Sorins Offenbarung
Sarkhan Vol ist nicht der Einzige, der nach Tarkir gereist ist, um etwas zu suchen. Der Vampir-Planeswalker Sorin Markov ist ebenfalls hier – aus ganz eigenen Gründen. Obwohl keiner von beiden es weiß, hat ihre Suche dasselbe Ziel: den Geisterdrachen Ugin.
Vor langer Zeit half Sorin Ugin und einem weiteren Planeswalker namens der Lithomagier dabei, die monströsen Eldrazi auf Zendikar einzusperren. Kürzlich jedoch entkamen die Eldrazi, und Sorin glaubt, dass Ugin einer der wenigen ist, die sie aufhalten können.
Und so führte Sorins Weg ihn auf der Suche nach seinem alten Verbündeten hierher, auf Ugins Heimatwelt. Er hegt zwar noch Hoffnung, doch er hat Ugin schon lange nicht mehr gesehen. Und er weiß, dass es bereits viel zu spät sein könnte.
Tarkir.
Sorin zuckte ächzend unter dem grotesken Gleißen der Sonne zusammen, als hätte ihm jemand ein Messer zwischen die Rippen gestoßen. Er stand auf einer weiten Steppe. Die trockenen Grasbüschel wisperten unter der heißen Brise, die über die Felsen und Hügel strich.
Fast sofort verabscheute Sorin die unbarmherzige Hitze Tarkirs, und er konnte spüren, wie sein Fleisch brannte. Er zog die Kapuze über den Kopf, um die bleiche Haut zu schützen, und machte sich auf den Weg zum nächsten schattigen Plätzchen unter einem hohen, sonderbar geformten Felsplateau, das aus der Steppe aufragte. Seine Stiefel durchbrachen beim Gehen die dünne Kruste getrockneter Erde. Ein einsamer Geier kreiste über ihm, dessen Schatten stumme Kreise auf dem Steppenboden beschrieb, als Sorin sich in seine gewählte Deckung zurückzog.
Sorin wandte seinen Blick den schneebedeckten Gipfeln zu, die sich in weiter Ferne am nördlichen Horizont erstreckten, und musterte die zerklüfteten Bergrücken. Da! Eine einzelne Erhebung zog seine Aufmerksamkeit auf sich: ein Drachenkopf, der gen Osten blickte. Ein kurzes Lächeln huschte über Sorins Gesicht. Irgendwo dort droben lag sein Ziel.
„Das Orakel hatte also recht“, sagte Sorin. „Ich hoffe, dass sich auch der Rest ihrer Visionen als wahr herausstellt, Drache. Ich habe nur wenig Zeit.“
Sorin wartete, bis die Kühle der Nacht einsetzte, ehe er in die mondbeschienene Landschaft hinaustrat und nach Norden aufbrach. Die wahnwitzigen Bilder des dunklen Orakels standen ihm noch immer deutlich vor Augen. Sie ergaben durchaus einen Sinn: eine große Drachenschlacht, eine Schlucht aus Eis, Ugins umherwirbelnde Gestalt. Doch die Bilder waren vage, verschwommen und wirr. Um die Einzelheiten würde er sich unterwegs Gedanken machen müssen, doch sein Ziel war klar. Während er auf die Berge zuging, blieben Sorins Sinne scharf Nicht wegen Gefahren, sondern nach Blut suchend. Seine Reise war lang gewesen und sein Hunger stetig größer geworden.
Es dauerte nicht lange, bis Sorin von seinem Aussichtspunkt auf einem Felsvorsprung aus ein Lagerfeuer erspähte. Das Feuer war zwar lange vor Einbruch der Dunkelheit bis auf die Glut heruntergebrannt, doch Sorin konnte noch immer seine Wärme und die fünf Krieger wahrnehmen, die in der Nähe lagerten. Sie sahen nach Kundschaftern aus. Ihre Rüstungen waren auf Schnelligkeit ausgelegt und ihre kleinen Pferde an einem Gestrüpp aus zähen Wüstensträuchern festgebunden. Zwei der Krieger hielten in einigem Abstand zum Lager und zueinander Wache. Sie würden zuerst fallen.
Sorin bewegte sich wie der Schatten einer Katze, bis er die Augen des Kriegers im Mondlicht glitzern sah. Behutsam griff er nach dem Geist des Wächters wie nach einem kleinen, zahmen Fisch.
