen, was Reisenden einen verhältnismäßig sicheren Aufstieg von der Talsohle zur Spitze ermöglichte. Die Magosi-Fälle spiegelten die Geschichte Zendikars wider: Etwas Altes hatte der Welt etwas Entsetzliches angetan, manche Leute starben, die meisten überlebten, nichts änderte sich, und Zendikar bebte und bäumte sich auf wie eh und je, wild von planarem Fieber. Dann passten sich die Welt und ihre Bewohner an.

Zum ersten Mal seit Tagen verbrachten Akiri und Zareth einen Abend an einem Tisch und auf festen Stühlen sitzend. Sie aßen Essen, das ihnen jemand brachte, und beglichen die Rechnung mit Münzen und Guthaben für jene Handelswaren, die sie von ihrer Expedition zurückgebracht hatten. Sie hatten sogar etwas Kaltes zu trinken und lauschten Musik, die von einer Gruppe von Angehörigen des Meervolks gespielt wurde, die versuchten, das tiefe und beständige Grollen des Magosi-Wasserfalls zu übertönen. Dutzende Kor, Mitglieder des Meervolks und Menschen tummelten sich in der Haupthalle der Furt, aßen und unterhielten sich, feilschten um Kleinwaren und tauschten Neuigkeiten und Gerüchte aus, die sie auf ihren Reisen aufgeschnappt hatten. Draußen stampften und blökten Lasttiere – die man für die Reise zum nächsten Furtkletterpunkt viele Meilen entfernt anheuern konnte –, und der Wind trug ihren strengen Geruch ins Innere.

„Zivilisation“, seufzte Zareth und leerte seinen Becher. Er knusperte etwas Eis und rieb sich mit beiden Händen den Nacken. „Ich glaube, ich nehme das Gleiche noch mal“, sagte er und klapperte mit seinem Becher. „Und dann gehe ich noch einmal baden. Ich habe ganz vergessen, wie gut sich warmes Wasser auf den Schuppen anfühlt.“ Zareth griff nach ihrer gemeinsamen Börse und zupfte an der Schnur, um sie zu öffnen.

Akiri beendete ihr Essen und nickte in Richtung des Beutels. „Du musst deinen Münzspürsinn einsetzen, um da drin etwas zu finden“, sagte sie. „Wir haben den letzten Rest für diese Mahlzeit und die Vorräte ausgegeben, die wir für unsere Rückreise brauchen.“ Akiri lupfte eine Augenbraue und blickte zu Zareths Bündel, das auf dem großen Tisch neben ihrer eigenen Ausrüstung lag, „Zumindest den letzten Rest, von dem ich weiß.“

„He, du willst ja nicht, dass ich den Leuten hier die Taschen erleichtere“, sagte Zareth.

„Wir sind Abgesandte von Seetor, Zareth. Keine hungrigen Rekruten.“

„Richtig. Wir sind durstige Leute aus Seetor, Akiri“, sagte Zareth. „Die Gelehrten bekommen ihre Instandhaltungssteuern, und ich sehe keinen Grund, warum nicht auch wir unseren Anteil haben sollten.“

„Die Gelehrten verdienen sich diese Steuern durch ihre Arbeit“, sagte Akiri und begann, ihr Essgeschirr vom Tisch zu räumen. „Genau wie wir. Und jetzt zum Punkt.“ Akiri griff in ihr Bündel und zog eine kleine Börse hervor, die sie vor Zareth auf den Tisch warf. Sie landete mit einem dumpfen Geräusch und dem Klang von Gold.

„Das hast du nicht!“, lachte Zareth. Er griff nach der Börse, öffnete sie, durchwühlte sie und zog eine Münze hervor.

„Ich habe Arbeit für uns gefunden. Man zahlt uns eine Hälfte sofort und die andere am Schluss“, sagte Akiri. „Eine Karawane auf dem Weg nach Korallenhelm. Sie reist morgen ab.“

„Immerhin liegt es auf dem Weg“, sagte Zareth. Er zog ein paar weitere Münzen aus der Börse, verschnürte das Säcklein und stand auf. „Abfahrt am frühen Morgen?“

„War es je anders?“

Zareth lachte. „Na schön. Ich suche mir noch was zu trinken.“ Er stand auf.

„Zareth“, sagte Akiri und hielt ihn auf. Sie drehte die Börse um und Kiesel ergossen sich daraus. Zareth lachte und hob die Hände.

„Erwischt“, sagte er. „Darf ich dir eine Runde ausgeben?“

„Und noch ein paar von diesen Klößchen“, sagte Akiri. „Die mit Soße gefüllten.“

Zareth ging und kam kurz darauf mit Speis und Trank zurück. Er setzte sich hin, schob ihren Anteil über den Tisch, und die beiden begannen zu essen.


Später an jenem Abend, als die Nacht schon längst hereingebrochen und das Gemenge größer geworden war, saßen Akiri und Zareth auf der Veranda an der Klippe der Furt und ließen sich eine letzte Runde salzigen, gebratenen Essens und kalter Getränke schmecken. Sie hatten eine ganze Weile damit verbracht, sich zu unterhalten – sich wirklich zu unterhalten –, und vielleicht lag es an den kalten Getränken oder der ungezwungenen Stimmung nach so langer Zeit auf Reisen, doch im Zuge eines ansonsten lockeren Plauderns stellte Zareth Akiri die Frage, die die Schlussnote des Abends bilden sollte.

