Zurgo, der Khan der Mardu, weiß, wie man alte Feindschaften pflegt. Und niemanden hasst er mehr als den Planeswalker Sarkhan Vol, einen früheren Mardu, der seine Klansbrüder mit Drachenfeuer verbrannte, als sein Funke sich entzündete.

Doch wie weit ist er bereit, für seine Rache zu gehen?


Zurgo Helmbrecher stand auf einem felsigen Vorsprung am Rand einer zerklüfteten Hochebene und betrachtete die unzähligen Mardu, die sich dort drunten auf der Ebene versammelt hatten. Inmitten ihrer Reihen lagen die Leichen zahlloser Krieger verstreut. Einige waren Mardu, der Großteil jedoch Temur. Linker Hand der Armee erstreckte sich das endlose, windgepeitschte Buschland, die Heimat seines Volkes. Zur Rechten erhoben sich die Ausläufer der Berge, von wo die Streitmacht der Temur, die er gerade besiegt hatte, gekommen war.

Während er seine Armee musterte, musterte seine Armee auch ihn. Voller Triumph, Müdigkeit und Erwartung.

„Wir sind Mardu!“, rief er.

Vormacht der Mardu | Bild von Jason Chan

„MARDU!“, schallte es zurück. Sie jubelten einige Herzschläge lang wie aus einer Kehle. Er labte sich an dem geeinten Hochgefühl seiner Leute, bis die Rufe nach und nach verstummten.

„Surrak hat unsere Grenzen auf die Probe gestellt“, rief er, „und wir haben ihm gezeigt, dass sie stark sind. Vielleicht dachte er, wir säßen untätig in Schwingenthron herum. Doch er irrt sich! Wir sind Mardu, und wir herrschen über diese Ebenen!“ Zurgo stampfte mit dem riesigen Fuß auf. Die Heerscharen jubelten erneut.

Ein leises, knackendes Geräusch drang über den Jubel hinweg von dem Felsen unter ihm an sein Ohr. Er blickte hinab und sah, dass sich unter seinen Füßen ein gezackter Riss gebildet hatte. Das Knacken hielt an. Zurgo machte zwei Schritte zurück, und einen Wimpernschlag später brach der vordere Teil des Felsvorsprungs ab und stürzte unter großem Getöse in die Tiefe.

Als der Jubel erstarb, drang eine schrille Stimme von der Ebene herauf. Krieger in der Nähe ihres Ursprungs drehten sich mit besorgten, verwirrten Gesichtern nach ihr um. Zurgo wandte sich zu Varuk, einem alten, klugen Ork, der ihm als sein engster Berater diente und unweit von ihm Stellung bezogen hatte. „Was ist das?“

Varuk richtete die Ohren nach vorn. „Das ist ein Goblin, mein Khan. Er ist wütend.“

Zurgo sog Luft durch die Nase. „Bring ihn her.“

Varuk warf ihm einen raschen, aber nervösen Blick zu. „Wie Ihr wünscht, mein Khan.“ Er blickte eine menschliche Wache an und schnippte mit den Fingern. Sie machte sich sogleich in Richtung des Störenfriedes auf. Als sie mit dem Goblin zu Zurgo zurückkehrte, war es wieder still auf der Ebene. Die Armee schaute zu, wie Zurgo auf den kleinen Fellball hinuntersah.

Goblinspielstein | Bild von Kev Walker

Zurgo öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch der Goblin kam ihm zuvor. „Meine Schwester ist gestorben, um diesen Felsen einzunehmen, und Ihr habt ihn zertreten!“ Die quäkende Stimme des Goblins trug weit über die stille Ebene, wo ein von plötzlichem Unbehagen herrührendes Zucken durch die Menge lief.

Zurgo richtete sich zu voller Größe auf. „Wir haben den Sieg über die Temur davongetragen, weil wir als ein Geist, ein Leib und ein Klan gestritten haben. Im Kampf zu fallen ist sehr ruhmreich, wenn es dem Klan dient! Das tapfere Opfer deiner Schwester hat vielen Mardu das Leben gerettet!“

Varuk hob die Waffe und stieß einen Jubelschrei aus. Die Heerscharen erwiderten den Ruf mit zum Himmel gereckten Waffen. Ihre vereinte Stimme wusch über die Hochebene hinweg und verklang.