Der Mann erstarrte. Seine Augen weiteten sich. Sorin bewegte sich in sein Blickfeld und lächelte.
„Sag deinem Freund, dass du allein Wache halten willst“, flüsterte er.
Der Krieger nickte und machte sich zu seinem Gefährten auf.
Als Sorin dem Mann nachblickte, wie er ins Licht trat, verspürte er einen vertrauten, schmerzhaften Stich. Das Bedürfnis nach Nahrung – so erbärmlich, so profan, so sterblich. Eine sich ständig wiederholende, prosaische Aufgabe, die er mit niederen Kreaturen gemein hatte. Einst hatte er versucht, sie zu ignorieren – mit gefährlichen und grässlichen Folgen. Sorin verabscheute die Macht, die sie über ihn hatte.
In seinem Inneren regte sich ein leises, unbehagliches Gefühl, einer Schlange gleich, die bereit zum Zuschlagen war. Nahiri war fort und ihr Schweigen beunruhigte ihn, doch Ugin hätte die Gefahr spüren sollen. Warum war er nicht nach Zendikar gekommen? Die Titanen der Eldrazi waren ein Feuer, das sich nicht löschen ließ, und Ugins Abwesenheit war seltsam. Sorin wusste, dass er den Drachen bald finden musste. Er hoffte, dass sie beide zusammen die drohende Katastrophe ein weiteres Mal aufzuhalten vermochten.
Der Krieger kam zurückgeschlurft und stand vor Sorin, der sich sofort auf ihn stürzte wie eine Spinne, um ihn bis auf den letzten Tropfen auszusaugen. Sorin blickte zum Mond hinauf und ließ den bleichen Körper des Mannes zu Boden sinken, wo er blutleer und blicklos zum Himmel starrte.
Sorin betrachtete die Leiche des Mannes zu seinen Füßen für einen Augenblick, ehe er davonschritt und mit der Nacht verschmolz.
Sorin folgte einem alten Wildpfad, der ihn tief in die ungezähmten Berge führte. Hoch ragten die von Schnee und Eis bedeckten Gipfel aus Granit auf, als er Schluchten und Pässe durchquerte.
Das Vergehen der Zeit besaß als Phänomen längst keine Bedeutung mehr für Sorin. Die lange Reise durch Tarkir war nichts weiter als eine Reihe von Augenblicken. Es gab keine gespannte Erwartung, keine Langeweile, keine unnötige Eile. Er wusste, was er zu tun hatte, und sein Geist war ganz auf das Handeln im Hier und Jetzt gerichtet. Im Lauf der Jahrhunderte waren seine menschlichen Schwächen und Eigenheiten gewachsen, erblüht und verwittert. Alles, was nun noch geblieben war, war ein Geist, der sich nicht mehr um die Bürde der Sterblichkeit scherte.
Er näherte sich der Schneegrenze, dort wo die Kiefern schwer mit Schnee beladen waren, der im Sonnenlicht glitzerte. Er hörte sie, noch ehe sie um die Biegung kamen: eine Gruppe aus fünf Kriegern und einem Schamanen auf gewaltigen, zottigen Bestien. Die Krieger trugen schwere Speere und Halsketten aus Bärenklauen. Der Schamane war in einen dicken Pelz gehüllt, das Gesicht unter einem Schleier aus Knochen und verfilztem Zwirn verborgen. Der Anführer hielt eine Axt, die aus dem Kieferknochen irgendeiner mächtigen Kreatur gefertigt worden war. Ein Mantel aus Bärenfell lag ihm um die Schultern, und das wettergegerbte Gesicht erinnerte an Leder. Sie schienen sich nicht vor ihm zu fürchten.
Gut, dachte Sorin. Ich brauche einen Führer..
„Ist das der ‚schreckliche Wanderer‘, von dem der Flüsterer sprach?“, raunte einer der Krieger den anderen zu, ohne auch nur zu ahnen, dass Sorin selbst noch auf dreißig Schritt Entfernung jedes Wort verstand.