„Wenn wir nach Seetor zurückkehren“, sagte Zareth, „hast du vor, uns für eine geheime Mission zu verdingen. Eine Expedition zu einer der Himmelsfesten.“ Zareth lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Deshalb waren wir hier draußen und haben uns diesen Polyeder angesehen, richtig?“

Akiri leugnete es nicht. „Murasa“, sagte sie. „Seetor dachte, wir würden in einem gerade erst herabgefallenen Polyeder auf etwas Nützliches stoßen, doch das hätte vorausgesetzt, dass wir überhaupt erst einmal einen Polyeder finden.“

„Was gibt es denn in Murasa?“, fragte Zareth. „Diese Himmelsfesten sind alle alt und tot.“

„Ich weiß es nicht“, sagte Akiri. „Unser Auftraggeber ist gewillt, gutes Geld darauf zu verwetten, dass dort oben etwas auf uns wartet. Es klingt mächtig.“

„Wer ist denn diese neue Akiri?“, fragte Zareth. „Jemand, die ihren Traum von einer besseren Welt für ein Bauchgefühl aufs Spiel setzt?“

Akiri nickte. „Die Bezahlung ist gut“, sagte sie. „Niemand gibt so viel für ein bloßes Bauchgefühl aus. Es ist eine Wette – eine Wette, dass das, was wir in Murasa finden, uns helfen kann, unsere Welt zu heilen.“

„Ich weiß, das ist irgendwie meine Art“, sagte Zareth mit gedämpfter Stimme und lehnte sich vor. „Aber wir könnten uns auch in der Nacht davonschleichen und zu neuen Ufern aufbrechen. Du und ich zusammen, mit deinem Können und meinem Charme? Es würde uns an nichts mangeln.“

Akiri schüttelte den Kopf. „Dies hier ist unsere Welt, mit all ihren Qualen und Leiden. Das wiedergutzumachen, was ihr angetan wurde, ist unsere Bürde. Unsere Verantwortung. Unser Daseinszweck“, sagte Akiri. „Wir können nicht fortgehen.“

„Wir kehren vielleicht nicht zurück“, entgegnete Zareth.

„Ja“, sagte Akiri. „Wir kämpfen genau denselben Kampf wie jedesAufblühen nach einem langen Winter. Hunderte von uns mögen in der Kälte vergehen oder von einem eifersüchtigen Gärtner niedergemäht werden, aber wir sind zu viele, als dass der Frühling nicht käme. Wir müssen es versuchen. Koste es, was es wolle.“

„Und wenn wir nichts finden?“

Akiri nippte an ihrem Getränk.

„Zumindest wird es Hoffnung bringen, schätze ich“, schlug Zareth vor. „Den Leuten etwas geben, wovon sie träumen können.“

„Hoffnung? Nein“, sagte Akiri nicht unfreundlich, aber entschieden. „Aus Hoffnung lässt sich keine feurige Klinge schmieden oder auch nur ein schlankes Messer.“ Akiri schüttelte den Kopf. „Ich will den Menschen keine Hoffnung geben. Ich will ihnen Macht verleihen. Eine Möglichkeit finden, unseren Völkern – allen Bewohnern Zendikars – die Mittel zur Verfügung zu stellen, um aus ihrem Schmerz eine Waffe zu schmieden und sie zu nutzen, diese Welt endgültig zu heilen“, sagte sie.

Zareth lehnte sich aus seiner verschwörerischen Haltung zurück. Akiri war unnachgiebig und ernst.

„Hör mal, ich glaube, ich hatte genug“, sagte sie und durchbrach die Steifheit, die von ihr Besitz ergriffen hatte. Sie deutete auf die leeren Teller und Becher. „Ich gehe schlafen. Wir sehen uns morgen?“

„Ich werde da sein, Akiri“, sagte Zareth leise.

„Wirst du das?“

„Du hast mich gebeten, da zu sein“, sagte Zareth. „Also werde ich da sein.“

Akiri musterte Zareth für einen Augenblick. Einen langen Augenblick. Zareth sah nicht Akiri, die furchtlose Reisende, dekorierte Veteranin und sagenumwobene Seilschleuderin, sondern Akiri, die Namenlose, die junge Kor-Offizierin, die ihn in Seetor durch die Dunkelheit gezogen hatte. Ihre graue Haut verkrustet von der fahlen Asche ihrer toten Freunde und der verfallenen Landschaft. Ihre Augen, vom Feuer erhellt, leer vor Schrecken – und dennoch zog sie ihn noch immer vorwärts. Akiri, die ihm den Speer eines Toten in die Hand gedrückt und ihm gesagt hatte, dass er gegen die Wesen kämpfen musste, die die Welt mit einer Berührung töteten, weil sonst niemand mehr am Leben sein würde, sobald der Kampf um Zendikar vorüber war.

„Ich werde da sein, Akiri“, sagte Zareth erneut.

„Gut“, sagte Akiri. „Gut“, wiederholte sie leise beim Weggehen.

Die Nacht währte ewig, und Zareth verbrachte keinen Augenblick davon mit Schlafen.