„Und dann habt Ihr ihn zertreten!“ Das Goblin schaute hinab, dorthin, wo nun das Geröll lag, und richtete seinen trotzigen Blick erneut auf Zurgo. „Es war ein guter Felsen!“ Die jämmerliche Gestalt starrte zu Zurgo hinauf, und seine quiekende Stimme hallte weit über die stille Ebene. Die Krieger, die Zurgo am nächsten standen, drängten vorwärts. Ihre Gesichter waren kalt und zornig, als sie begannen, leise untereinander zu murmeln.

Wut wallte in Zurgos Brust auf. „Du glaubst, ich herrsche nicht zum Besten der Mardu?“

„Meine Schwester ist wegen nichts und wieder nichts gestorben!“, quiekte der Goblin.

Zurgo hob den linken Fuß so hoch er konnte und ließ ihn dann mit seinem gesamten Gewicht auf den Goblin niederfahren. Mit einem äußerst befriedigenden Knacken wurde dieser beinahe völlig platt gequetscht.

Zurgo lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf die Heerscharen. „Ich habe keine Verwendung für diesen Fels oder irgendeinen anderen! Wir wandern, wir nehmen, wir essen! Wir sind Mardu, und wir haben Surrak unsere Macht gezeigt!“ Die Armee brüllte ein weiteres Mal auf, nun jedoch merklich leiser.

Zurgo kehrte der Menge den Rücken zu. Unter ihm begann das dumpfe Rumoren von Unterhaltungen. Während die Aufmerksamkeit der Armee neue Ziele fand, näherte sich Varuk Zurgo mit leicht gesenktem Haupt und deutete auf die zermalmte Leiche des Goblins. „Ich bin nicht sicher, ob es weise war, diesen Goblin zu töten.“

Mardu-Kriegshetzer | Bild von Yefim Kligerman

„Er hat meine Autorität infrage gestellt, und ohne Einheit sind wir nichts.“

Etwas blitzte in Varuks Augen auf. „Ist dies wichtiger als Eure Position? Seine Familie wird Euch verabscheuen.“

Eine Kriegerin, die das Banner einer Botin trug, bahnte sich ihren Weg durch die Menge um Zurgo herum und blieb nach Atem ringend vor ihm stehen. „Ich weiß“, stieß sie hervor, „warum ... sie uns angegriffen haben. Ein Kundschafter der Temur sah einen von uns in den Wäldern, hinter unseren Grenzen.“

Kriegsnamen-Anwärterin | Bild von David Gaillet

Zurgo fuhr herum, um sie anzusehen. „Was?“

Sie machte einen Schritt zurück. „Er wurde umzingelt. Er nannte sich selbst ‚Sarkhan‘. Die Temur fühlten sich beleidigt, dass er die Herrschaft über sie beanspruchte und forderten ihn auf, sich zu ergeben ...“

Sie stand da und sprach nicht weiter. Zurgo schnaubte. „Und?“

„Er ... sie sagen, er hätte sich in einen Drachen verwandelt. Er soll Feuer gespien haben, ehe er sich in die Lüfte schwang und tiefer ins Revier der Temur hineinflog.“

Vol. Das konnte nur Vol sein. Zurgo kniff die Augen zusammen.

„Sie nahmen an, er wäre der neue Khan der Mardu. Daher wollten sie angreifen, solange der Anführer ihres Feindes noch anderswo weilte. Nur tatet Ihr das nicht. Und Ihr könnt Euch nicht in einen Drachen verwandeln.“ Sie blickte kurz nach unten und hob dann fragend den Blick. „Oder?“

„Du kannst wegtreten“, grollte Zurgo.

Als sie davonhuschte, näherte sich Varuk mit gesenktem Kopf. „Ihr solltet ihn nicht verfolgen.“

Zurgo blickte auf ihn herunter. „Er ist schon lange genug eine Bedrohung für diesen Klan. Er muss sterben.“

Varuk legte den Kopf schief, als hätte er nun etwas mehr Mut gewonnen. „Ihr vergesst, wie lange ich schon an Eurer Seite stehe. Ich weiß noch, wie Ihr nur ein Geschwaderführer wart. Ich war dabei, als Vol desertierte, und dann erwartete, mit offenen Armen empfangen zu werden, als er zurückkehrte. Ich war dabei, als Ihr ihn in den Kampf gegen die Sultai geschickt habt. Ich war dabei, als er sich in eine gewaltige, fliegende Flammenbestie verwandelte und Eure Armee mit seinem Atem verbrannte. Ich weiß, wozu er fähig ist. Ihr seid ihm nicht gewachsen.“