„Das bezweifle ich“, sagte der Anführer. „Ich schätze, das ist ein Sultai, der von zu viel Rakshasa-Magie in ein Zerrbild seiner selbst verwandelt wurde. Was spürst du, Rushka?“
„Es ist kein Leben in dieser Kreatur,“ sagte der Schamane. „Sie ist gefährlich.“
„Dann wollen wir mal hören, was sie sagt, wenn wir sie töten.“
Sorin näherte sich. Er konnte das Leben in ihnen spüren, wie es vor ihm pulsierte, jeder Herzschlag in seinem eigenen Rhythmus. Er begann, leise einen Zauber zu summen, während er sich den Kriegern näherte. Einen alten Zauber aus einer längst vergessenen Zeit. Eine Melodie des Todes.
„Das ist nahe genug, dämonische Sultaibrut“, sagte der Anführer der Krieger vom Rücken seiner Bestie aus. „Heute Nacht wird dein Kopf die Spitze eines Speeres zieren.“
Sorin lächelte und ballte die bleiche Faust vor dem Gesicht, als ein Kichern seinen Lippen entwich. Dunkler Rauch quoll ihm zwischen den Fingern hervor – wie Tinte, die man in klares Wasser tropfte. Zwei Krieger schnappten jäh nach Luft und kreischten auf, als sie vom einen auf den anderen Augenblick verdorrten. Ihre Reittiere stoben in Panik auseinander und vom Bergpfad hinunter. Die ledrigen Kadaver ihrer einstigen Reiter fielen wie Trockenfleisch zu Boden, als die Tiere in den Wald hineinpreschten.
Die anderen drei Krieger versuchten verzweifelt, ihre eigenen verschreckten Tiere im Zaum zu halten. Einer von ihnen wurde abgeworfen und Sorin war blitzschnell heran, um ihn mit einem wohlgezielten Stiefeltritt außer Gefecht zu setzen.
Der Schamane hielt die Hand vor sich, und eine Säule aus grünem Feuer schoss aus dem Boden empor. Binnen eines Wimpernschlags formte sich daraus eine massige Gestalt, die auf Sorin zustürmte. Sorin streckte die Hand aus und zerrte die beiden ledrigen Leichen zurück aus dem Totenreich. Die Krieger zuckten und wanden sich am Boden, bis sie es auf alle viere schafften. Ihre Augen funkelten voller Unleben, und ihre Körper waren von einem Blutrausch gepackt.
„Meister“, zischten sie, die Gesichter zu einem Leichengrinsen verzerrt. Scharfe Fangzähne blitzen auf.
Sorin brauchte ihnen nur einen Blick zuzuwerfen, und seine vampirischen Diener bewegten sich mit unheiliger Schnelligkeit. Sie sprangen von den Felsen, um die gewaltige Bestie niederzuringen, die auf Sorin zuhielt. Obwohl sie von den mächtigen Läufen der Bestie zerschmettert wurden, rissen die Vampire dennoch mit entsetzlicher Kraft und Wildheit an ihrem Fleisch. Die Kreatur versuchte vergebens, sie abzuschütteln, und nur Augenblicke später zwangen die gefräßigen Angreifer sie in die Knie.
Der Schamane heulte auf und stürmte auf Sorin zu. Er wirbelte drei flammende Peitschen durch die Luft. Der Zauber schnitt durch Sorins Lederweste. Die Haut an seinem Arm wurde schwarz und löste sich von den Knochen.
Sorin zischte und zwang seinen Willen in den Geist des Schamanen hinein. Seine Augen blitzen voll Bosheit auf. „Töte diesen da!“ Sorin deutete auf den Anführer, der noch dabei war, sein Reittier zu zügeln und einen Angriff vorzubereiten.
Der Schamane wirbelte herum und stieß mit dem Speer nach seinem Anführer. Dieser jedoch reagierte gewandt wie eine Katze und hieb dem Schamanen mit einem einzigen Schlag seiner gewaltigen Axt aus Kieferknochen den Kopf von den Schultern. Als er sich zu Sorin umwandte, übersah er einen einsamen, ledrigen Vampir, der aus dem Leichnam der Bestie kroch und mit einem gebrochenen Bein über die Felsen krabbelte. Als der Anführer die Waffe hob, sprang die seelenlose Gestalt ihm auf den Rücken und umfing ihn mit eisernem Griff. Der Anführer wehrte sich strauchelnd, doch der Vampir grub ihm die Klauen ins Rückgrat und saugte ihm das Blut aus.