„Er nannte sich Sarkhan. Deshalb griff Surrak uns an. Glaubst du, der nächste Khan, der diesen Namen hört, wird sich nur vor Lachen auf die Schenkel klopfen? Nein. Dies wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass wir wegen seines Verrats angegriffen werden.“

„Nach einer solchen Niederlage wird Surrak uns für eine Weile in Ruhe lassen müssen. Unsere Pferde sind nicht für die Berge geschaffen. Und Vol bewegt sich von uns fort.“

„Er ist ein Verräter und eine Bedrohung, und ich will ihn tot sehen.“

Varuk drehte den Kopf, um die Armee zu betrachten, die inzwischen schon recht weit darin gediehen war, das Lager aufzuschlagen. „Wie werdet Ihr die anderen davon überzeugen, sich Euch anzuschließen? Ihre Geschichte ist nicht die Eure.“

Zurgo schnaubte. „Heute Nacht feiern wir. Morgen beginnen wir mit den Vorbereitungen. Am Tag darauf bestrafen wir Surrak für seine Unverfrorenheit. Sag es ihnen."

Varuk nickte und verschwand in der lärmenden Menge.

Zurgos Horde verbrachte die Nacht feiernd. Zurgo selbst blieb in seinem Zelt. Er gönnte seinen Leuten ihren Triumph. Er war außer sich vor Zorn über Vol, und jeder Krieger, der ihn in diesem Zustand sah, hätte annehmen müssen, dass sein Zorn einem anderen Mardu galt. Nur wenige seiner altgedienten Krieger dürsteten noch nach Rache an Vol, und deshalb würde Surraks Kopf Grund genug sein müssen, seine Armee in die Berge zu führen. Er hätte nun sagen können, sein Zorn gälte Surrak, doch dies würde erst funktionieren, wenn der Glanz des jüngsten Sieges etwas verblasst war. Und so blieb er allein.

Am nächsten Tag bereiteten sich die Mardu darauf vor, sich in Bewegung zu setzen. Zurgos Krieger durchsuchten die Leichen der Gefallenen nach Vorräten und schichteten ihre Leiber zu großen Haufen auf. Schamanen erschufen große Kluften darunter und schlossen sie wieder, sobald die Massengräber voll waren. Kundschafter spähten die bewaldeten Gebirgsausläufer auf der anderen Seite der Ebene aus. Und die drei besten Geschwaderführer gesellten sich zu Zurgo in dessen Zelt.

„Morgen gehen wir in die Berge“, sagte er zu ihnen. „Wir werden Surrak für seine Dreistigkeit bestrafen.“

„Die Temur schlagen sich in ihren Bergen am besten“, sagte Varuk. „Dieser Weg ist gefährlich.“

„Wir haben Kundschafter“, sagte Zurgo. „Wir werden vorbereitet sein, wenn der Feind zuschlägt.“

„Sie kennen sich in dem Gebiet der Temur nicht aus“, sagte eine Orkfrau namens Rufaz, deren Augen vor Verwirrung geweitet waren. „Verglichen mit unseren Feinden werden wir blind sein.“

Zurgo funkelte sie an. „Du solltest mehr Vertrauen in unsere Krieger haben.“

„Wir haben Surrak schon genug bestraft“, sagte ein Menschenmann namens Batar. Seine gesenkten schwarzen Brauen und sein höhnischer Schnauzbart trieften vor Herablassung. „So viel zu riskieren, um ihn noch mehr zu bestrafen, ist töricht.“

Zurgos Gesicht verzerrte sich zu einer Fratze. „Ich bin der Khan der Mardu. Ihr werdet tun, was ich sage.“

Varuk nickte, und dann nickte Rufaz. Nach ein paar Augenblicken nickte auch Batar, und alle drei verließen das Zelt. Als Zurgo wieder bei seiner Armee eintraf, hatten alle drei bereits begonnen, die Horde auf die Reise des nächsten Tages vorzubereiten.