Als es vorbei war, entließ Sorin seinen verwundeten Diener. Stumm fiel der Vampir zu Boden, die Fänge rot von Blut. Sorin ging zu dem bewusstlosen Krieger hinüber, kniete nieder und nahm seinen Kopf zwischen die Hände.
„Du sollst mir dienen“, flüsterte Sorin ihm ins Ohr.
Der Krieger riss die Augen auf. Sorin achtete darauf, den Willen des Kriegers nicht zu sehr zu beugen, um seinem neuen Sklaven nicht sämtlichen Eigenantrieb zu rauben. Er brauchte den Mann, um Ugin zu finden.
Vampir-Spielstein | Bild von Cynthia Sheppard
Bei der ersten Erwähnung des Namens Ugin schien der Krieger verängstigt. Doch nach einer weiteren mentalen Ohrfeige von Sorin begann er zu sprechen.
„Das Reich des Geisterdrachen. Von hier aus ist es keine weite Reise, aber eine gefährliche.“
Sorin streckte die Hand aus. „Geh voran.“
Der Krieger schlurfte vor ihm her und folgte einem alten Pfad, der nur von erfahrenen Spurenlesern als solcher zu erkennen war. Einen Tag lang arbeiteten sie sich an der Flanke eines hohen Bergmassivs voran und schlugen dann ihr Lager unter dem Sternenzelt auf. Sorin beobachtete den Krieger, wie er in seine Felle gehüllt neben dem erlöschenden Feuer schlief. Er hatte vergessen, wie sich die Sehnsucht nach Wärme anfühlte. Er versuchte, sich an seine Tage als Sterblicher zu erinnern. Wie es war, sich von weltlichen Sorgen geplagt am gewaltigen Kamin im Anwesen der Markovs niederzulassen. Noch immer fühlte er sich Innistrad verbunden: Selbst nach Tausenden von Jahren war seine Liebe zu seiner Welt ungebrochen.
Als er so in der Dunkelheit saß, behütete er die Erinnerung an Innistrad wie ein kostbares Juwel im schwarzen Samt seines Geistes.
Sie zogen größtenteils schweigend über die schmalen Pfade und vereisten Grate, doch Ugins Gegenwart in dieser Welt hatte Sorins Interesse geweckt.
„Wie lange wusstest du schon vom Reich des Geisterdrachen?“, wollte Sorin von seinem Führer wissen.
„Unser Volk fand es schon vor langer Zeit, noch vor dem Ende aller Drachen.“
„Es gibt hier keine Drachen mehr?“, fragte Sorin.
„Sie wurden alle getötet“, sagte der Führer und schlurfte weiter. „Bis zur Ausrottung gejagt. Man sagt, die Drachen wären aus großen Stürmen geboren worden, doch diese Stürme haben sich für immer gelegt.“
„Aus Stürmen geboren? Interessant. Das hat Ugin nie erwähnt.“
Der Krieger hielt einen Moment inne und setzte dann seinen Weg fort.
„Die Ältesten sagen, dass ein Drachensturm eine Zeit der Freude war. Wir ehren die Erinnerung an die Drachen. Ihr Erbe der Wildheit ist es, das uns Temur überleben ließ. Doch manche sagen, die Drachen wären gierig und verderbt geworden und deshalb hätte der Geisterdrache uns Magie gegeben, um gegen sie zu kämpfen. Jetzt sind alle Drachen tot. Daher kämpfen wir gegeneinander.“
„Eine Geschichte, die ich wieder und wieder gehört habe“, sagte Sorin. „Es ist nie leicht, nicht wahr?“
Der Temur-Führer schwieg.
Tage vergingen, bis sie auf einem Kamm voranschritten, der schließlich an einer steilen Felswand endete. Tief unten breitete sich eine flache Ebene voller uralter, zersplitterter Felsen aus, die von Eis und Schnee bedeckt waren. Sorin konnte erkennen, dass diese Felsen von einer gewaltigen Kraft verformt und umhergeschleudert worden waren. Er sah eine Spirale aus Felsen, die aussah, als sei der Stein einst geschmolzen und dann wieder urplötzlich erstarrt, nachdem man ihn gezwungen hatte, den Kraftlinien zu folgen. Die seltsamen Felsen umgaben eine tiefe Schlucht aus schwarzem Granit, die sich mitten durch die Ebene zog.
„Dort liegt der Geisterdrache.“ Der Temur deutete zum Grund der Schlucht.