Am nächsten Morgen packten Zurgos Leute die Zelte zusammen, schwangen sich auf ihre Pferde und ihre Reitbestien und setzten sich in Bewegung. Er schickte Kundschafter voraus, um im Wald nach Temur Ausschau zu halten.

„Ich habe auch Berichte über einen Deserteur der Mardu erhalten“, sagte er zu ihnen. „Verfolgt ihn nicht, wenn ihr ihn findet, sondern gebt mir Bescheid.“ Sie nickten und schwärmten in die Wälder aus.

Bewaldete Gebirgsausläufer | Bild von Jonas De Ro

Zurgo ritt inmitten der Horde. Seine Reitbestie überragte die Pferde der Armee um ihn herum. In den Hügeln strauchelte sie etwas, nicht so sehr jedoch wie die Pferde.

Die erste Welle seiner Kundschafter kehrte mit vagen, doch beunruhigenden Berichten zurück. Die Temur waren in der Nähe, so viel war sicher, doch keiner wurde tatsächlich gesichtet. Die Kundschafter hatten lediglich abgebrochene Äste, zerknickte Zweige und frische Fußspuren gefunden, die nicht von den Mardu stammten.

Surrak wusste mit Sicherheit, wo sie waren.

Drei Stunden später hielt die Armee der Mardu Einzug in ein Tal, das sich den Berg hinaufschlängelte. Eine plötzliche Kälte brach über sie hinein. Es begann zu schneien – unnatürlich, beißend und stetig, sodass der Boden im Handumdrehen von einem weißen Tuch bedeckt war, obgleich sie sich noch weit unterhalb der Schneegrenze befanden. Die Reittiere der Horde, Pferde und Bestien gleichermaßen, strauchelten in den pulvrigen Schneewehen. Einige Kundschafter kehrten von ihren Streifzügen in den Wald mit nur wenig neuen Erkenntnissen zurück – sofern sie denn überhaupt welche zu vermelden hatten. Einer von ihnen hatte einen flüchtigen Blick auf einen Schamanen der Temur erhascht, der eine Art Wettermagie zu wirken schien, doch dies überraschte kaum jemanden.

Batar ritt an Zurgos Seite. Sein Pferd tänzelte unruhig im Schnee. „Mein Khan, wir müssen umkehren. Das ist absurd. Wir reiten in eine Falle.“

Zurgo dachte einen Augenblick darüber nach. „Eine Bedrohung für die Einigkeit dieses Klans verbirgt sich in diesen Bergen. Möchtest du sie nicht ausgemerzt sehen?“

Batar schnaubte. „Der Schnee bedroht unsere Einigkeit.“

Zurgo richtete sich im Sattel auf und funkelte Batar mit aller Eindringlichkeit an. „Ein bisschen Schnee sollte einem Krieger der Mardu keine Angst einjagen, Batar Kehlenschneider.“

Batar wandte sich beleidigt ab und ritt davon. Nach fünfzehn Schritten konnte Zurgo ihn schon nicht mehr erkennen.

Eine Kundschafterin eilte auf ihn zu, der ganze Körper mit einer feinen Schneeschicht bedeckt. „Es sind Temur in der Nähe. Sie ziehen sich auf der Spitze des Hügels vor uns zusammen, etwa einhundert von ihnen.“

Zurgos Atem dampfte in der unnatürlichen Kälte. „Sag den anderen, sie sollen sich bereit machen zum ...“

Kampfgeräusche brandeten um ihn herum auf. Das laute Klirren von Stahl auf Stahl, Schreie des Triumphes und des Todes und das gewaltige, nasse Klatschen stürzender Reitbestien kam in nicht allzu weiter Entfernung sowohl von hinten als auch von vorn. Er konnte nicht weit genug durch das Schneegestöber sehen, um herauszufinden, was da vor sich ging.

Er stieg ab und rannte vorwärts. Vielleicht zweihundert Schritt voraus standen fünfzehn in Felle gehüllte Temur. Zu ihren Füßen lagen zahlreiche Leichen von Mardu, und um sie herum zogen sich weitere Mardu-Krieger zusammen. Die Mardu kamen näher, doch bald darauf waren alle von ihnen dahingemetzelt, und dann war alles ruhig. Das Schneetreiben endete.

„Was ist geschehen?“, blaffte Zurgo.