Sorin blickte hinab.
Knochen.
Die Schlucht erstreckte sich viele hundert Schritte vor ihm. Tief in dem gewaltigen Riss in der Erde konnte Sorin Stellen erkennen, an denen gewaltige, knöcherne Rippen wie das Gerüst einer Kathedrale aus dem Eis herausstachen.
„Das ist nicht möglich“, flüsterte Sorin und stolperte zur Felskante. Er konnte dort unten kein Leben spüren. Wütend hämmerte er die Faust gegen den kalten Felsen. „Sei verdammt, Orakel! Lügen und Launen! Das kann nicht Ugin sein!“
Der Krieger starrte Sorin an.
„Bring mich dort hinunter. Ich muss es mit eigenen Augen sehen.“
„Es ist gefährlich“, sagte sein Führer teilnahmslos. „Jeder, der die Schlucht je betreten hat, ist tot.“
„Das ist mir gleich“, sagte Sorin. Wut brodelte ihn ihm auf. „Beweg dich. Und zwar sofort.“
Der Krieger krümmte sich vor Schmerz und bewegte sich dann am Rand des Abgrunds entlang. Schließlich erreichten sie einen gefährlich aussehenden Pfad, der in die Schlucht hinunterführte. Während sie über Felsen und Eis hinabkletterten, konnte Sorin den Blick nicht von den Knochen abwenden. Selbst gegen das weiße Gleißen des Schnees sah er ihr Leuchten und den bläulichen Nebel, der sie umwaberte. Die Magie in ihnen war noch immer stark.
Sie erreichten den Grund der Schlucht. Ein Teil eines skelettierten Schwanzes ragte aus dem Schnee auf. Der bläuliche Nebel stieg daraus auf. Je näher sie den Knochen kamen, desto deutlicher konnte Sorin die Kräfte spüren, die hier am Werk waren: mächtige Magie aus einer anderen Zeit.
Das waren Ugins Knochen.
Der Krieger geriet ins Wanken, während er sich vorwärtskämpfte.
„Halt“, sagte Sorin. Der Krieger schwankte bedrohlich. „Es ist nicht nötig, dass du in Stücke gerissen wirst. Geh zurück.“
Der Krieger wandte sich um und suchte Zuflucht unter einem Felsen. Sorin bewegte sich auf den geisterhaften Rippenbogen zu, der sich über ihm spannte. Je näher er ihm kam, desto stärker spürte er die stürmischen Kräfte der Magie, die an seinem innersten Selbst zu zerren schienen. Er fühlte, wie der Funke in ihm sich regte und ihn zusammenhielt, während er sich durch die Rippen des Drachen zu dessen Kopf voranbewegte.
Blaue Nebel aus Energie begannen, um Sorin herumzuwirbeln. Er ging auf die Knie, um den Schnee von dem festen Eis darunter fortzuwischen. Dort in der Dunkelheit des Eises leuchtete Ugins unverwechselbarer Schädel. Er schaute Sorin aus leeren Augenhöhlen an. Sorin versuchte, ein Lebenszeichen zu erspüren, einen noch so winzigen Teil von Ugins Geist, doch da war nur gähnende Leere.
Sorin starrte in Ugins schwarze Augenhöhlen. „Es ist mehr Leben in mir als in dir, Drache.“
Sorin presste seine Stirn gegen das Eis und stieß einen Fluch aus, als er endlich begriff.
Bei dem Abstieg in die Schlucht hatte er sich an die Hoffnung geklammert, dass Ugins Geist nicht vernichtet worden war. Er hatte gehofft, es gab etwas, was man hätte wiederbeleben können: einen Funken Bewusstsein, der vom Rand der völligen Auslöschung zurückzuholen war. Doch Sorins Hoffnung wurde so mühelos erstickt wie ein schwaches Flämmchen.
Ugin war tot. Und mit ihm die Hoffnungen unzähliger Welten.
Sorin ging durch den Bogengang aus Rippen dorthin zurück, wo der Krieger auf ihn wartete. Zendikar würde zerstört werden. Und was danach? Innistrad? Ob nun gleich oder erst in tausend Jahren: Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch seine Welt verschlungen werden würde. Der Gedanke machte ihn wütend und hilflos zugleich.
„Wir alle sind dem Untergang geweiht“, sagte Sorin zu dem Krieger und dem Wind.