Das Geräusch rascher Schritte erklang in seinem Rücken. Er drehte sich um und sah eine Kundschafterin auf sich zukommen. „Zwei Breschen“, sagte sie keuchend. „Diese hier und eine weitere fünfhundert Schritt zurück. Eine Reihe von fünfzig Temur haben unsere Linien durchbrochen, sechsundfünfzig getötet und sich dann wieder in den Wald davongemacht. Wir waren nicht auf eine Verfolgung eingestellt. Sie ließen elf Leichen zurück.“

Zurgo wandte den Blick wieder der Szenerie vor ihm zu. „Und was ist hier geschehen?“

„Das Gleiche“, sprach eine Orkfrau, die in der Nähe stand. Zwei tiefe, rote Schnitte zogen sich über ihr Gesicht. Sie beäugte das, was nun eine Lichtung voller Leichen in der Mitte der Marschreihe der Mardu war. „Fünfzig tote Mardu, würde ich schätzen, doch ich sehe nur acht Temur.“

„Du und ... du“, sagte er und deutete auf die beiden. „Zeigt mir, woher sie gekommen sind. Alle anderen räumen hier auf.“

Die Kundschafterin und die Orkin führten ihn beide zum Rand des Tales, wo jeder Pfad einen steilen Abhang hinaufführte. Alle waren zu steil, als dass ein Pferd der Mardu sie hätte erklimmen können, und alle waren sie höchstens breit genug für vielleicht fünf Krieger. Die Temur hatten ihn zweimal in der Mitte seiner Armee erwischt, mit einer Streitmacht, die klein genug war, um diesen Weg zu nehmen, ehe sie wie Wasser wieder in den Wäldern verschwunden war. Er blinzelte und legte die Hand über die Augen, doch er konnte nicht weit genug den Pfad hinaufsehen.

Als er zu seinen Leuten zurückkehrte, erwartete ihn ein Kundschafter. „Was sollen wir tun?“

„Trommelt alle zusammen“, sagte er. „Versammelt die Armee hier. Ich werde zu ihr sprechen.“

Der Kundschafter eilte davon.

In der Nähe saßen drei junge Krieger im Schnee und unterhielten sich.

„Sie kamen aus dem Wald, wie aus dem Nichts“ sagte einer von ihnen. „Und sie sind ebenso schnell wieder verschwunden.“

„Mein Bruder wurde von vier Pfeilen getroffen und starb vor meinen Augen. Und ich kam an seinen Mörder nicht heran!“, schluchzte ein Zweiter.

„Das könnten sie noch fünf weitere Male machen und es würde zum selben Erfolg führen“, sagte eine junge Frau neben ihm. „Wir kennen dieses Gelände nicht.“

Zurgo bahnte sich einen Weg durch die Menge und stapfte zu ihnen herüber. Sie verstummten und erhoben sich.

„Sagt mir“, sprach Zurgo, „war das euer erster Kampf?“

Alle drei blickten zu ihm auf und nickten.

„Und hat ein jeder von euch einen Feind getötet?“

Sie nickten erneut und blickten ihn nun erwartungsvoll an.

„Du“, bellte Zurgo und deutete auf einen von ihnen. „Wie hast du deinen Gegner niedergestreckt?“ Stille breitete sich um sie herum aus.

„Ich habe dem Weib den Kopf abgeschlagen“, sagte er. „Mit einem sauberen Streich.“

„Kopfsammler“, verkündete Zurgo.

Er wandte sich an die Nächste, die mit aufgerissenen Augen zitterte. „Und du?“

Sie standen nun etwas aufrechter. „Ich jagte meiner Gegnerin drei Pfeile in die Brust“, sagte die Frau.

„Herzstecher.“ Zurgo wandte sich zum Letzten.

„Wir hatten unsere Waffen verloren und rangen“, sagte er. „Ich zerdrückte ihm die Kehle mit bloßer Hand.“

„Halswürger!“, rief Zurgo donnernd.

Die drei verneigten sich, alle über das ganze Gesicht strahlend. Mittlerweile hatte ein Großteil der Armee sich um sie geschart, und immer weitere Krieger strömten herbei.

Zurgo reckte sein Schwert gen Himmel. „Auf die Krieger der Mardu und ihren Sieg!“

Die Horde jubelte auf die Aufforderung hin, doch nicht so laut, wie Zurgo gehofft hatte.

„Nein!“, erschallte ein Ruf aus der Nähe, und Batar trat aus der Menge hervor. Sein Gesicht war rot, die Muskeln angespannt und der Blick wütend. „Diese jungen Krieger hatten recht. Ihr habt uns in die Wälder geführt, um Surrak zu strafen, sagt Ihr. Doch Ihr wisst nicht, wo er ist. Und dies ist böse Erde. Und dies ist unnatürlicher Schnee. Und dennoch ziehen wir weiter. Ihr müsst andere Gründe haben, doch habt Ihr sie uns nicht genannt. Und nun sind viele von uns tot.“

„Ich fordere Euch um das Recht heraus, diesen Klan zu führen.“

Nichts und niemand rührte sich mehr. Alle Augen ruhten auf den beiden.

Zurgo unternahm eine Einschätzung seiner Lage. Dieser Mann war wütend und dumm in seinem Zorn. Ginge es ihm tatsächlich um das Wohl des Klans, so hätte er anders gehandelt. Zurgo blieb nun keine Wahl. Er musste ihn töten.

„Na schön.“ Er zuckte mit den Schultern und zog sein Schwert. Der kleine Mann war trotzig. Er trug einen Schild in jeder Hand. An jeden waren drei große Drachenklauen gebunden. Seine Waffen mochten beeindruckend wirken, doch für einen so kleinen Menschen mussten sie schwer und langsam sein.

„Dann zeig uns“, sagte Zurgo, „was für ein großer Krieger du bist.“

Blutbesudelter Champion | Bild von Aaron Miller

Batar zog eine verächtliche Grimasse. Mit seinen schweren Waffen wartete er wohl darauf, dass Zurgo zu ihm kommen würde. Doch darauf konnte er lange warten. Batar konnte nicht zögern, ohne schwach dabei auszusehen.

Der Mann sprang vor und schützte mit beiden Schilden seine Flanken. Zurgo erwartete ihn. Als er näher kam, schlug er mit dem rechten Schild nach ihm. Zurgo wich nach links aus, wodurch er beinahe hinter dem Mann war. Er hieb mit dem Schwert in seiner Linken nach Batars Hals, doch dieser hob die Hand, mit der er gerade noch nach Zurgos Brust hatte schlagen wollen, mit erstaunlicher Flinkheit. Zurgos Schwert fuhr hart auf die Unterarmrüstung des Mannes herab und verbeulte sie zwar, richtete jedoch keinen echten Schaden an.

Dann wirbelte der andere Schild unter Batars erhobenem rechten Arm auf Zurgo zu. Eine Klaue zeigte auf sein Gesicht, die andere auf seine Leiste. Zurgo drehte sich vor dem Angriff schnell genug weg, dass nur der Panzer an seinem Bein und seiner Schulter getroffen wurde und er ein paar Schuppen an diesen Stellen einbüßte.

Er bewegte sich weiter hinter Batar und versuchte, dessen ohnehin schon recht merkwürdig erhobenen Schild noch weiter aus seiner Position zu bringen. In der Bewegung winkelte er den rechten Arm an, um zuzuschlagen. Batar drehte sich weiter, um ihn im Blick zu behalten, und schützte sein Gesicht mit seinem rechten Schild. Doch noch im selben Wimpernschlag, indem seine Wachsamkeit auch nur einen Deut nachließ, drosch ihm Zurgo die Faust gegen den Kiefer.

Batar ging stöhnend zu Boden.

Zurgo griff sich Batar am Hals und hob ihn hoch. Er sträubte sich und baumelte wie eine Lumpenpuppe hin und her, während er nach Luft schnappte. Zurgo stieß ihm das Schwert mitten durch die Brust, warf die schlaffe Gestalt zu Boden und trat ihr mit dem gewaltigen Fuß auf den Kopf. Hellrot spritzte Blut in den weißen Schnee.

Er wandte sich langsam um, alles um sich herum genau musternd. „Seht, was mit jenen geschieht, die den Khan der Mardu herausfordern!“

Varuk kam auf die Lichtung geritten. „Es wird nicht wieder geschehen“, sagte er.

„Ich werde jeden töten, der es wagt!“ Zurgo brüllte und stieß sein blutiges Schwert gen Himmel.

„Nein“, sagte Varuk, während er vom Pferd stieg „Denn es gibt nichts mehr herauszufordern.“ Seine Augen waren hart und kalt. Er stand aufrechter als jemals zuvor. Trotzig, nicht unterwürfig.

Zurgos Augen verengten sich. „Hier bin ich“, brüllte er.

Varuk gestikulierte mit einem Arm in Richtung dessen, was von der Horde noch übrig war.

„Seht sie Euch an, Zurgo.“ Seine Stimme hallte durch das Tal. „Einst dienten sie Euch. Jetzt fürchten sie Euch nur noch. Und das bedeutet, dass Ihr nicht wahrhaft ihr Kahn seid.“

„Du stellst meine Autorität infrage?“, brüllte Zurgo.

„Es gibt nichts infrage zu stellen“, sagte er. Er wandte seinen gesamten Körper der Horde zu.

„Die Mardu haben keinen Streit mit Surrak! Kehrt mit mir in unsere Heimat in Schwingenthron zurück“, sagte Varuk, „und wir werden nicht länger unser Leben für den törichten Durst nach Rache eines einzelnen Orks riskieren!“

Die Horde johlte zustimmend. Zurgo starrte sie mit großen Augen und weit offenem Mund an.

Varuk wandte sich um, um Zurgo erneut anzublicken. Einen Augenblick lang schien da so etwas wie Bedauern zu sein, doch dann war da nichts mehr. Varuk stieg zurück auf sein Reittier und ritt durch die Armee hindurch zurück durch das Tal. Zurgo stand da und schaute zu, wie seine Armee sich von ihm abwandte und langsam hinter Varuk herzog. Und dann waren sie nur noch Banner in der Ferne.

Nomadenaußenposten | Bild von Noah Bradley

Der Klan war fort, und Varuk hatte recht. Sie waren wahrhaftig nicht mehr seine Leute. Es gab nur noch eine Sache für ihn zu tun: Vols Kopf reglos im Schnee liegen zu sehen.

Er blickte auf sein Schwert hinab, das noch immer von Batars glänzendem Blut überzogen war. Er sprang auf eine Leiche zu, die ein trockenes Hemd zu tragen schien, und riss sich ein Stück davon mit der rechten Hand ab ... und hielt plötzlich inne, ohne dass er mit dem Stoff über die Klinge gestrichen wäre.

Dieses Blut war alles, was er noch besaß. Er konnte es nicht abwischen, bevor es sich nicht mit dem Vols vermengt hatte.

Ein in Felle gehüllter Leib in der Nähe, in dem drei Pfeile steckten, bewegte sich und stöhnte auf. Er stampfte zu der Verwundeten hinüber und hielt sein triefendes Schwert an die Kehle der Menschenfrau.

„Du!“, sagte er. „Sag mir, wo deine Leute den Khan der Mardu zuletzt gesehen haben und wohin er gegangen ist.“

Ihre Augen traten weit aus den Höhlen. Zitternd deutete sie mit dem Finger tiefer in die Berge hinein. „Der Geist ...“, krächzte sie. „Drachen... gruft“, stieß sie hervor.

Er stieß sein Schwert in die Kehle der Frau, und sie rührte sich nicht mehr. Zurgo kehrte zu seinem Reittier zurück, kletterte in den Sattel und ritt auf die Kluft zu.

Er wusste, wo sich die Drachengruft gerüchteweise befinden sollte, doch es würde eine gefährliche Reise werden. Falls Vol sich jedoch tatsächlich in einen Drachen verwandeln konnte, dann würde es nur Sinn ergeben, dass er sie aufsuchen wollte.

Der Boden wurde zunehmend tückischer, je weiter er in Richtung jener Schlucht ritt, in der der Leib des Drachen lag. Er ritt über viele steile Hügel – bis zum Einbruch der Nacht. Bald nach der Dämmerung begann sein Reittier, sich aufzubäumen und zu bocken, bis es einen Klagelaut von sich gab und so plötzlich stehen blieb, dass er beinahe heruntergefallen wäre.

Er stieg ab. Die Bestie hatte einen Fehltritt getan und sich ein Vorderbein gebrochen. Es war in eine unnatürliche Position verdreht. Riesige Knochensplitter stachen durch die Haut und bewegten sich leicht, als das Geschöpf vor Schmerzen aufjaulte.

Zurgo ließ es zum Sterben zurück und setzte seinen Weg allein fort.


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